Duisburg. Der Bericht über Tagesmütter, die sich am Existenzminimum sehen, hat Wellen geschlagen. Warum sich manche ärgern, was sie wirklich verdienen.

Dass auf einen Schlag 88 Tagesmütter und -väter in Duisburg zum Sommer ihr Angebot aufgeben, fiel auf in der städtischen Bedarfsplanung für die Kinderbetreuung in Duisburg.

Auf der Suche nach Gründen sagten in einem Bericht unserer Redaktion Verbandssprecherin, Stadt und Vertreter von Großtagespflegen, dass neben privaten Gründen wie Elternzeiten, Renteneintritt oder Krankheit auch die Rahmenbedingungen schuld seien. Dass Tagespflegepersonen zu wenig verdienen und zu wenig Urlaubstage haben, sei für viele ein Anlass, das Handtuch zu werfen.

Nach Erscheinen des Artikels bekam die Redaktion etliche Nachrichten von Tageseltern: So wollen sie nicht dastehen. Die Arbeit im „Zauberwald“, bei den „Sandkastenrockern“, in der „Luisenstube“ oder der „Rappelkiste“ ist „hochprofessionell, aber auch angemessen bezahlt“, sagt zum Beispiel Daniela Plawky.

Tagesmütter in Duisburg: So wird ihre Arbeit honoriert

Sie betreut werktäglich fünf Kinder unter drei Jahren im Erdgeschoss ihres Hauses, das Kleinste ist acht Monate alt. Der Wintergarten ist zum Turnraum umgebaut, im Schlafzimmer stehen fünf Etagenbettchen für den Mittagsschlaf. Im Spielraum warten dicke Tobematten, eine Mini-Rutsche, ein Schwebebalken, „bei mir können sie ständig in Bewegung sein, das hilft beim Lernen der Sprache, weckt Empathie, bringt sie intellektuell und gesellschaftlich weiter“, erklärt die 48-Jährige.

Als U3-Fachkraft mit QHB-Qualifikation bekommt sie den höchstmöglichen Stundenlohn von 6,47 pro Kind. Zusätzlich trägt die Stadt die Hälfte ihrer Kosten für Sozialleistungen, Renten- und Krankenversicherung. Hinzu kämen 200 Euro jährlich für Fortbildungen sowie 300 Euro für die Unfallversicherung. On top werde pro Kind eine Stunde pro Woche für „mittelbare Arbeit“ bezahlt, also für Büro- und Reinigungsaufgaben, Einkauf und Akquise. Und schließlich seien Tagespflegen sogar steuerlich begünstigt.

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Fast 6000 Euro monatlich vom Jugendamt

Hochgerechnet bekomme sie 35 Euro Stundenlohn. 2017, als sie ihre Kindertagespflege eröffnete, lag der Verdienst noch bei 20 Euro. Auch da „war das schon ausreichend“, sagt Plawky, die wusste, worauf sie sich einlässt: Die Fachberatung der Stadt habe sie im Vorfeld sehr ausführlich beraten und aufgeklärt.

Das Jugendamt überweise ihr inzwischen fast 6000 Euro jeden Monat, dem gegenüber stehen 2000 Euro an Kosten. „Wir werden überdurchschnittlich gut bezahlt. Welche alleinerziehende Mutter von vier Kindern kann sich denn ein eigenes Haus leisten, Auto und Urlaub?“, fragt sie. In ihrem ursprünglichen Beruf als Kauffrau für Bürokommunikation würde sie keine 3500 Euro netto bekommen.

31 freie Tage stehen ihr zu sowie drei Brauchtumstage wie Rosenmontag etwa. „Das sind 34 bezahlte Tage, für die ich keinen Finger krumm machen muss, welcher Selbstständige hat das schon?“, fragt sie. Dass ihr im Falle einer längeren Erkrankung nur wenig Urlaub bleibe, sei halt ihr Risiko. „Dafür kann ich selbst entscheiden, welche Kinder ich aufnehme.“

„Wir sind gleichgestellt mit den Kitas und erfüllen unseren Bildungsauftrag“

„Wir sind gleichgestellt mit den Kitas und erfüllen unseren Bildungsauftrag“, sagt Plawky. Dafür setzt sie ihre Kinder regelmäßig ins Lastenfahrrad, radelt mit ihnen zum Zoo, an den Uettelsheimer See oder zu den Spielplätzen in der Umgebung. Kurz vor 12 Uhr sind sie zurück, es folgt ein Obstsnack und der Mittagsschlaf. Plawky bereitet währenddessen eine warme Mahlzeit zu, frisch inspiriert von einer Sarah-Wiener-Fortbildung. Die Kinder weckt sie, gemeinsam essen sie, manchmal sind auch ihre eigenen Söhne dabei. Ab 14.30 Uhr holen die Eltern ihre Kleinen wieder ab.

Tageseltern, die inhäusig betreuen, also in den eigenen vier Wänden oft gemeinsam mit eigenen Kindern die Betreuung anbieten, erfahren nur wenig Wertschätzung, sagt Plawky, die für rund 15 Tagesmütter im Bezirk Homberg spricht. „Uns wird unterstellt, dass wir nur Kaffee trinken.“

Dabei entspreche ihr Angebot genau dem „familiennahen Umfeld“, das gesetzlich vorgeschrieben ist, glaubt die Tagesmutter. Großtagespflegen, die außerhäusig mit mehr Personal mehr Kinder betreuen, könnten das nicht so leisten.

