Duisburg-Rumeln. 2022 fand ein Duisburger am Bahnhof eine Geldbörse mit 1200 Euro und ukrainischem Pass. Warum er mehr als ein Jahr später sauer auf die Bahn ist.

Da waren diese Bilder im Kopf. Als Torsten Rubach auf dem Weg zur Arbeit am Duisburger Hauptbahnhof eine Geldbörse mit 1200 Euro und einem ukrainischen Ausweis fand, spulte sich ein Film ab. Er sah einen Flüchtling, der gerade erst in Duisburg angekommen ist und Geld für das Leben im fremden Land am Automaten geholt hat. „Die Geldscheine waren glatt und wie neu“, erinnert sich der Mann aus Rumeln. Im April 2022, zwei Monate nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs, hat er diesen Fund in Duisburg gemacht.

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Mehr als ein Jahr später meldet sich der passionierte Zugfahrer ratlos und enttäuscht bei uns in der Redaktion. Denn wie die Deutsche Bahn mit diesem Fundstück und mit ihm, dem ehrlichen Finder, umgegangen ist, das wirft seiner Meinung nach kein gutes Licht auf das Unternehmen. Torsten Rubach hatte das Portemonnaie mit den 1200 Euro damals sofort zur Station der Bundespolizei im Duisburger Bahnhof gebracht. Dort waren seine Personalien aufgenommen worden und zusammen mit der Geldbörse und den 1200 Euro an die zentrale Fundstelle der Bahn weitergeleitet worden. In Wuppertal wird alles gesammelt, was im deutschen Zugverkehr verloren geht.

Ein Jahr lang hat sich die Deutsche Bahn nicht bei Torsten Rubach gemeldet

Ein Jahr lang hat Torsten Rubach darauf gewartet, dass sich die Fundstelle des Verkehrsunternehmens wie versprochen mit ihm in Verbindung setzt. „Ich wollte natürlich wissen, ob der Besitzer sein Geld zurückbekommen hat.“ Außerdem hätte er sich über ein „Dankeschön“ der Deutschen Bahn gefreut, dass er das Geld abgegeben hat. Aber es geschah nichts.

In der zentralen Fundstelle der Deutschen Bahn in Wuppertal werden alle Fundsachen aus Deutschland gesammelt. Auch die 1200 Euro aus Duisburg.
In der zentralen Fundstelle der Deutschen Bahn in Wuppertal werden alle Fundsachen aus Deutschland gesammelt. Auch die 1200 Euro aus Duisburg. © Deutsche Bahn

Der Duisburger wurde schließlich selber aktiv und meldete sich im Wuppertaler Fundbüro. Nach längerer Recherche fand man das Portemonnaie – allerdings waren die Daten von ihm als Finder nicht hinterlegt. Torsten Rubach schrieb eine E-Mail an den DB-Kundenservice. Er schilderte den Fall und bat unter anderem darum, ihm mitzuteilen, was die Deutsche Bahn unternommen hat, um den mutmaßlich ukrainischen Geldbörsenbesitzer zu finden.

250 000 Gegenstände landen pro Jahr im Fundbüro der Deutschen Bahn in Wuppertal

Auf diese Frage gab es keine Antwort. Man teilte ihm aber mit, dass ihm 1,5 Prozent Finderlohn zustehen. In diesem Fall 18 Euro. Um das Geld zu bekommen, müsse er sich nach Ablauf einer Frist von drei Jahren wieder melden. Denn dann gehören die 1200 Euro der Deutschen Bahn, auf deren Gelände sie gefunden wurden. Hätte Torsten Rubach die Geldbörse im öffentlichen Raum vom Boden aufgehoben, so wäre das Geld nach sechs Monaten an ihn als Finder gegangen.

