Duisburg-Marxloh. In Marxloh liegt Europas größte Brautmodenmeile. Nicht nur Bräute finden hier ihr Traumkleid. So läuft das Geschäft bei Nuray Çoban.
Auf Europas größter Brautmodenmeile ist Nuray Çoban eine Gigantin. Ihr Geschäft trägt ihren Namen und zählt zu den größten an der gesamten Weseler Straße in Marxloh. Auf 6500 Quadratmetern und mit zwei Verkaufsetagen ist ihr Laden Nuray Gelinlik (deutsch: Nurays Brautkleid) mit zighundert Kleidern ein absolutes Paradies für Bräute.
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Schon das Erdgeschoss mit den glänzenden, großen weißen Steinfliesen unter einem Kronleuchter lässt die Besucherinnen beim Eintritt erahnen, welch eine üppige Auswahl sie vorfinden. Zunächst fallen prachtvolle Abendkleider in den Blick, von denen allein viele Hunderte im Geschäft ausgestellt sind oder hängen.
Sie sind in zahlreichen Farben und Formen vertreten: Ein tiefdekolletiertes Kleid in knalligem Rot; ein elegantes, hochgeschlossenes Gegenstück in Weinrot, daneben ein Hingucker in schillerndem Olivgrün. Ob Violett, Altrosa, Beige, Blau, Grau oder andere Farbtöne; ob sexy oder züchtig – den Vorstellungen scheinen keine Grenzen gesetzt.
Auf der Brautmodenmeile in Marxloh dominiert Glitzer, ganz viel Glitzer
Doch die eigentliche Schatzkammer für die Brautkleider ist im Obergeschoss. Wohin man auch schaut: Satin, Samt, Tüll, Spitze, Pailletten, Perlen und Glitzer, ganz viel Glitzer. „Alle Mädchen wollen einmal im Leben eine Prinzessin sein“, sagt Nuray Çoban, und sie weiß diesen Wunsch in ihren Verkaufsräumen zu erfüllen.
Glitzer dominiert dort bei den rund 1500 Abendkleidern, gut 450 Brautkleidern und circa 200 sogenannten Henna-Kleidern, die beim türkischen Junggesellenabschied getragen werden. Bei jungen deutschen Frauen sind Letztere aber auch für Abibälle und für elegante Partys beliebt. Wobei dann die traditionellen Henna-Schnitte und orientalischen Stickereien weniger angesagt sind als modernere Varianten.
„Die Frauen fliegen immer auf Glitzer“, sagt die 51-jährige Unternehmerin und lacht fröhlich. Glitzer sei manchmal überall. Längst nicht nur als Pailletten, sondern auch auf der Spitze als funkelnde Steine. Dieses Expertenwissen fußt nicht auf ihrem eigenen Geschmack, sie hat es sich über Jahre bei der Beratung ihrer Kundinnen und mit einem Gespür für aktuelle Modetrends erworben. Seit 2012 führt Nuray Çoban, eine gelernte Schneiderin, ihren Laden schon und hat inzwischen, nur wenige Häuser weiter, Ayşegül Gelinlik als Zweitgeschäft übernommen.
Junge Frauen finden ihre Inspiration bei Instagram – und landen meist bei einem ganz anderen Kleid
„Junge Frauen kommen immer mit ihren genauen Vorstellungen hierein“, sagt die Chefin. Inspiration finden sie hauptsächlich auf Instagram. Doch die Kundinnen sind selten „hochgewachsene Models, die nur 50 Kilo wiegen“ und schöne Kleider bewerben. So gehen sie „zu 90 Prozent mit einem ganz anderen Kleid“ nach Hause als auf den Instagram-Fotos. Manchmal wird so aus einem komplett hochgeschlossenen Kleid mit orientalischer Stickerei ein hautenges Meerjungfrauenkleid mit tiefem Ausschnitt.
Bei Konfektionsgröße 34 fangen die ausgestellten Kleider an, die meisten Kundinnen tragen derzeit Größe 38. Dank eines kooperierenden Ateliers im türkischen Izmir sind aber auch maßgeschneiderte Lösungen, beispielsweise für Konfektionsgröße 43, möglich.
Razzias, Verbrechen, No-go-Area? Marxloh soll lieber für pompöse Prinzessinnenkleider bekanntwerden
Nuray Çoban ist in Marxloh aufgewachsen, lebt weiterhin dort und ist eine bekennende Lokalpatriotin. Dass ihr geliebter Stadtteil künftig nicht mehr mit Polizei-Razzias, Verbrechen oder einer No-go-Area verbunden werde, sondern mit „pompösen Prinzessinnenkleidern“, ist Çoban ein großes Anliegen. Deshalb freut sie sich sehr, dass die Einkaufsmeile mit gut hundert Modeläden, etwa zwei Dutzend Juwelieren sowie weiteren Geschäften rund ums Heiraten so erfolgreich ist.
