Duisburg. Nach 115 Jahren ist der alte Karl-Lehr-Brückenzug zwischen Ruhrort und Kaßlerfeld bald Geschichte. Wie das Bauwerk bis Sonntag verschwindet.

Diese Woche ist historisch in der Verkehrsgeschichte der Stadt Duisburg: Bis Sonntag, 28. Januar, soll die alte Karl-Lehr-Brücke zwischen Ruhrort und Kaßlerfeld verschwinden. Seit vorigem Sonntag ist die Ruhr als Wasserstraße gesperrt. Unter dem alten Bauwerk liegen momentan zwei schwimmende Pontons samt Stützen. In den nächsten Tagen werden die Bögen auseinander gesägt und abgebaut. Das neue Bauwerk ist bereits seit dem 17. Dezember in Betrieb und befahrbar. Parallel wird nun an dem alten gearbeitet.

Aktuell sind rund 40 Mitarbeiter vor Ort. Sie arbeiten rund um die Uhr, damit alles in den Zeitplan passt. „Jede alte Straßenbahn ist lauter als wir, deshalb ist es kein Problem, spätabends zu arbeiten“, erklärt Bauleiter Arthur Brakowski.

Der Großteil der Stahlteile wird wohl verschrottet werden – es haben sich aber auch schon zahlreiche Interessenten gemeldet, die sich gerne ein Stück Brücke sichern wollen. „Ich kann verstehen, dass das Interesse groß ist. Gerade für Leute, die sich für Eisenbahngeschichte interessieren, ist das etwas Besonderes“, weiß Brakowski. Das Bauwerk mit den markanten Bögen, das über viele Jahre das Bild über der Ruhr prägte, kam nach dem Zweiten Weltkrieg aus Köln nach Duisburg und wurde gegen Kohle getauscht.

Oberbürgermeister-Karl-Lehr-Brückenzug: An der alten Brücke zwischen Duisburg-Ruhrort und Kaßlerfeld wird rund um die Uhr gearbeitet

Das alte Bauwerk liegt auf schwimmenden Pontons. Das Gerüst stützt die Brücke.
Das alte Bauwerk liegt auf schwimmenden Pontons. Das Gerüst stützt die Brücke. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Etwa 1500 Tonnen wiegt das alte Schätzchen – gewissermaßen ein Leichtgewicht, denn die neue Brücke ist doppelt so schwer. „Die alte war natürlich für ganz andere Verkehrsbelastungen ausgelegt. Deshalb ermüdet das Material irgendwann und muss zurückgebaut werden“, erklärt Brakowski.

Wenn die Arbeiten in eine neue Phase gehen, so wie jetzt, seien die ersten Stunden entscheidend. Die Mitarbeiter arbeiten seit Monaten Hand in Hand. Trotz Kälte und zwischenzeitlichem Hochwasser liege man im Zeitplan. Der Wasserstand ist händelbar, das Bauwerk liegt gut auf den Stützen der schwimmenden Pontons. Mit dem Gerüst können unterschiedliche Wasserstände ausgeglichen werden.

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Die Spezialfirmen Sarens und Moß haben jahrelange Erfahrung in dem Bereich und sind international tätig. Mit diesen „haben wir echte Profis vor Ort“, lobt Bauleiter Brakowski. Das Unternehmen Moß hat sich auf den Abbruch von großen Bauwerken spezialisiert. Sarens aus Belgien ist ein Logistiker für Spezial-Transporte.

Wenn auf der Baustelle einmal alles eingerichtet ist, geht‘s recht schnell

Am Montagvormittag laufen noch die Vorarbeiten. Voraussichtlich am Abend wird der erste Bogen auseinander genommen. Die Facharbeiter verständigen sich via Funk. Im unteren Bereich, dort, wo einmal der Ruhrtalradweg entlang führte, stehen schon Container bereit. Oben auf der Vorlandbrücke wartet ein schwerer Kran auf seinen Einsatz.

Neu und alt nebeneinander: Die neue Brücke ist mindestens doppelt so schwer wie das alte Exemplar – und das wog 1500 Tonnen.
Neu und alt nebeneinander: Die neue Brücke ist mindestens doppelt so schwer wie das alte Exemplar – und das wog 1500 Tonnen. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Zunächst werden die Bögen und die sogenannten Fachwerkelemente zerlegt, sodass lediglich die Fläche der Brücke übrigbleibt. Diese wird, unter der neuen Ruhrbrücke hindurch, auf dem Ponton zurück zur ehemaligen Vormontagefläche transportiert. Dort werden dann alle abgetrennten Teile weiter zerlegt. „Ich kann ganz gut schlafen. Die Karl-Lehr-Brücke ist eine große Herausforderung, aber es klappt alles gut“, sagt Brakowski.

Die Karl-Lehr-Brücke ist eine große Herausforderung, aber es klappt alles gut
Arthur Brakowski, Bauleiter

Und weil vielen Duisburger klar ist, dass zwischen Ruhrort und Kaßlerfeld gerade Duisburger (Verkehrs-)Geschichte geschrieben wird, stehen ab und zu auch Passanten am Bauzaun. Einer von ihnen ist Reinhold Stausberg. Er erklärt: „Ich habe mir auch schon die Brücke in Neuenkamp angeschaut. Ich finde so etwas spannend.“