Wir bitten die Pressestelle der Deutschen Bahn um Stellungnahme. Der Sprecher, der namentlich nicht zitiert werden möchte, ruft prompt zurück und lobt zunächst die Arbeit der zentralen Fundstelle in aller Ausführlichkeit. Die „Rückführquote der jährlich 250 000 Gegenstände“ sei extrem hoch und liege bei Notebooks sogar bei 90 Prozent. Auch Gebisse und Brautkleider würden den Weg zurück zu ihren Besitzern finden. Vor einiger Zeit habe man es mit kniffliger Recherchearbeit sogar geschafft, den Eigentümer eines Bundesverdienstkreuzes ausfindig zu machen.

Im Duisburger Hauptbahnhof hat Torsten Rubach aus Rumeln-Kaldenhausen das Portemonnaie mit 1200 Euro gefunden (Archivbild).
Im Duisburger Hauptbahnhof hat Torsten Rubach aus Rumeln-Kaldenhausen das Portemonnaie mit 1200 Euro gefunden (Archivbild). © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Das ist interessant, aber keine Antwort auf die Frage, was die Bahn konkret unternommen hat, um den Besitzer der im April 2022 gefundenen 1200 Euro zu finden. „Ich gehe davon aus, dass die Kollegen alle Recherchemöglichkeiten ausgeschöpft haben“, vermutet der Sprecher. Später wird er konkretisieren, dass man in diesem Fall lediglich nachgeschaut habe, ob es eine schriftliche „Verlustmeldung“ des Eigentümers gibt. „Die liegt nicht vor.“ Eine aktive Suche mithilfe des Namens auf dem ukrainischen Ausweisdokument gab es bis zum Zeitpunkt unseres Gesprächs nicht. „Wir stehen nicht standardmäßig mit der Polizei in Kontakt.“

Die Bundespolizei findet eine Spur des Besitzers des in Duisburg gefundenen Geldes

Wir versuchen es selbst bei der Bundespolizei. Ein Jahr und vier Monate nach dem Geldbörsenfund bemühen sich die Ermittler um eine Spur des Ukrainers. Sie finden sogar noch eine Adresse in einer Duisburger Asylunterkunft. „Aber dort ist er leider schon sehr lange nicht mehr“, sagt Sprecherin Dajana Burmann. Um den aktuellen Aufenthaltsort herauszufinden, müsse man sämtliche Einwohnermeldeämter einzeln abfragen. Das sei nicht machbar. Auch die Bahn hat nach unserer Anfrage dann doch noch recherchiert und ebenfalls Kontakt zur Polizei aufgenommen. Mit einem etwas anderen Ergebnis: „Man konnte die Person ermitteln, sie ist aber nach Polen weitergereist, wo sich die Spur verliert“, berichtet der Sprecher.

Der Finder aus Duisburg-Rumeln hätte das Geld gespendet – an die Ukrainehilfe

Bei Torsten Rubach hat sich die Deutsche Bahhn mittlerweile schriftlich entschuldigt. Seine persönlichen Daten seien von der Fundstelle versehentlich nicht erfasst worden. Den Finderlohn soll er nun schon vor Ablauf der Frist bekommen – und zwar 100 statt der rechtlich vorgesehenen 18 Euro. Eine „Kulanzzahlung“ aufgrund seines ehrlichen Verhaltens. Mitte August teilte ihm das Unternehmen mit, dass man das Geld überweisen werde. Das ist mehr als vier Wochen später noch nicht geschehen.

Am 6. April 2025 gehen die 1200 Euro in den Besitz der Bahn über. Der Finder aus Rumeln ärgert sich mittlerweile ein bisschen über sich selbst. Darüber, dass er so ehrlich war und als Fundort den Duisburger Bahnhof angegeben hat. „Hätte ich das alles vorher gewusst, dann hätte ich lieber gesagt, dass ich es auf der Straße gefunden habe.“ Denn dann wären die 1200 Euro nach einem halben Jahr sein Eigentum gewesen. „Ich hätte das Geld an die Ukrainehilfe gespendet.“ Was die Bahn damit macht, ist nicht bekannt.