Duisburg. Dirk Brendel kocht im noch jungen Lokal „Frau Specht“ vor den Augen seiner Gäste. Überzeugen Konzept und Menü? Nicht ganz, findet unser Kritiker.

Er sehe Potenzial für einen Stern, sagte Dirk Brendel im Frühjahr über sein neues Projekt „Frau Specht“. Das Lokal war damals noch in Planung, doch seit Juni steht einer der renommiertesten Köche Duisburgs wieder am Herd – und zwar alleine, denn Brendel und Yvonne Specht betreiben den Laden ganz ohne weiteres Personal. Geht das Konzept auf? Und kann es den beiden Gastronomen gelingen, die begehrte Michelin-Auszeichnung zu erhalten? Ein Testbesuch soll Eindrücke liefern.

Atmosphäre: Das Restaurant ist wahrlich klein. Kaum mehr als eine Handvoll Tische stehen darin, weniger als 20 Gäste passen hinein. Eine Reservierung ist deshalb Pflicht, und wer kommt, muss zunächst an der Tür schellen, die Yvonne Specht dann persönlich öffnet.

Restaurant „Frau Specht“: Ex-Sternekoch kocht ohne weiteres Personal

Drinnen fällt neben der stilvollen und modernen, aber trotzdem gemütlichen Einrichtung die offene Küche ins Auge. Dirk Brendel kocht vor den Augen seiner wenigen Gäste, was dem Besuch einen exklusiven Charakter verleiht. Wer mag, kann zwei Plätze direkt am Tresen reservieren, dem Koch über die Schulter gucken und sich den einen oder anderen Schritt persönlich erklären lassen. Auffällig ist außerdem die einsehbare Kühlkammer, die mit hunderten Flaschen Wein gefüllt ist.

Service: Auch im Service gibt es keine weiteren Mitarbeiter. Das heißt: Wenn Brendel in der Küche beschäftigt ist, ist Yvonne Specht beim Service auf sich allein gestellt. Und das gelingt verblüffend gut, auch, weil die reservierten Tische zu vorgegeben Zeiten belegt werden: Die Gäste kommen in Abständen von schätzungsweise 15 Minuten, sodass der Abend für die Gastgeber gut zu planen ist. So bleiben die Abläufe ausgesprochen entspannt, auch die Zeit zwischen den Gängen ist ideal bemessen.

Yvonne Specht und Dirk Brendel arbeiten in ihrem Restaurant ganz alleine.
Yvonne Specht und Dirk Brendel arbeiten in ihrem Restaurant ganz alleine. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Angebot und Geschmack: Das Konzept setzt auf die Überraschung. Eine Karte gibt es nicht, lediglich Unverträglichkeiten und Essgewohnheiten, Stichwort vegetarisch, werden bei der Reservierung abgefragt. Im Restaurant selbst wählen die Gäste nur noch, ob ihr Menü aus fünf oder acht Gängen bestehen soll.

Wichtiger Bestandteil des Konzepts ist die lange Weinkarte. Wer mag, kann sich selbst etwas aussuchen, praktischer ist die Weinbegleitung mit ausgewählten Empfehlungen. Wir entscheiden uns heute für eine alkoholfreie Begleitung.

Gourmet-Lokal in Duisburg: Kulinarisches Warm-Up begeistert

Zu Beginn geizt Dirk Brendel nicht mit Grüßen aus der Küche. Erst kommt Lachs-Sashimi mit Erdnuss-Panna-Cotta auf Beluga-Linsen an den Tisch. Das macht schon Freude auf mehr, und auch sein zweiter Gruß ist nicht weniger als ein Genuss, ein Rote-Beete-Cannellono, gefüllt mit Rindertartar und Wasabi-Mayonaise. Teil drei dieses kulinarischen Warm-Ups besteht aus einer Auster serviert mit Caipirinha-Chutney. All das sorgt für Glücksgefühle und Gesprächsstoff, bevor das eigentliche Menü erst begonnen hat.

