Duisburg. Experten haben die bekannte Brücke der Solidarität in Duisburg überprüft und dabei die Seile unter die Lupe genommen. Die Hintergründe.
Sie hängen nicht in den Seilen. Aber kurz davor. In schwindelerregender Höhe haben an diesem Wochenende Männer wie Yusuf Kilic vom Hubsteiger aus Zentimeter für Zentimeter die Seile der Duisburger Brücke der Solidarität überprüft.
Die sechs Jahre sind mal wieder vorbei – Zeit, die Stahlseile Richtung Rheinhausen auf Schäden zu überprüfen. Was die Sache nicht einfacher macht: Garstiges Aprilwetter zeigt seine miese Seite schon Ende März. Die Hoffnung der Männer, dass das Wetter stabil bleibt, erfüllt sich nicht. Es wechselt heftig zwischen Sonnenschein bei kühlen 9 Grad und mageren 4,5 Grad mit heftigen Graupelkörnern. Harte Arbeit.
Brücke der Solidarität in Duisburg: Seilprüfung ist Detailarbeit
Aber an diesem Wochenende muss es erledigt werden. Alleine 256 Meter lang ist die Brücke nur unter dem berühmten roten Bogen. In sechs Jahren ist dann wieder die andere Seite dran, so ist der vorgegebene Rhythmus.
An der Brücke hängt viel: Nicht nur die bequeme Überquerung des breiten Rheins, sondern auch Geschichte, Emotionen und Identität der Duisburger Bevölkerung. Dass die Jahre des Bauwerks gezählt sind, wurde mehrfach berichtet. „Wenn man Mitte der 2030er Jahre eine neue Brücke haben will, dass muss man jetzt mit der Planung anfangen“, heißt es von Seiten der Stadt. Denn die Brücke ist von 1950, alles andere als taufrisch. Klar ist: Das alte Bauwerk kann nicht mehr saniert werden. Die Rheinbrücke muss ersetzt werden.
Zurück zur Prüfung: „Genau 16 sogenannte Hängerpaare gibt es auf einer Seite, immer zwei Seile nebeneinander“, erklärt der Ingenieur für Bauwerke, Sebastian Jakubczyk (43). Alle sechs Jahre ist eine Hauptprüfung fällig, alle drei Jahre reicht eine kleinere. Gecheckt wird regelmäßig alles, was zur Sicherheit notwendig ist: Tragende Teile und Verkleidung, jeder Zentimeter wird unter die Lupe genommen. „Der Aufwand ist enorm“, sagt der Bauingenieur. „Wenn die Überprüfung des Betons ansteht, wird jeder Zentimeter abgeklopft.“ Denn Dramen wie Einstürze wolle man in jedem Fall vermeiden.
Deshalb werde auch auf kleine Schäden geachtet, erklärt der Arbeitsgruppenleiter der Wirtschaftsbetriebe, der zwei Mitarbeiterinnen und 17 Mitarbeiter in seinem Team hat. In einem festen Turnus nach vorgeschriebener DIN-Form werden die Überprüfungen vorgenommen. An diesem Wochenende ist eine „kleine“ Kontrolle angesagt, die bei den Dimensionen zwei Tage in Anspruch nimmt. 32 sogenannte Hängerseile – zwei Mal 16 – gibt es mit einem Durchmesser von je 65 mm. 16 davon werden an diesem Wochenende mit einem magnetinduktiven Verfahren unter die Lupe genommen. Darüber hinaus wird aber auch mit bloßem, wachsamen Auge geprüft.
„Die magnetinduktive Prüfung erfasst äußere und innere Drahtbrüche, Korrosion und Verschleiß der Drähte im Seil“, erklärt Sebastian Jakubczyk. Damit das Gerät an den langen Seilen hochgezogen werden kann, müssen zwei Männer in einem Hubsteiger bis oben ans Ende der Seile fahren. Dort machen sie dann ein Seil fest, an dem das Magnetgerät hochgezogen wird, um Zentimeter für Zentimeter das Innenleben der Drähte durchzuchecken.
Prüfgerät überträgt Informationen in die Datenbank
Dass sich eine Brücke – wie vor ein paar Jahren in Italien - einfach „verabschiedet“, sei durch die routinemäßigen Kontrollen sehr unwahrscheinlich. Klar sei aber auch, dass die meisten Brücken in die Jahre gekommene Bauwerke sind. Bei der Brücke der Solidarität gibt es ja im politischen Raum und bei der Stadtverwaltung zurzeit die Überlegung, ob man bis Mitte der 2030er Jahre eine neue Brücke errichtet, auf der dann eine Straßenbahnlinie fährt, die die Bevölkerung – deutlich umweltfreundlicher als tausende von Autos – nach Rheinhausen und in die Innenstadt befördert.
Das sind allerdings bisher lediglich Überlegungen und keine Beschlüsse. Bis dahin sind nach wie vor vorgeschriebene Kontrollen der Brücke zwingend nötig. Das Prüfgerät, das an den jeweiligen Seilen entlangfährt, sammelt die Daten vor Ort, die in einen Computer eingegeben und ausgewertet werden. Viel zu tun, gibt es für die Wirtschaftsbetriebe Duisburg, was Brücken anbetrifft. Denn davon gibt es in Duisburg insgesamt 720. Darunter findet man zum Beispiel Fachwerk-, Hänge-, Schrägseil-, Hub- und Klappbrücken. Für den Betrieb und die Unterhaltung der vielen Bauwerke sind die Wirtschaftsbetriebe Duisburg zuständig.
„Viele Arbeiten und Überprüfungen werden an spezielle Firmen vergeben“, erklärt der Arbeitsgruppenleiter. So auch das Durchchecken der Seile an der Brücke der Solidarität. Das geht an diesem Wochenende ziemlich „geräuschlos“ vor sich, was Verkehrsbehinderungen betrifft. Denn, während die Fachleute an der rechten Seite der Brücke Richtung Rheinhausen konzentriert arbeiten, fließt der Verkehr jeweils auf einer Spur in beiden Richtungen flüssig vorbei. Von der wichtigen Arbeit, die hoch oben unter dem roten Brückenbogen im Hubsteiger geleistet wird, bekommen die meisten so gar nichts mit.
>>Breites Aufgabenfeld für das WBD-Team
- Ein erstaunlich breites Arbeitsfeld hat Sebastian Jakubczyk, Arbeitsgruppenleiter der Wirtschaftsbetriebe. Seine Kolleginnen und Kollegen sind für Betrieb und Unterhaltung von etlichen Bauwerken in Duisburg zuständig.
- Darunter sind 185 Brücken-, Tunnel- und Trogbauwerke, sieben Durchlässe, 24 Bauwerke wie Gehwegrampen, Treppenanlagen, Anlegesteiger und der Treppenturm der 6-Seen-Platte. Außerdem müssen die Fachleute auf 55 Stützmauern, Spund- und Lärmschutzwände achten, 17 Geländer, Böschungs- und Wasserflächen achten und 26 Verkehrszeichenbrücken überwachen.
- Zudem sind noch 50 Brücken und Durchlässe Dritter und zu betreuen, Fahrbahn-, Rad- und Gehwegsbeläge zu unterhalten. Dazu kommen noch 16 ungenutzte Baudenkmäler und sonstige Bauwerke am Innenhafen.