Duisburg-Rheinhausen. Attraktiv ist anders: Viele Ladengeschäfte stehen in Duisburg-Rheinhausen seit Jahren leer. Was Bewohner an dem Stadtteil dennoch schätzen.

Eine Liebe für die Ewigkeit. Es sind die stahlharten Freundschaften in Rheinhausen, die die Menschen nicht die Flucht ergreifen lassen, denn der Niedergang des Stadtteils ist allgegenwärtig. Das sehen die Bewohner so. Und das sehen die Auswärtigen, wenn sie durch das Marktforum, die Krefelder Straße oder die Friedrich-Alfred-Straße laufen. Attraktiv ist anders. „Wenn wir shoppen gehen, dann in Oberhausen oder Duisburg-Mitte. Aber hier?“, lacht Martin. Genau so sieht es Birgit Kroll. „Es war früher so schön hier.“ Aber wegziehen – das kommt für Birgit genauso wenig in Frage wie für Martin. Enge Freundschaftsbande kitten die Rheinhauser zusammen. Nur einige inhabergeführte Geschäfte haben überlebt. Dank Service und echter Warmherzigkeit.

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Leerstände, wohin das Auge reicht. Trostlosigkeit an jeder Ecke. Das, was geblieben ist, reizt nicht zum Verweilen. Banken, Apotheken, Schlüsseldienst, Dönerläden, Hörgeräte- und Telefongeschäfte – und die üblichen Handelsketten für Drogerieartikel und Billigklamotten. An Ärztehäusern geht man vorbei und an Pflegediensten. Dann wieder zugehängte Schaufenster. An der Kreuzung Friedrich-Alfred-Straße /Georgstraße badet seit Stunden ein einsamer Einkaufswagen in der Brunnenskulptur. Bei der Coffeeshop Company lassen es sich die Gäste gutgehen. Im Rücken eine riesige Baustelle mit rot-weißen Baken und Dixi-Toilette. Der Kaffee schmeckt offenbar trotzdem.

Leerstände in Duisburg-Rheinhausen: „Süßwaren Paradies“ längst geschlossen

Das frühere „Süßwaren Paradies“ hat die Pforten längst geschlossen. Eine Information an der Scheibe von Netze Duisburg, dass „hochtechnische Anlagen für die Wasserversorgung gewartet werden müssen“ und aus dem Grunde „am 15. September von 7 Uhr bis voraussichtlich 12 Uhr das Wasser abgeschaltet ist“, dürfte sie kaum noch interessieren. Schicht am Schacht ist da schon längst. „Wir bauen Zukunft. Gefördert durch Konjunkturpaket II – Wir in Nordrhein-Westfalen“ steht unter einem Verkehrsschild an der Kreuzung Atroper/Krefelder Straße. Nur: Wie sieht die Zukunft aus? Wer nimmt sie in die Hand? Das fragt sich Martin schon lange, der mit seinem Sohn zu Foto Beck gekommen ist, um ein Passfoto vom sportlichen Nachwuchs machen zu lassen.

Einkaufen in Duisburg-Rheinhausen: Das, was geblieben ist, reizt nicht zum Verweilen. Banken, Apotheken, Schlüsseldienst, Dönerläden, Hörgeräte- und Telefongeschäfte – und die üblichen Handelsketten für Drogerieartikel und Billigklamotten.
Einkaufen in Duisburg-Rheinhausen: Das, was geblieben ist, reizt nicht zum Verweilen. Banken, Apotheken, Schlüsseldienst, Dönerläden, Hörgeräte- und Telefongeschäfte – und die üblichen Handelsketten für Drogerieartikel und Billigklamotten. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Zu den extrem wenigen – noch privat geführten kleinen Läden – gehört dieser Fotoladen. Inhaber Ludwig Beck (49), hat den Niedergang des Stadtteils hautnah miterlebt. „Mein Urgroßvater hat 1907 das Geschäft hier eröffnet. Der Betrieb expandierte unglaublich schnell. Wir hatten Läden in Moers, Mülheim und Duisburg-Mitte. „Insgesamt waren es mal 22 Geschäfte. Damals war Rheinhausen ein sehr gutes Viertel“, sagt er stolz. Genau deshalb hat er auch den Fotoladen in Rheinhausen behalten und die anderen abgegeben. „Aber dann schloss das Kruppwerk, die Digitalisierung kam und von da an ging’s bergab“, erklärt er. Viele Stammkunden hat er, die ihm schon seit Jahren die Treue halten. Bilderrahmen verkauft er und Batterien, macht Fotos und ist immer für ein Quätschen zu haben. Freundlichkeit ist eben eine geschätzte Eigenschaft.