Dirk Brendels Grüße aus der Küche, hier ein Rote-Beete-Cannellono mit Rindertartar und Wasabi-Mayonaise, wissen besonders zu gefallen.
Dirk Brendels Grüße aus der Küche, hier ein Rote-Beete-Cannellono mit Rindertartar und Wasabi-Mayonaise, wissen besonders zu gefallen. © cst

„Unser Leberwurstbrot“ nennen Brendel und Specht den dann folgenden ersten Gang, ein in Knoblauch geröstetes oder zumindest mit Knoblauch eingeriebenes Brot, das mit Gänsestopfleber bestrichen ist. Ob das zeitgemäß ist, mag jeder für sich selbst entscheiden, gibt es heute doch annähernd gleichwertige Alternativen zur quälenden Praxis der Stopfmast.

Der zweite Gang ist charmant angerichtet: Ein halbierter Römersalat am Holzspieß hat ein fein-säuerliches Dressing und ist unter anderem mit Algen belegt. Es folgt der Fisch: Brendel hat Saibling auf drei verschiedene Weisen zubereitet, roh und mariniert mit Kaviar-Topping, mit Haut gebraten sowie zu einer tollen Konsistenz zerkleinert in eine Zucchiniblüte gestopft. In mild-säuerlichem Sud überzeugt dieser Teil des Menüs.

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Was dann kommt, mutet jedoch wie ein Stilbruch an. Nachdem bis hierhin jeder Gang auf die eine oder andere Weise überraschen konnte, wirkt der vierte doch recht bieder. Gebratene Nierenzapfen vom Rind werden mit Pfifferlingen, verschiedenem Gemüse und einer dunklen Soße serviert. Klar, die Konsistenz des Fleisches ist ideal, die Soße hat eine interessant hintergründige Schärfe, und doch erinnert der Stil des Gerichts eher an ein gehobenes Landgasthaus.

Kann Dirk Brendel sich wieder einen Michelin-Stern erkochen?

Zum Ende hin stehen Gäste noch einmal vor der Wahl: Lassen sie sich von Brendel mit einem süßen Dessert überraschen oder ist – gegen Aufpreis – noch Platz für Käse? Wir entscheiden uns für das süße Dessert. Ein Gewürztörtchen, eine Mousse und ein Sorbet sorgen für einen runden Abschluss, der aber ebenfalls nichts Überraschendes bietet.

Im Vergleich zu den meisten anderen Gängen mutet das Fleischgericht recht bieder an.
Im Vergleich zu den meisten anderen Gängen mutet das Fleischgericht recht bieder an. © cst

Die alkoholfreie Begleitung bereichert alle Speisen mit Säften, Schorlen, Nektar oder selbst kreierten Mischungen. Für die fünf Gänge werden pro Person 90 Euro fällig. Die Getränke kosten 65 Euro und sind damit genau so teuer wie die Weinbegleitung, was sich dem Kritiker nicht so recht erschließen mag. Die Preise für Essen und Trinken erhöhen sich bei acht Gängen moderat auf 116 beziehungsweise 73 Euro.

Fazit: Wer „Frau Specht“ besucht, darf sich natürlich auf Delikatessen, hochwertige Zutaten und auch auf hohe Kochkunst freuen. Die Abläufe in dem kleinen Lokal sitzen, das besondere Konzept macht die Atmosphäre angenehm entspannt.

Dirk Brendel präsentiert in der Showküche sein Handwerk und insbesondere am Anfang des Abends auch seine Kreativität – mit großen Augen lässt man sich gern erklären, woraus das besteht, was Yvonne Specht an den Tisch bringt. Umso stärker ist allerdings der Kontrast, der durch die zwei Gänge zum Schluss entsteht, sind beide doch sehr konservativ gedacht.

Für Liebhaber gehobener Küche lohnt sich ein Besuch bei „Frau Specht“ freilich trotzdem. Sich einen Michelin-Stern zu erkochen, dürfte so aber (noch) nicht gelingen.

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Bewertung:

Geschmack: 4/5 Punkte

Atmosphäre: 5/5 Punkte

Service: 5/5 Punkte

Preis-Leistungs-Verhältnis: 4/5

Adresse: Hohe Straße 19, 47051 Duisburg

Kontakt: 0172 7935547, info@frauspecht-weinbar.de, www.frauspecht-weinbar.de

Öffnungszeiten: Donnerstags bis sonntags von 18 Uhr bis 23 Uhr

Hinweis der Redaktion: Diese Gastro-Kritik entspricht dem subjektiven Geschmacksurteil des Verfassers. Bei unseren Tests geben wir uns nicht zu erkennen, bewerten unabhängig und bezahlen das Essen selbst.