Eltern können zwischen Kita und Tagespflege wählen

Als sie Anfang der 2000er ihren Sohn zu einer Tagesmutter brachte, fand die Betreuung noch etwas hemdsärmelig im Wohnzimmer statt. Das sei toll gewesen, aber heute nicht mehr denkbar. „Wir müssen Konzepte vorlegen, werden jährlich vom Jugendamt überprüft.“

Auch Eltern seien nicht gut aufgeklärt über ihre Rechte. Bis zum dritten Lebensjahr könnten sie zwischen Kita und Tagespflege wählen. Von Müttern und Vätern höre sie, dass manche Kindertageseinrichtung massiven Druck ausübe, nach dem Motto: Wenn du dein Kind nicht mit einem Jahr zu uns bringst, bekommt es mit 3 keinen Platz.

Die Kooperation mit den Kitas ist auch sonst ausbaufähig, findet Plawky. Eigentlich müssten diese laut Kinderbildungsgesetz proaktiv Kooperationen anbieten, in Homberg gehe das mitunter nicht über das Angebot von Räumlichkeiten für Tagesmüttertreffen hinaus, bedauert sie.

Aber auch das Wissen der Eltern verdiene ein Update. So rufen viele an und fragen mitten im Jahr nach einem Platz. „Ihnen ist nicht klar, dass wir am Kindergarten-Zyklus hängen und Plätze bei uns erst zum August frei werden, wenn die Dreijährigen in die Kita wechseln.“

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Anstrengender Acht-Stunden-Tag in der Kita

Lernen müssten die Eltern auch, dass ihre Kinder einen „anstrengenden Acht-Stunden-Tag“ hinter sich haben, wenn sie abgeholt werden. „Sie müssen ganz andere Autobahnen im Kopf anwerfen, als wenn sie mit der Mama alleine sind“, erklärt Plawky. Bei ihr lernen sie soziales Miteinander, gemeinsames Spiel, hier müssen sie Streits um Spielzeuge lösen und alleine ohne die Eltern klar kommen.

Julia Pham bestätigt die Schilderungen ihrer Kollegin. Sie hat sich vor einem Jahr mit der „Luisenstube“ selbstständig gemacht. Die Sozialpädagogin hat zuvor im Schichtdienst in der Jugendhilfe gearbeitet. Trotz Studium musste sie weitere Fortbildungen machen und betreut nun zu Hause neben ihrer Tochter vier weitere Kleinkinder.

Das Auskommen sei gut, „von einem Existenzminimum kann man wirklich nicht sprechen“, betont sie. Außerdem könne sie zugleich arbeiten und die Jüngste betreuen, ab August kann sie zudem zu Hause sein, wenn die Große aus der Schule kommt. Wie sie künftig 12 Wochen Schulferien abdeckt, sei noch eine neue Frage, „aber davon sind ja alle Eltern betroffen“.

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Netzwerk Duisburger Kindertagespflege

Mit einem ausführlichen Brief reagierte auch das Netzwerk Duisburger Kindertagespflege. Deren Sprecherinnen Melanie Reiners und Carla Schulthoff widersprechen den Äußerungen der Regionalgruppe der Berufsvereinigung der Kindertagespflegepersonen in Duisburg und den Worten einer Leiterin einer Großtagespflege, die gesagt hatte: „Wenn man unseren Stundenlohn sieht, kriegt man Tränen in den Augen.“

Sie sorgen sich, dass Eltern glauben könnten, die Tagespflegeeltern würden „ihre Tätigkeit mit Sorge, demotiviert und lieblos wahrnehmen“, weil sie so sehr von Existenzängsten geplagt seien. Ihnen ist hingegen wichtig, dass Eltern ihre Kinder mit einem guten und sicheren Gefühl bringen können. „Wir lieben unsere Tätigkeit und es ist eine Freude, die Jüngsten unserer Gesellschaft in ihrer Entwicklung zu fördern und zu begleiten. Es ist eine Herzensangelegenheit jeder Kindertagespflegeperson, den ersten kleinen Schritt in die Gesellschaft mitzugehen und den Eltern in Erziehungsfragen zur Seite zu stehen.“

Das Jugendamt sei offen für Vorschläge und Ideen, man stehe im engen Austausch: „wir finden das die Stadt Duisburg hier auf dem richtigen Weg ist.“

Daniela Plawky ist mit Leib und Seele für die Kleinsten da. Der Zeitungsartikel ärgerte sie und einige ihrer Kolleginnen.
Daniela Plawky ist mit Leib und Seele für die Kleinsten da. Der Zeitungsartikel ärgerte sie und einige ihrer Kolleginnen. © FUNKE Foto Services | Erwin Pottgiesser

TAGESPFLEGEN WOLLEN IHRE ARBEIT TRANSPARENTER MACHEN

  • Um die Arbeit von Tagesmüttern und -vätern transparenter zu machen, ist ein Infostand beim Brunnenfest in Homberg geplant.
  • Mehrere Tagespflegen wollen am 24. und 25. August an einem eigenen Stand ansprechbar sein und Kinderaktionen anbieten. „Das Jugendamt will uns dabei unterstützen“, sagt Organisatorin Daniela Plawky.

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