Duisburg. Die Duisburger Akzente holen zum 45. Mal ein umfangreiches Programm in die Stadt. Warum das Publikum zum Start über lange Strecken ratlos bleibt.

Ganz schön mutig, das Theaterprogramm der diesjährigen Duisburger Akzente mit einer Produktion zu eröffnen, die bei ihrer Premiere vom Publikum ausgebuht und von der Kritik verrissen wurde.

Regisseur Leander Haußmann hat das gemeinsam mit Sven Regener geschriebene Stück „Intervention“ seither zwar gestrafft. Das Gastspiel des Hamburger Thalia Theaters, das jetzt im Duisburger Theater zu sehen war, hat aber trotzdem einige Schwächen.

Duisburger Akzente zeigen zum Auftakt die „Intervention“ von Leander Haußmann

Inhalt des Stückes ist das Treffen einer Patchwork-Familie, welche die titelgebende Intervention auf den Sprössling Jannis ausüben möchte. Darstellerischer Mittelpunkt der ersten 60 Minuten ist Jens Harzer als Vater Markus. Darum gruppieren sich noch seine aktuelle Frau Katja, deren Tochter Gwendolin, Exfrau Silvie und Markus Schwester Gudrun samt Ehemann. Somit passt das Stück bestens zum Akzente-Thema „Familienbande“.

Jens Harzer, der in den Inszenierungen von Johan Simons am Bochumer Schauspielhaus stets den versonnen Philosophen gibt, wird von Regisseur Leander Haußmann zu einem hyperaktiv–zappeligen Spiel angetrieben, das an Louis de Funès oder den Inspektor Clouseau von Peter Sellers erinnert. Mit alberner Lockenperücke, die aus dem Fundus von Atze Schröder stammen könnte, gestikuliert er wild vor sich hin und steigert sich manchmal sogar zu absurden Ausdruckstänzen. Bei anderen Darstellern würde man verzweifeln, Jens Harzer macht das aber mit einem Können und einer Beharrlichkeit, dass er tatsächlich viele Lacher erntet.

Regie hält Komödie künstlich am Leben

Vorangetrieben wird diese überdrehte Turbo-Boulevardklamotte ohne tieferen Sinn dadurch, dass immer neue Familienmitglieder eintreffen, alte Konflikte ausgetragen, und verletzte Eitelkeiten ausgelebt werden. Zwischendurch diskutiert man auch, wie man auf Jannis einwirken könnte, auf den man hier wie auf Godot erfolglos wartet. Marina Galic spielt die Silvie als nachtragend-spitzfindige Exfrau. Gabriela Maria Schmeide ist die resolute Neugattin Katja. Anna Köllner spielt deren verletzt-vernachlässigte Tochter Gwendolin.

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Wäre diese Aufführung nach einer Stunde beendet gewesen, wären die Zuschauer über die Kürze des Stückes überrascht, hätten aber einen kurzweiligen Abend erlebt. Es folgen dann jedoch weitere 80 Minuten, in denen das Stück eigentlich schon längst gestorben ist, von der Regie aber künstlich am Leben gehalten wird. Leander Haußmann zeigt sich nämlich als besserer Regisseur denn als Autor.

Konzept erweist sich als totaler Leerlauf

Ein Bote vom Lieferdienst, der auf den Namen Friedemann hört, wird schließlich für Jannis gehalten, den offensichtlich keine der anderen Personen, persönlich kennt. Dann muss der Bote, der von Steffen Siegmund als stärker und wandlungsfähiger Charakter verkörpert wird, in die Rolle des Jannis schlüpfen, damit man bei ihm endlich intervenieren kann.

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Der Markus von Jens Harzer ist im zweiten Teil der Aufführung weitgehend abgemeldet, weil ihm die anderen Figuren nun eine Demenz bescheinigen. Die Autoren Regener und Haußmann scheinen hier blind einer Konzeption zu folgen, die in einem frühen Stadium des Schreibens getroffen wurde, die sich dann in der Umsetzung als totaler Leerlauf erweist. Das Publikum im sehr gut besuchten Theater schwankt zwischen Heiterkeit und Ratlosigkeit, spendet dem stark aufspielenden Ensemble aus Hamburg aber großen Beifall.

Weitere Infos zu den 45. Duisburger Akzenten, die bis zum 24. März ein umfangreiches Programm bieten, gibt es auf der Webseite www.duisburger-akzente.de

Linda Wagner, Clemens Richert und Petra Schröder (v.li.) haben im Januar das  Programm der 45. Duisburger Akzente vorgestellt. Das Oberthema in diesem Jahr: „Familienbande“.
Linda Wagner, Clemens Richert und Petra Schröder (v.li.) haben im Januar das Programm der 45. Duisburger Akzente vorgestellt. Das Oberthema in diesem Jahr: „Familienbande“. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

>>PROMINENTE NAMEN: LEANDER HAUSSMANN UND SVEN REGENER

  • Leander Haußmann war von 1995 bis 2000 Intendant des Bochumer Schauspielhauses. 2003 verfilmte er bereits Sven Regeners Roman „Herr Lehmann“.
  • Sven Regener wurde als Sänger, Gitarrist und Trompeter der Band „Element of Crime“ bekannt. Daneben hat er als Schriftsteller einen mehrteiligen Roman-Zyklus um die Figur Frank Lehmann entwickelt, zu dem auch die Bücher „Neue Vahr Süd“ und „Magical Mystery“ gehören.

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