Duisburg-Marxloh. Petra Pollmann ist Lehrerin am Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium und mit ihrer Familie selber nach Marxloh gezogen. Sie berichtet von ihren Erfahrungen.
Petra Pollmann liebt Marxloh und seine Menschen. Mit ihrer Familie ist sie vor 13 Jahren hierhergezogen. Gegen den Rat aus ihrem Umfeld. Bereut hat sie den Schritt nicht. Im Gegenteil. Sie fühlt sich hier wohl, engagiert sich in ihrer Wahlheimat, vor allem in ihrer Kirchengemeinde. Dort übernimmt die 53-Jährige jetzt als Prädikantin, als evangelische Hilfspastorin, eine große Verantwortung.
[Nichts verpassen, was in Duisburg passiert: Hier für den täglichen Duisburg-Newsletter anmelden.]
Den Weg dorthin haben die Marxloherinnen und Marxloher der Lehrerin vom Elly-Heuss-Knapp-Gymnaisum von Beginn an geebnet, als sie die Zugezogene gut auf- und angenommen haben. Kolleginnen und Kollegen in der Schule haben sie an die Hand genommen, und in der Evangelischen Bonhoeffer Gemeinde Marxloh-Obermarxloh hat sie „inneren Rückhalt“ bekommen.
Sie wohnt in der Nähe des Jubiläumshains. „Bei schönem Wetter kann ich zu Fuß zur Schule und zur Kreuzeskirche gehen. Auf dem Weg dorthin treffe ich nicht selten Schüler oder Gemeindemitglieder“, sagt Pollmann, die Deutsch und Englisch unterrichtet. „Da kommt man schnell ins Gespräch“, und so erfährt sie Neues, erhält Tipps, hört Kritik und erfährt Anregungen.
„Marxloh ist besser als sein Ruf“ – Lehrerin liebt den Stadtteil und engagiert sich
Natürlich kennt sie längst das miese Image von Marxloh, weiß von der großen Armut, vom vielen Müll, den Polizei-Razzias, von Verbrechen und den angeblichen No-go-Areas. Petra Pollmann ist aber davon überzeugt, dass das Image des Stadtteils viel schlechter ist, als er und seine Einwohner es verdienen. „Marxloh ist besser als sein Ruf“, sagt sie entschieden. Für sie ist Marxloh ein Ort, der vor Leben pulsiert, was sich auch in ihrer Kirchengemeinde widerspiegele.
Was stört sie hier am meisten? Jetzt lacht die 53-Jährige, die in Düsseldorf zur Welt kam und im beschaulichen Ratingen-Lintfort aufgewachsen ist: „Was mir hier in Marxloh fehlt, ist das ausgiebige Schaufenstergucken und in den Auslagen der Geschäfte stöbern. Ich brauche ja kein Brautkleid mehr.“ Aber die gute Nahversorgung für den täglichen Bedarf weiß sie dennoch zu schätzen.
Umso mehr schätzt sie die Menschen hier, deren Offenheit und Gradlinigkeit. Das habe viel mit Vertrauen und einem vorurteilsfreien Miteinander zu tun. „Wenn einem was nicht passt, soll man das auch sagen“, meint sie. Sie selbst nimmt auch kein Blatt vor den Mund. Redet nicht um den heißen Brei herum. Sondern kommt schnell von null auf hundert.
Auch interessant
Dadurch sei sie schnell in Marxloh heimisch geworden, ganz ohne Berührungs- und Schwellenängste. Vielleicht hat ihr dabei geholfen, dass sie früher in Essen drei Jahre bei der Kommunalen Integration gearbeitet hat. „Unsicher, alleine oder auf verlorenem Posten habe ich mich hier zu keiner Zeit gefühlt“, blickt Petra Pollmann zurück.
Ihre Art kommt auch in der Schule gut an. Probleme dürfen nicht zerredet werden, betont die Lehrerin. Sie müssen beseitigt werden. Langen Atem braucht man dazu, gerade in Marxloh. „Es tut gut, wenn Schülerinnen und Schüler das Gespräch mit mir suchen und um einen Rat bitten, wenn irgendwo der Schuh drückt.“ Das kann Liebeskummer sein, Stress mit den Eltern oder ein Ratschlag, welche Universität denn die richtige sei – kurzum „alles“, und „da versuche ich, zu motivieren und zu helfen“.
Im Gottesdienst von Superintendent Dr. Christoph Urban als neue Prädikantin eingesetzt
Ausgleich und Stärkung findet Petra Pollmann in ihrer Familie. Ihr Mann Christian, Lehrer an der Rheinhauser Lise-Meitner-Gesamtschule und zugleich Kirchenmusiker, sowie die beiden Töchter sitzen ebenfalls „fest verankert im Marxloh-Boot“.
Ihre Familie gibt ihr Kraft, zu helfen und anpacken, wo sie gebraucht wird. Und sie wird oft gebraucht. In der Schule, im Stadtteil und in ihrer Kirchengemeinde. Dort wird sie nicht nur gerufen, sondern ist jetzt auch berufen. Superintendent Dr. Christoph Urban hat sie bei einem Gottesdienst in ihrer Kreuzeskirche nun offiziell als Prädikantin ordiniert. Damit ist sie ab sofort eine Art Hilfspastorin.
Gegen Mitgliederschwund und zu wenig Pfarrer: „Ein Glücksfall für Marxloh“
„Petra Pollmann ist ein Glücksfall für Marxloh und die Gemeinde“, lobt Christoph Urban. „Gemeindemitglieder werden weniger und demzufolge auch Pfarrstellen. Deshalb wird sie eigene Gottesdienste gestalten und leiten, Beerdigungen, Taufen und Trauungen übernehmen und das Abendmahl spenden.“ Alles im Ehrenamt.
Die neue Prädikantin werde frischen Wind in die Gemeinde bringen, ist der Superintendent überzeugt, und außerdem durch ihre Netzwerkarbeit am Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium für zusätzliche Impulse sorgen.
>> Prädikanten brauchen zweijährige Ausbildung
● Der Ordination als Prädikantin ging eine anspruchsvolle Ausbildung voraus, bei der Petra Pollmann von der Marxloher Pfarrerin Anja Humbert begleitet und unterstützt wurde. Zwei Jahre intensiven Paukens, neben Familie und Beruf, liegen hinter ihr.
● „Das war im Grunde genommen ein komprimiertes Theologiestudium“, zollt Anja Humbert der neuen Prädikantin Respekt und Anerkennung. Pollmann gesteht, dass sie bei der Abschlussprüfung mehr geschwitzt habe als bei ihrem Staatsexamen.
● Immer weniger Gläubige gehören zu der Evangelischen Bonhoeffer Gemeinde, die für Marxloh, Obermarxloh und Röttgersbach zuständig ist. Es gibt einen stetigen Mitgliederschwund. Hatte die Kirchengemeinde im Jahr 2017 noch 6087 Mitglieder, waren es im Jahr 2022 nur noch 5299 Gläubige.
● Die Gemeinde hatte zuletzt drei Pfarrer, doch Birgit Brügge und Hans-Peter Lauer sind bereits im Ruhestand. Die verbleibende Pfarrerin Anja Humbert wird derzeit übergangsweise von Pfarrer Udo Otten unterstützt. Von den bisherigen 2,75 örtlichen Pfarrstellen sollen nur 2,0 erhalten bleiben. Ob Pfarrerin Humbert mittelfristig aber einen einzigen neuen Kollegen bekommt oder die Stelle auf mehrere Personen aufgeteilt wird, steht noch nicht fest.