Duisburg. Nach dem Mord an Alia A. (19) trauert Duisburg-Walsum um die junge Mutter. So verlief eine Gedenkveranstaltung am Franz-Lenze-Platz.

Ihr Entsetzen und ihre Trauer über den brutalen Mord an Alia A. haben am Mittwochabend rund 200 Menschen bei einer Gedenkfeier am Franz-Lenz-Platz in Duisburg-Walsum öffentlich ausgedrückt. Die 19-Jährige und ihr 17 Monate alter Sohn waren am vergangenen Sonntag von ihrem Mann mit dem Auto überfahren worden, anschließend hatte der 25-jährige Skender K. auf sie eingeprügelt und ihr dabei tödliche Verletzungen zugefügt. Er sitzt seither in Untersuchungshaft, der schwerst verletzte Sohn kämpft in einer Spezialklinik weiterhin um sein Leben.

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Viele Kerzen brennen am Mittwochabend auch vor dem Tatort an der Herzogstraße in Vierlinden, daneben liegen Blumen, Plüschtiere und Abschiedsbotschaften von Angehörigen, Freunden und Nachbarn. Fassungslosigkeit über die äußerst brutale Tat drückt sich auch hier aus.

Fassungslosigkeit über den brutalen Mord prägt die Stimmung der Duisburger

Die Frauenorganisation Zora hatte zur Gedenkveranstaltung für Alia A. aufgerufen, mit Rücksicht auf die trauernden Angehörigen im Park hinter dem Franz-Lenze-Platz. „Unfassbar“ ist das Wort, das immer wieder zu hören ist in den Gesprächen derer, die sich rund um die roten Kerzen versammelt haben, die auf der Tischtennisplatte brennen.

Der Mord an Alia A. ist ein Femizid, die junge Frau wurde ermordet, weil sie eine Frau war, ihr Tod die Folge von Sexismus und Frauenhass, betont Anna Liedtke, die Sprecherin von Zora Duisburg: „Mann mordet nicht aus Liebe.“ Es handele sich nicht um Einzelfälle. „Alleine im September 2023 gab es in Deutschland 19 Morde an Frauen, im gesamten Jahr sind es über 90.“ Statistisch werde in Deutschland jeden dritten Tag eine Frau von ihrem Ehemann, Freund oder Ex-Partner getötet.

Anna Liedtke (l.), Sprecherin der Frauenorganisation Zora in Duisburg, organisiert die Gedenkveranstaltung nach Femizid in Walsum. Am kommenden Mittwoch folgt eine weitere Kundgebung vor dem Forum auf der Königstraße in der City.
Anna Liedtke (l.), Sprecherin der Frauenorganisation Zora in Duisburg, organisiert die Gedenkveranstaltung nach Femizid in Walsum. Am kommenden Mittwoch folgt eine weitere Kundgebung vor dem Forum auf der Königstraße in der City. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Frauenorganisationen fordern: Femizide dürfen nicht verharmlost werden

„Wir trauern um eine Schwester, Freundin und Mutter, tun uns zusammen, damit ihre Schreie hörbar werden“, ruft Anna Liedtke. Femizide dürften nicht verharmlost werden. Nicht durch ihre Bezeichnung als „Familiendrama“ in Medien, nicht durch die Justiz, die Täter wegen Totschlags statt Mordes verurteile.

Eine Reform des Paragrafen § 46 Strafgesetzbuch, den Frauenorganisationen lange forderten, hat der Bundestag im Juli beschlossen. Gerichte können nun „Geschlechtsspezifische“ sowie „gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Tatmotive bei der Strafzumessung zu berücksichtigende Umstände als strafverschärfend berücksichtigen.

Der kurdische Frauenverein Yeni Kadin skandiert den Slogan der iranischen Freiheitsbewegung „Frauen, Leben, Freiheit“. Der Aufstand gegen das Regime begann mit einem Femizid: Die junge Kurdin Mahsa Amini musste sterben, weil angeblich ihr Kopftuch zu locker saß.

Die Frauen fordern mehr Geld, Zufluchtsorte, wo sich die Opfer männlicher Gewalt in Sicherheit bringen können, „eine gesellschaftliche Anstrengung gegen patriarchale Gewalt“. Wie sollen die Duisburger auf die schreckliche Tat reagieren? „Wir müssen auf die Straße gehen und Zivilcourage zeigen“, ruft eine Walsumerin ins Mikrofon. „Ich wäre gern dabei, aber ich habe auch Angst, ein Messer in den Rücken zu bekommen“, sagt eine weitere Frau.

Gelegenheit, Trauer, Anteilnahme und Wut auszudrücken, gibt es am kommenden Mittwoch, 11. Oktober. Da ruft Zora ab 17 Uhr zur Kundgebung vor dem Forum auf der Königstraße in Stadtmitte auf.

>>FEMIZID IN DUISBURG: DIE JÜNGSTEN FÄLLE

  • Am 7. September 2019 erdrosselte Ercan E. seine Ehefrau Mine O. in Kaßlerfeld und verscharrte sie in einem Waldstück in Untermeiderich, wo die Leiche der 26-Jährigen im Dezember entdeckt wurde. „Ich wollte sie nur für mich haben. Ich wollte sie mit niemandem teilen“, gestand er der Polizei. Das Duisburger Schwurgericht verurteilte den 29-Jährigen im Oktober 2020 wegen Mordes zu lebenslanger Haft.
  • Am 25. Juli 2022 erschoss ein 54-jähriger Mann aus Tönisvorst auf dem Parkplatz des Johanniter-Krankenhauses in Rheinhausen zunächst seine Ehefrau und dann sich selbst. Die 47-Jährige, eine Beschäftigte der Klinik, hatte sich kurz vor der Tat von dem Mann getrennt. Der Täter war Sportschütze und deshalb im Besitz von Waffen.
  • Am 28. April 2023 tötete Emrah S. seine Mutter (53) in der gemeinsamen Wohnung an der Mercatorstraße im Dellviertel mit acht Messerstichen. Zwei Tage später wurde der 29-Jährige festgenommen und wartet seither in der Untersuchungshaft auf seinen Prozess. S. soll von einer starken Abneigung gegen Frauen geprägt gewesen sein, auch gegenüber denen aus seiner eigenen Familie.