Duisburg/Düsseldorf. Maan D., der Messerstecher von Duisburg, kommt wohl nie wieder frei. So reagierte der Angreifer aus dem John-Reed-Fitnessstudio auf das Urteil.

Ein Leben löschte er aus. Seine anderen Opfer wachen nachts mit Herzrasen auf, ringen mit verheerenden körperlichen Folgen und versuchen, sich in ihren Alltag zurückzukämpfen. Jetzt steht fest: Maan D., der Messerstecher von Duisburg und bekennende IS-Anhänger, wird nie mehr frei kommen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat den 27-Jährigen am Dienstag zu lebenslanger Haft samt anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Außerdem wurde eine besondere Schwere der Schuld festgestellt.

Es ist die erwartete Höchststrafe. Denn der Syrer hat selbst nie einen Zweifel daran gelassen, dass er den 35 Jahre alten Irfan D. an Ostern in der Duisburger Altstadt mit 28 Messerstichen regelrecht abschlachtete und wenige Tage später vier Männer in dem nahegelegenen John-Reed-Fitnessstudio mit einem Messer verletzte. Er griff sie an, als sie nackt und wehrlos unter der Dusche standen oder anderen zur Hilfe eilten. Drei von ihnen fügte er mit der 20 Zentimeter langen Klinge seines Küchenmessers lebensgefährliche Verletzungen zu. Offen hat er zugegeben: Er habe sie alle töten wollen.

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Über ein halbes Jahr nach der islamistischen Attacke hat der Prozess bitter verdeutlicht: Maan. D. stach und schnitt auch tiefe Wunden in die Seelen der vier überlebenden Opfer: Schlafstörungen, Panikattacken, Angstzustände, immer wieder aufkommende Aggressionen – das schilderten die Männer. Bis heute ist keiner von ihnen wieder in seinem alten Leben angekommen.

Terrorprozess gegen den Messerstecher von Duisburg: Maan D. wollte im Dschihad „Ungläubige töten“

Die Schicksale seiner Opfer hat der 27-Jährige im Laufe des Prozesses äußerlich regungslos hingenommen. Genauso wenig schien ihn am Dienstag das Urteil zu berühren. Er verfolgte es regungslos und mit der Kapuze seiner olivgrünen Jacke über den Kopf gezogen. Zuvor hatte er vor den Kameras wie schon am ersten Verhandlungstag seinen rechten Zeigefinger in hochgestreckt. Der sogenannte Tauhid-Finger ist ein Erkennungszeichen der IS-Kämpfer.

Mehrfach hat der Syrer deutlich gemacht, dass er das Gericht nicht anerkennt. „Ihr Gesetz ist ein verbrecherisches Gesetz“, hatte er bei seiner Aussage zu Protokoll gegeben. Reue hatte er im Laufe der Verhandlung zu keinem Zeitpunkt gezeigt.

Kurz nach der Tat in dem Duisburger Fitnessstudio löste die Polizei den Terroralarm aus.
Kurz nach der Tat in dem Duisburger Fitnessstudio löste die Polizei den Terroralarm aus. © FUNKE Foto Services | Zoltan Leskovar

Er glaube nur an „Allah, den Barmherzigen“ und dessen Gesetze, sagte der Fanatiker. Deshalb habe er sich dem Dschihad, dem heiligen Krieg, verschrieben und habe unbarmherzig „Ungläubige“ töten wollen. „Ungläubig“ lebt nach seiner kruden Definition jeder, der Werten der westlichen Welt folgt. Gerne hätte Maan D. noch weitere Taten begangen – Polizisten getötet oder mehr Menschen in dem Fitnessstudio, damit „ich irgendwann als Märtyrer ende“.

Der Staatsschutzsenat erklärte bei der Urteilsverkündung, dass der Lehrersohn seine radikalislamische Gesinnung im Prozessverlauf in „ungewohnter Offenheit“ gezeigt habe. Ein Gutachter bescheinigte dem 27-Jährigen keine psychischen Einschränkungen und somit volle Schuldfähigkeit.

Die Erkenntnisse und Beweise, die die Mordkommission gesammelt hatte, belegen: Der Asylbewerber, der 2015 nach Deutschland geflüchtet war, um dem Militärdienst in seinem Heimatland zu entkommen, radikalisierte sich still und allein in seiner Wohnung in der Altstadt. Das schmucklose 20-Parteien-Haus an der Münzstraße liegt nur wenige Fußminuten von den beiden Tatorten entfernt. Dort bezog der Abiturient seine Informationen hauptsächlich von Webseiten des IS. Er lebte von staatlichen Hilfen.

Yasin Güler war eines der Opfer aus dem John-Reed-Fitnessstudio

Der Weg, den Maan D. einschlug, bringt ihn nun wohl für immer hinter Gitter. Yasin Güler, eines der Opfer aus dem Fitnessstudio, nennt ihn eine „verirrte Seele“. Der gläubige Christ sagt, er hoffe, dass der IS-Anhänger irgendwann realisiere, was er „für einen Mist gemacht“ habe.

Yasin Güler und seine Mutter Nicole vor und nach der Messerattacke.
Yasin Güler und seine Mutter Nicole vor und nach der Messerattacke. © Privat | Privat

Der Oberhausener rang nach einem tiefen Stich in seinen Unterbauch monatelang mit dem Tod. Mit zehn Operationen retteten Mediziner sein Leben. Der 21-Jährige ist weiterhin körperlich stark eingeschränkt. Seine Niere hat eine Funktionsfähigkeit von 15 Prozent.

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Das bedeutet: Yasin Güler muss sich sehr vorsichtig ernähren, Obst und Gemüse sind tabu, Übelkeit und Erbrechen suchen ihn an schlechten Tagen immer noch heim. Und er muss dreimal die Woche für vier Stunden an ein Dialysegerät angeschlossen werden. Eine Prozedur, die für ihn derzeit immer noch lebenswichtig ist.

Das Urteil verfolgte Güler am Dienstag nicht im Gerichtssaal, denn er ist mal wieder krank und muss sich schonen. Sein Ziel: Weihnachten möchte er unbedingt zu Hause feiern – und nicht in einer Klinik.

Im Prozess trat der 21-Jährige als Nebenkläger auf, genauso wie zwei weitere der vier jungen Männer aus dem Fitnessstudio und die Eltern des ermordeten Irfan.

Für das Ehepaar war der abschließende Verhandlungstag eine Qual. Als der Senatsvorsitzende Jan Reinhard van Lessen über die letzten Momente im Leben ihres Sohnes sprach, flossen bei der Mutter Tränen. Der Vater schüttelte wild den Kopf. Vor dem Gerichtsgebäude erklärte er: „Für diesen Menschen gibt es keine gerechte Strafe. Nichts bringt uns unseren Sohn wieder. Ich kann nicht abschließen, der Mann verfolgt mich in meinen Alpträumen.“

>>Prozess im Düsseldorfer Hochsicherheitstrakt

  • Die Bundesanwaltschaft aus Karlsruhe hatte Maan D. wegen Mordes, dreifachen versuchten Mordes sowie gefährlicher und schwerer Körperverletzung angeklagt. Verurteilt wurde der 27-Jährige sogar wegen Mordes und vierfachen Mordversuchs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.
  • Die elf Prozesstage gegen den IS-Anhänger fanden unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts Düsseldorf statt.
  • In dem Urteil würdigte der Staatsschutzsenat die Arbeit der Duisburger Mordkommission. Sie habe für eine zügige Aufklärung des Falles gesorgt.