Die Konkurrenz sei natürlich „sehr, sehr groß“, denn „jeder möchte vom Kuchen etwas abhaben“. Doch der Kuchen in Marxloh ist ebenfalls groß: „Unter der Woche ist es hier ruhiger, aber samstags wird’s hier immer voll.“ Dann kämen heiratswillige Kundinnen aus ganz Deutschland, aus Frankreich, Großbritannien, aus Benelux, Schweden und aus Osteuropa zu ihr in den Duisburger Norden – mit Türkisch, Kurdisch oder Englisch als Handelssprachen. Nur nach dem Erdbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion im Februar 2022 sei es zeitweilig ruhiger geworden, weil das Geld für Mode und große Feiern stattdessen an die Opferhilfe floss.
Einmal Prinzessin sein- Wie Marxloh Mädchen-Träume erfülltDie Ladengröße („Wir sind hier die Drittgrößten“) und die üppigen Kleiderauswahl sei ein wichtiger Vorteil von Nuray Gelinlik gegenüber vielen anderen örtlicher Geschäften. Der Hinterhof mit 25 Kundenparkplätzen ist ein weiterer Standortvorteil, insbesondere im Vergleich zu den Läden in der Fußgängerzone am Pollmannkreuz.
Schließlich wollen sich Frauen mit ihren Freundinnen, Schwestern, Trauzeuginnen oder Müttern bei der Auswahl und beim Anprobieren viel Zeit lassen und wollen dabei nicht immer an eine ablaufende Parkuhr oder Parkscheibe denken.
Zudem müssen dank der Kundenparkplätze die schweren Kleider nicht über weite Strecken durch die Einkaufsstraße geschleppt werden – auch wenn die Männer oft anpacken. Bei türkischstämmigen Paaren fehlt der Aberglauben, dass der Bräutigam seine Herzensdame nicht vor der Hochzeit im Brautkleid sehen darf.
Was kostet das günstigste und was dass teuerste Kleider an der Weseler Straße?
Mit einer eigenen Änderungsschneiderei im Keller hebt sich der Laden ebenfalls von der Konkurrenz ab. „Wir sind richtig stark“, wirbt Ayşegül Çoban selbstbewusst. Die 25-jährige Tochter der Chefin gehört wie ihr Vater Meftun auch zum Familienbetrieb. Sie ist gelernte bekleidungstechnische Assistentin, kann nicht nur Abend- oder Brautkleider entwerfen und nähen, sondern die Kundinnen auch fachmännisch beraten.
Welchen Stoff sollte man wählen, wenn man beim Henna-Abend oder beim Abiball bis zur Erschöpfung tanzen und dabei möglichst wenig schwitzen will? Welche Kleider sind besonders nachhaltig produziert? Ayşegül Çoban weiß es und arbeitet außerdem in dem Zweitgeschäft, das ihren Namen trägt.
Zwar gibt es Abendkleider vereinzelt schon ab 50 Euro, doch die Hauptzielgruppe bei Nuray Gelinlik ist die Mittelschicht, die sich auch schon mal ein Hochzeitskleid für 2500 Euro oder mehr leistet – das teuerste auf der gesamten Weseler Straße soll aktuell bei rund 4500 Euro liegen.
Ob Soldatin, Schülerin oder Schützenkönigin – die Meile hat viele deutsche Kundinnen
Auch viele deutsche Kundinnen kaufen beim Familienbetrieb von Nuray Çoban ein. „Jedes Jahr kommen Schützenköniginnen mit ihrem Gefolge“, verrät sie eine Kundengruppe, die selten jemand mit der Brautmodenmeile verbindet. Ob Abiball, Examensfeier oder manchmal auch Goldene Hochzeit, mit einem Kleid aus Marxloh feiern viele Frauen sich und ihr Leben – manchmal auch ganz extravagant. So denkt die Inhaberin gerne an eine Bundeswehrsoldatin zurück, die sich für die Abschlussfeier ihrer Soldatenausbildung eine Garderobe mit großem Reif gewünscht hat – alles im Olivgrün der Nato.
Europas größte Brautmodenmeile sieht Nuray Çoban als „Glücksfall für Marxloh“ – und viele zigtausende Kundinnen haben dort seit den 90er Jahren ihr Traumkleid für freudige Anlässe gefunden.