Duisburg. Die Schulen in der Nähe verzeichnen viel mehr Anmeldungen. Warum sich das bekannte Hildegardis-Gymnasium in Duisburg unterschätzt fühlt.
Die Anmeldezahlen fallen auf: Die konkurrierenden Schulen in der Nähe haben viel mehr Erstwünsche, überwiegend dreistellig. Für das St. Hildegardis-Gymnasium in Duisburg hatten sich zum Stichtag nur 67 Kinder entschieden. Nach den Koordinierungsverfahren, die die Schüler auf die Schulen verteilen, können mit 91 Schülerinnen und Schülern auch am bischöflichen Gymnasium im Dellviertel vier Klassen eröffnet werden.
Aber die Frage nach der Akzeptanz steht im Raum und lässt auch die Lehrkräfte nicht kalt. Bei der Ursachenforschung ist man schnell beim Standort, bei konkurrierenden Gymnasien wie dem altehrwürdigen Landfermann, dem Steinbart mit seinem Sportschwerpunkt oder der Globus-Gesamtschule, die nur einen Steinwurf entfernt ist. „Anders als im Süden Duisburgs gibt es in Stadtmitte viele Möglichkeiten“, sagt die Schulleiterin Dr. Sabine Kretschmann-Dulisch.
Missbrauchsvorwürfe gegen Kirche: Auswirkungen auf katholisches Gymnasium
Aber auch die konfessionelle Bindung der Schule ist relevant: „Die katholische Kirche steht in keinem guten Licht, auch in Duisburg nicht“, sagt Lehrerin Simone Wolf-Hein. Die Zurückhaltung von Eltern sei seit Aufkommen der Missbrauchsvorwürfe zu beobachten. „Wir betreiben Schadensbegrenzung“, verdeutlicht die Schulleiterin.
Ein dritter Grund ist vermutlich der bi-edukative Ansatz. Die Schule ist zwar sehr überzeugt von ihrem Ansatz, Kinder getrennt nach Geschlechtern zu unterrichten, aber ab dem Schuljahr 2025/2026 soll das Angebot erweitert werden und auf Wunsch auch eine gemischte Klasse eingerichtet werden. „Wir werden eine Abfrage unter den Eltern machen und danach die Klassen zusammensetzen“, kündigt Kretschmann-Dulisch an.
Raumnot: Schule nutzt auch Wohngebäude
In der Schule kann man sich ein bisschen verlaufen. Im dicht bebauten Dellviertel geht es treppauf und treppab, der Schulhof verläuft auf mehreren Etagen und ist im Erdgeschoss zur Hälfte Sportplatz. An einer Wand hängen Fledermaus- und Schwalbenkästen, in großen Betonkübeln wachsen Kornblumen und Margeriten.
Aus der Mensa duftet es nach frisch gebackenen Cookies. In der kleinen Aula probt der Schulchor - für den nächsten Auftritt muss die Schule allerdings ans Mannesmann-Gymnasium ausweichen. Die Oberstufe ist mit mehreren Kursräumen in ein Wohngebäude gegenüber ausgelagert.
Was früher großer Wohnraum mit Wintergarten war, ist jetzt Lernort. Gleich am Eingang einer Klasse stehen Bibeln im Schrank. Die Schüler sind überwiegend katholisch oder evangelisch getauft, sagt die Schulleiterin. Nur wenige muslimische oder russisch-orthodoxe Kinder besuchen das Hildegardis. Alle seien willkommen, sie müssten aber die regelmäßigen Gottesdienste mitfeiern, den Religionsunterricht besuchen. „Wir wollen niemanden bekehren, hier muss keiner knien oder das Kreuzzeichen machen, aber teilnehmen muss er.“ Und etwa zu den Tagen der religiösen Orientierung mitfahren. „Wir wollen die Kinder nicht zwischen zwei Religionen zerreißen“, betont Kretschmann-Dulisch.
Getrennter Unterricht in den Kernfächern bis zur Oberstufe
Das ehemals reine Mädchengymnasium hat sich schon mehrfach gehäutet in seiner 125-jährigen Geschichte. Seit zehn Jahren besuchen auch Jungs die Schule, inzwischen macht der 3. gemischte Jahrgang gemeinsam Abitur. 107 haben ihre Prüfungen hinter sich gebracht, warten jetzt auf die Noten.
Auch interessant
Von diesem „bi-edukativen Ansatz“ ist die Schule überzeugt, in den Kernfächern, also in Mathe, Deutsch, Bio, in Sport und Sprachen ist der Unterricht „strikt und bewusst getrennt“, sagt Kretschmann-Dulisch. Erst ab der Oberstufe sind die Kurse komplett durchmischt.
