Duisburg. Hunderte zugewanderte Kinder sind schulpflichtig, haben aber noch keinen Schulplatz. Warum die neuen „Orte der Erstförderung“ so hilfreich sind.
In Duisburg haben 280 neu zugewanderte schulpflichtige Kinder aktuell noch keinen Platz in einer Schule. Zuletzt hatte Duisburg Schlagzeilen gemacht, weil phasenweise mehr als 1000 schulpflichtige Kinder auf den Wartelisten standen. In der Zwischenzeit ist einiges passiert. Unter anderem wurden vor einem Jahr zwei Orte der Erstförderung gegründet, die insgesamt 220 Plätze für neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler vorhalten.
Bei dieser Warteliste steckt die Tücke allerdings im Detail, denn 66 dieser Kinder hatten bereits eine Zuweisung für eine Schule. Teilweise traten sie den Platz dann aber nicht an. Laut Stadtsprecher Falko Firlus könnten versäumte Anmeldungen der Grund sein, aber auch eine Rückkehr nach Duisburg nach einem Wegzug. So oder so müssen sie erneut zugewiesen werden. Insgesamt sind 4117 Schülerinnen und Schüler in der Erstförderung, darunter 1056 aus der Ukraine.
Hunderte zugewanderte Kinder in Duisburg ohne Schulplatz
Im Februar 2023 standen 257 Schülerinnen und Schüler auf einer Warteliste, doppelt so viele wie 2022 und 2021, als rund 120 Kinder warteten. Falko Firlus, Sprecher der Stadtverwaltung, betont aber, dass man die Zahlen nur schwer vergleichen könne aufgrund der globalen Entwicklungen und beispielsweise des Kriegs gegen die Ukraine. Entsprechend sei auch eine Prognose schwer abzuleiten.
„Mit den geplanten Schulaus- und Neubauten werden stadtweit Schulplätze geschaffen, die auch die Beschulungssituation für neu zugewanderte Schülerinnen/Schüler positiv beeinflussen werden“, so Firlus. Wie berichtet, investiert die Stadt unter anderem in zwei neue Gesamtschulen, dahinter steht ein milliardenschweres Schulbauprogramm.
Orte der Erstförderung helfen bei der Alphabetisierung
Aus Sicht des Schulträgers tragen die Orte der Erstförderung maßgeblich dazu bei, die Beschulung von Seiten-einsteigenden Schülerinnen und Schüler gezielt zu fördern und die dafür benötigten Expertisen gebündelt zur Verfügung zu stellen, schreibt Stadtsprecher Firlus.
Die Stadt betont, dass hier auch Zugewanderte mit Alphabetisierungsbedarf ihre Bildungslaufbahn beginnen konnten. Das Landfermann-Gymnasium als Träger der Erstförderstelle Gneisenaustraße bilanzierte schon nach einem halben Jahr, dass das Konzept funktioniert. Aus den bildungshomogenen Gruppen konnten bereits im August 18 Schülerinnen und Schüler in Klassen ihrer Altersgruppe wechseln, sagte Schulleiter Christof Haering.
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Die ersten Zuwandererkinder fahren mit auf Klassenfahrt
Einige von ihnen bereiten sich auf die Zentralen Abschlussprüfungen vor, um den Sprung in die Oberstufe zu schaffen. Ein paar waren jetzt auch mit auf Klassenfahrt in Berlin. Das freut den Schulleiter besonders, „denn die Integration in eine deutschsprachige Umgebung spielt eine wesentliche Rolle“. Im regulären Unterricht ist dafür wenig Platz: Da an der Dependance weder Turnhalle noch Werkraum benutzbar sind, fallen gemeinsame AG-Projekte für beide Standorte bislang weg, bedauert er.
Haering beobachtet, dass Kinder in deutschen Gruppen nicht so schnell und nicht so gut vorankommen. Anders sei es bei der Erstförderung: „Sie genießen es, unter sich zu sein und angstfrei lernen zu können.“ Problematisch sei, dass manche Kinder vor allem aus Südosteuropa nicht sehr lernbereit seien, für Wochen oder Monate verschwinden und irgendwann der Schule wieder zugewiesen werden. Bei manchen fange man dann von vorne an, bedauert Haering. Da es keine Standardisierung für die Schreibweise der Namen gebe, falle gelegentlich erst in der Klasse auf, dass ein Schüler schon mal da war.
Ort der Erstförderung Kranichstraße beschult Kinder aus 27 Herkunftsländern
Stan Orlovic, Leiter der Karl-Lehr-Realschule und des Ortes der Erstförderung Kranichstraße, teilt den Eindruck, dass sich das System bewährt hat, weil Kinder hier in einem kleinen System mit ähnlichem Wissensstand die deutsche Sprache lernen können.
Es brauche mehr solcher Orte, es brauche aber auch mehr Personal, das sich mit der Alphabetisierung auskenne. Rund 50 Kinder sind in solchen Kursen, sie kommen aus arabisch-stämmigen Ländern oder aus der Ukraine und müssen die lateinischen Buchstaben erst kennenlernen. Deshalb brauchen viele von ihnen noch ein drittes Jahr, um den Sprung ins Regelsystem schaffen zu können, glaubt Orlovic. Die Orte der Erstförderung sind aber zunächst nur für 24 Monate angedacht.
Allen Widrigkeiten zum Trotz: Auch Karl-Lehr-Realschule freut sich über Erfolge
Kritikern solcher separaten Lernangebote für Zuwanderer fehlt die Möglichkeit des Spracherwerbs durch ein „Sprachbad“ in durchmischten Klassen. „Das kommt später noch“, ist Orlovic sicher. Und bis dahin gebe es regelmäßige Kontakte durch gemeinsame AGs und Feste sowie die Kooperation mit den Sportvereinen vor Ort.
Für die Zukunft wären eine fest verankerte Sozialarbeit sowie festere Bezugspersonen für die Kinder wichtig. Der Unterricht wird vielfach von Lehrkräften übernommen, die nur Zwölf-Stunden-Verträge haben, bedauert der Schulleiter.
Auch räumlich sei Luft nach oben: Die Stadt habe sich um neue Toiletten gekümmert, das Internet läuft, „aber in das alte Gebäude regnet es rein und der Pausenhof ist eine alte Tartanbahn ohne Spielangebote“, so Orlovic. Allen Widrigkeiten zum Trotz freut sich auch die Karl-Lehr-Realschule über Erfolge: Zehn Kindern sei es bereits gelungen, zum Gymnasium oder zur Realschule zu wechseln, einige gehen inzwischen zum Berufskolleg.
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- Im März 2023 haben die beiden Orte der Erstförderung in Duisburg ihren Betrieb aufgenommen.
- Die Erstförderung an der Kranichstraße besuchen 114 Kinder und Jugendliche, die Lerngruppen sind 15 bis 20 Kinder groß. 27 Herkunftsländer sind vertreten, die Top 3 seien die Ukraine, Syrien und Bulgarien, sagt Schulleiter Stan Orlovic.
- An der Gneisenaustraße sind 100 Schüler aus rund 20 Ländern vertreten. Neben den Top 3 wie an der Karl-Lehr-Realschule sind auch Zuwandererkinder aus zentralafrikanischen und nordafrikanischen Ländern in den Klassen.