Duisburg. Polizei stoppte die bislang größte Anti-Israel-Demo in Duisburg kurzzeitig wegen strafbarer Parolen. Auch ein Ratsherr lief mit. Vier Anzeigen.

Vor dem Duisburger Hauptbahnhof treffen am Samstag zwei Welten aufeinander: Mehrere Hundert Teilnehmer einer pro-palästinensischen Demonstration skandieren „Free, free Palestine“ („Befreit Palästina“), als sie am Mittag von der Mercatorstraße in Richtung Kantpark abbiegen. Nicht weit entfernt stehen knapp 20 Teilnehmer einer Gegenkundgebung und rufen „Free Gaza from Hamas“ („Befreit Gaza von der Hamas“). Die einen schwenken palästinensische Flaggen, die anderen israelische.

Nach der verstärkten Offensive der israelischen Armee im Gaza-Streifen ist die Stimmung emotional aufgeheizt – vor allem bei der Anti-Israel-Demo, der größten bislang in Duisburg. Viele Familien mit Frauen, Jugendlichen und Kindern sind gekommen, auch viele, die außerhalb von Duisburg wohnen.

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Kurz nach dem Start stoppt die Polizei den pro-palästinensischen Zug, den sie trotz des gleichzeitigen Großeinsatzes beim Derby MSV gegen RWE mit zahlreichen Einsatzkräften begleitet. Die Beamtinnen und Beamten haben zwei Plakate mit der Aufschrift „From the river to the sea – Palestine will be free“ in der Menge entdeckt: „Vom Fluss bis zum Meer – Palästina wird frei sein“.

Duisburger Polizei stoppt pro-palästinensischen Protestzug: Teilnehmer stellen Existenzrecht Israels infrage

Der Protestzug (Motto: „Stoppt die Bombardierung und Blockade von Gaza“) darf an der Ecke Friedrich-Wilhelm-Straße/Düsseldorfer Straße erst weiterziehen, nachdem die Personalien der Träger dieser Plakate aufgenommen sind.

Zur bislang größten pro-palästinensischen Anti-Israel-Demo in Duisburg kamen nach Angaben der Polizei letztlich 450 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Zur bislang größten pro-palästinensischen Anti-Israel-Demo in Duisburg kamen nach Angaben der Polizei letztlich 450 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Die Parole ist nach neuester Einschätzung deutscher Staatsanwaltschaften wohl als Volksverhetzung strafbar. „Es handelt sich um den Anfangsverdacht einer Straftat“, sagt Polizeisprecher Daniel Dabrowski.

Denn „From the river to the sea – Palestine will be free“ beinhalte, dass es ein Palästina vom Fluss Jordan bis zum Mittelmeer geben solle – also auch dort, wo sich der Staat Israel befindet. Eine Auflage für die Versammlungen ist jedoch: Das Existenzrecht Israels darf nicht öffentlich infrage gestellt werden.

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Gegendemonstranten: Antisemitische Sprüche auch auf dem UDE-Campus

Die pro-israelische Gegenkundgebung hat der Duisburger Timon Rhein spontan organisiert und angemeldet. Der 25-Jährige hat nach dem brutalen Massaker der Terrororganisation Hamas auch antisemitische Sprüche auf dem Campus der Universität Duisburg-Essen (UDE) entdeckt, berichtet er. „Wir müssen etwas gegen den Antisemitismus und eine Bewegung tun, die Israel auslöschen will“, sagt der Politik-Student.

Angst vor Terror-Attacken hat Timon Rhein nicht. Auch nicht, nachdem am Dienstag der bekannte IS-Kämpfer und Gefährder Tarik S. in Duisburg festgenommen wurde, weil er einen Anschlag auf eine Pro-Israel-Demo geplant haben soll. „Hier ist ja eine robuste Polizeipräsenz“, sagt Rhein auf Nachfrage. „Da mache ich mir keine großen Gedanken.“

Er befürwortet eine Zwei-Staaten-Lösung und trägt eine Flagge, die er vor wenigen Monaten in Israel schon auf einer Demonstration gegen die Verfassungsreform der konservativen Regierung des Landes geschwenkt hat.

Polizei erstattet vier Anzeigen gegen pro-palästinensische Demonstranten

Zur weitaus größeren pro-palästinensischen Demo hatte die Initiative „Palästina Solidarität Duisburg“ eigentlich rund 100 Teilnehmer erwartet. Laut Angaben der Polizei haben sich schließlich etwa 450 Menschen angeschlossen.

Einige kamen von weit her, wie die Kennzeichen angereister Teilnehmer vermuten lassen: zum Beispiel aus Siegen oder Tauberbischofsheim in Baden-Württemberg. Die Teilnehmenden tragen Plakate mit Aufschriften wie „Stoppt den Genozid“ oder „Es lebe die Freundschaft der Völker“.

Es läuft im Protestzug auch Mirze Edis mit, Ratsherr der Linken und Mitglied des Duisburger Integrationsrates. Oder ein junger Türke aus Neuss, für den es sich „auch um einen Konflikt der Religionen“ handelt, wie er meint.

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Verschwörungsglaube, kommunistischer Kampf und Holocaust-Relativierung

Eine Demonstrantin aus Oberhausen will eigentlich nicht mit der Presse sprechen. Trotzdem lässt sie es sich nicht nehmen, eine Verschwörungserzählung zu verbreiten: „Die Hamas wird von Israel gesteuert, um den Konflikt zu schüren“, behauptet sie.

Ein Demonstrant verteilt Flugblätter der sogenannten trotzkistischen Weltbewegung. Und Leon Wystrychowski, Organisator der Samidoun-nahen Initiative „Palästina Solidarität Duisburg“, appelliert lauthals: „Redet nicht mit den Medien.“

Die pro-palästinensische Kundgebung verlief friedlich.
Die pro-palästinensische Kundgebung verlief friedlich. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Nach zwei Stunden löst sich der Protestzug gegen Israel im Rheinpark auf. Weitere Zwischenfälle auf der Strecke durch Hochfeld gab es laut Polizei nicht. Die pro-israelische Gegenkundgebung „Gegen Antisemitismus und gegen den Terror der Hamas“ am Hauptbahnhof ist zu dem Zeitpunkt bereits beendet.

Polizei: Insgesamt vier Strafanzeigen

Die Polizei ist trotz der aufgeheizten Stimmung zufrieden mit dem friedlichen Verlauf. Es folgen insgesamt vier Anzeigen gegen Teilnehmer der pro-palästinensischen Demonstration: zwei wegen der Plakate, die das Existenzrecht Israels in Frage stellen. Eine Dritte, ebenfalls wegen Volksverhetzung, weil ein Teilnehmer ein Plakat mit einem Bezug zu den Verbrechen der Nationalsozialisten zeigte, das den Holocaust relativiert. Ein weiterer Demonstrant wurde angezeigt, weil er sich vermummt und damit gegen das Versammlungsgesetz verstoßen hatte.