Bewohner zum Leerstand in Duisburg-Rheinhausen: Stadt muss Geld in die Hand nehmen

Martin, der selbst in dem Stadtteil arbeitet, hat konkrete Kritik. „Die Stadt müsste endlich Gas geben und Geld in die Hand nehmen. Hier gibt es kaum eine Möglichkeit für Jugendliche, die Freizeit zu gestalten. Die jungen Leute müssen schon in andere Stadtteile fahren, um interessante Jugendeinrichtungen zu finden. Und wie sollen das 14- bis 17-Jährige machen. Ohne Führerschein?“ Zumindest würden die Kirchen ja noch einiges anbieten. Bummeln in Rheinhausen-Mitte – geht nicht. Neue Geschäfte – Fehlanzeige. Dafür Döner-Buden und Shisha-Läden. Wegziehen aber will Martin mit Familie absolut nicht. „Ich bin hier geboren, wir haben ein Häuschen und zwei Kinder und super Freunde“, sagt er. „Aber Rheinhausen ist schon lange auf dem absteigenden Ast.“

Genauso sieht es Birgit Kroll. Auch sie bekommt den Abstieg schon lange hautnah mit. „Früher gab es hier Kinos und Restaurants. Heute ist hier einfach nichts mehr.“ Aber auch sie hat tiefe Wurzeln in ihrem Stadtteil. „Ich bin 1979 in den Westerwald gezogen. Aber schon 1981 zurückgekommen, weil ich so viel Heimweh hatte“, sagt sie. Mit Wehmut denkt sie an die Zeiten, als Rheinhausen ein blühender Ort war, in dem sich alle Menschen wohlfühlten. Sie vermisst auch ein Warenhaus, in dem ein buntes Sortiment unterschiedlicher Waren geboten wird. Das alles gibt’s ja hier nicht. Aber wegziehen: Niemals. Die Freundschaften halten sie am leben.

Birgit Kroll aus Duisburg-Rheinhausen sagt über den Stadtteil: „Früher gab es hier Kinos und Restaurants. Heute ist hier einfach nichts mehr.“
Birgit Kroll aus Duisburg-Rheinhausen sagt über den Stadtteil: „Früher gab es hier Kinos und Restaurants. Heute ist hier einfach nichts mehr.“ © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Leerstand: Einzelhändler in Duisburg-Rheinhausen schließen positive Wende aus

Wie immer fröhlich und gut gelaunt, steht Elisabeth Schmitz in ihrem Modeladen „Marelle“ und bedient Kundinnen. Sie schießt in Rheinhausen-Mitte den Vogel ab und feiert mit ihrem Geschäft in diesem Jahr das 50-jährige Bestehen. Schräg gegenüber hat Sven Breitsameter seinen An- und Verkaufladen für Elektroartikel. Der gelernte Konstruktionsmechaniker hat einen echten „Gemischtwarenladen“. Ein gebrauchtes E-Bike kann man kaufen, sein Handy reparieren lassen oder neue Elektroartikel erstehen. Gerade kommt der 13-jährige Jannik zum zweiten Mal ins Geschäft. Jetzt mit seiner Mutter. Er wollte sein „Fifa 22-Spiel“ verkaufen, was Sven Breitsameter aber wegen des jungen Alters nicht angekauft hat. Dieses Mal klappt es und Jannik hat einen Zehner in der Tasche für einen MSV-Fan-Artikel. Auch er hat viele Stammkunden und stellt sich seit Jahren erfolgreich gegen den Niedergang Rheinhauses Mitte gestellt. Aber eine positive Wende sieht auch er nicht.