Felix hat sich in der vierten Klasse keine Gedanken gemacht über den getrennten Unterricht. Für ihn war die Atmosphäre entscheidend, er wollte zum Hildegardis, „mein Vater war eher dagegen“, erinnert er sich. Dass der Unterricht teilweise getrennt abläuft, schätzt er inzwischen. Er traue sich einfach mehr, bekomme keine Schamgefühle, wenn er mal eine falsche Antwort gibt, sagt der 16-Jährige. Sein Klassenlehrer Simon Wilms bestätigt das, er unterrichtet Sport und Chemie, freut sich über die „vielen guten Leistungen“, die der getrennte Unterricht erbringe.
Trennung der Geschlechter fördert Stärken
Auch Simone Wolf-Hein sagt, dass sich die Schüler etwa in Musik mehr zutrauen, und in Deutsch könne sie für reine Jungs- und Mädchenklassen gezielter Lektüre aussuchen, mit der die Schüler zu motivieren seien. Dass in Biologie der Schwerpunkt auf den weiblichen Körper gesetzt wird, weiß Nele (15) zu schätzen. Auch im Sportunterricht fühle sie sich wohler ohne Jungs neben sich.
Auch interessant
Das Schwimmbad fand sie direkt toll, die „fröhliche“ Atmosphäre, selbst den Schulgottesdienst. „Wir bereiten dafür Themen zusammen vor, das ist voll ok.“
Wolf-Hein ist an der Schule die Beauftragte für geschlechtsspezifische Förderung und „überzeugt, dass durch die Trennung der Geschlechter Stärken gefördert werden“. Es passe zwar nicht in die aktuelle Genderdebatte, aber hier müssten auch Jungs für Ordnung sorgen, in gemischten Klassen werde das meist von den Mädchen übernommen.
Kretschmann-Dulisch freut sich, dass die Abschluss-Quote hoch ist, nur wenige wechseln wegen anderer Leistungskurse an ein anderes Gymnasium oder ziehen weg. An der Kooperation einiger Duisburger Schulen zugunsten eines breiteren LK-Angebots nimmt das Hildegardis bislang nicht teil.
Leonard hofft, dass im nächsten Schuljahr Informatik zustande kommt, ein Chemie-LK werde wohl nichts werden, bedauert er. Das ist der Nachteil dieses kleinen Systems, sagt Maximilian, der in der Q1, also Jahrgangsstufe 11, erlebte, wie schwierig es für manche war, ihre Kurse zusammenzustellen.
Ipad-Klassen und Handyverbot
Dass er seit der 9. Klasse mit dem IPad arbeiten kann, findet Philipp gut: „Darauf habe ich immer alles dabei“, erklärt der 16-Jährige. In den Jahrgangsstufen darunter werden digitale Geräte nur punktuell eingesetzt, wegen der ohnehin schon hohen Bildschirmzeit in dieser Generation, sagt Marcus von der Gathen, stellvertretender Schulleiter: Auf dem Schulgelände gilt ein striktes Handyverbot, nur für die Oberstufenschüler gibt es Ausnahmen.
Eine Kleiderordnung, die gerade überarbeitet wird, sieht vor, dass keiner in Sportklamotten zur Schule kommen soll. Das Jogginghosenverbot scheint gesetzt, die größte Diskussion gebe es über bauchfreie Shirts, sagt Maximilian. Aktuell sei das verboten, sagt der 16-Jährige, die Schüler erhoffen sich künftig einen gewissen Spielraum.
Grundsätzlich sei die Atmosphäre freundlich. Lehrer anderer Schulen würden das Hildegardis als „Watteschule“ bezeichnen, weil sich um alles gekümmert werde, ergänzt Sebastian Albiez. Hier seien nur Lehrer, die sich bewusst dafür entschieden haben, die ein kleines System schätzen, an dem jeder jeden kennt. Mit 72 Lehrerinnen und Lehrern sei das Kollegium gerade groß genug, um nicht den Überblick zu verlieren. „Hier grüßt jeder jeden“, bestätigt Philipp, „das ist einfach nett“.
Auch interessant
>>DAS ST.-HILDEGARDIS-GYMNASIUM
- Das Hildegardis-Gymnasium besuchen 850 Schüler, knapp 50 Prozent sind weiblich.
- Die Schule ist Mint-Schule, stolz auf ein vielseitiges Sportangebot mit eigenem Schwimmbad und Teilnehmer im Landesprojekt EMSA - eine (Musik)Schule für alle.
- Die Ganztagsschule hat eine Mensa, Chicken Nuggets-Brötchen stehen hoch im Kurs, zwei warme Mahlzeiten werden angeboten und eine Salatbar.
- Für die Gründung einer Schulband sucht die Schule derzeit einen Probenraum in der Nähe des Schulgeländes.
- In den Klassen 5 bis 8 wird ein Profil- und Förderbereich angeboten, hier können sich die Schüler ausprobieren im Schulorchester oder kreativem Schreiben, in Informatik- und Robotik-Kursen, bei sozialem Engagement oder Sport. Ohne Notendruck.
- Weitere Infos gibt es auf der Webseite https://shg-duisburg.schulon.org