Duisburg. Die Schulsozialarbeit steht an 53 Grund- und Förderschulen auf der Kippe. Jetzt kämpfen Kinder einer Duisburger Grundschule für den Erhalt.
Die Briefe der Tigerklasse gehen zu Herzen: Mit flammenden Sätzen und liebevollen Bildern kämpfen die Schülerinnen und Schüler der Duisburger Grundschule Pestalozzistraße um ihre Schulsozialarbeiterin.
Wie berichtet, bangen in Duisburg 53 Grund- und Förderschulen um ihre Schulsozialarbeiter. Der Caritasverband als einer von acht Trägern hat an sechs Standorten bereits den Rückzug angetreten, andere Verbände sehen sich ebenfalls nicht mehr in der Lage, das Angebot aufrecht zu erhalten. Die Kosten sind gestiegen, die Stadt kann das nicht ausgleichen, Brandbriefe ans Land haben bislang aber keine Wirkung gezeigt.
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Jetzt versuchen es die Kinder selbst: „Bitte sorgen Sie dafür, dass unsere arme Stadt Duisburg genug Geld für Sozialarbeiterinnen an Schulen erhält. Wir Kinder brauchen das!“, schreiben die Viertklässler an Schulministerin Feller und schwärmen von „ihrer Frau Hummes“ in den höchsten Tönen.
Schulsozialarbeiterin vermittelt in Duisburg zwischen Lehrern, Eltern und Schülern
Vier Tage die Woche ist Alina Hummes in der Schule. Sie bietet in ihrem gemütlichen Büro Lese-AG’s an für jene, die daheim keinen Zugang zu Büchern bekommen. Im Stundenplan ist sie außerdem mit einer Mädchen-AG fest verankert. Das sei vor allem für muslimische Mädchen wichtig, die zuhause „stereotyp und bildungsfern aufwachsen“. In ihrer Welt sei es normal, dass „nur sie daheim aufräumen müssen, ihre Brüder aber nicht“, erzählt Hummes. Bei ihr lernen die Mädchen, dass es berechtigt ist, das ungerecht zu finden, und dass es auch anders gehen kann.
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Die Schulsozialarbeiterin fühlt sich als Bindeglied zwischen Lehrern, Schülern und Eltern, kann allen bei Problemen beistehen. So ist sie oft als Streitschlichterin im Einsatz. „Wenn Kinder in der Pause Streit hatten, können wir nicht einfach mit dem Unterricht beginnen“, erklärt Schulleiterin Daniela Franke. Entweder ich löse das in der Stunde und opfere den Unterricht, oder die Schulsozialarbeiterin erarbeitet mit den Kindern einen klugen Weg.“.
Ohne Schulsozialarbeit fallen viele zusätzliche Aufgaben auf Lehrer zurück
Auch für die Lehrer sei es wichtig, jemanden im Kollegium zu haben, der eine Nicht-Lehrer-Sicht auf die Kinder hat, der nicht benotet, „das ist unverzichtbar“, sagt Franke. Bei der Vorstellung, dass die Stelle im Dezember ausläuft, sieht sie schwarz: „Es würden so viele zusätzliche Aufgaben wieder auf uns Lehrer zurückfallen.“
Die Schulsozialarbeit entlaste an vielen Stellen. Früher sei die Schule mit 140 Kindern klein gewesen, da saßen kaum 20 Schüler in einer Klasse. Jetzt sind es 207, pro Raum knubbeln sich 27 Kinder, beschreibt die Schulleiterin.
Alle haben Hummes in ihr Herz geschlossen, „bei ihr kann man freier sprechen“, sagt Viertklässler Lennox. Numan mag es, mit ihr „zu quatschen und zu spielen“. Mira lobt die Lesestunden und erzählt: „Letztens kam sie so instant mit Eis für alle auf den Schulhof!“
Für ein neues Elterncafé hat Hummes gerade einen Samowar geordert, über warme Getränke kommt man leichter ins Reden, findet sie. Einen großen Anteil hat dabei die Vermittlung von Möglichkeiten aus dem Bildungs- und Teilhabegesetz, sie sorgte für eine wöchentliche BuT-Beratung vor Ort.
Beratung für Eltern und Vermittlung in Flü-Kids-Gruppen
Parallel zu den Schüleranmeldungen kann sie schon vor der Einschulung helfen. Sie treffe auf Familien, deren Kinder aus finanziellen Gründen nicht in den Sportverein dürfen. „Sie wussten nicht, dass ihnen dafür 15 Euro monatlich zustehen, ebenso eine Büchergeld-Pauschale oder Geld für den Mittagstisch.“
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Einige baldige i-Dötzchen, die keinen Kindergartenplatz haben, vermittelte sie in Flü-Kids-Gruppen. „Da werden sie an die Schulbasics herangeführt, lernen den Umgang mit anderen Kindern, üben Stifte halten, still sitzen, zuhören“, erzählt Hummes. „Hier kommen Kinder an, die noch nie einen Farbkasten gesehen haben.“
Und da viele ihrer Schüler ausschließlich digitale Medien gewohnt sind, investiert sie viel Zeit in gemeinsame Aktivitäten, Geschicklichkeitsübungen, Teamworkförderndes oder Brettspiele ohne Bildschirm. Wir fangen auf, was in den Familien versäumt wird.“
Rheinhausen-Mitte genau so ein Brennpunkt wie Hochfeld und Marxloh
Hummes, die Sozialarbeit in Nimwegen studierte und selbst zwei Kinder hat, ärgert sich über die Politik, die den Wert ihrer Arbeit und der ihrer Kollegen nicht anerkenne. „Viele unserer Eltern sind Analphabeten, haben nie eine Schule besucht“, sagt sie. Rheinhausen-Mitte sei wie Hochfeld und Marxloh ein Brennpunkt, geprägt von hoher Arbeitslosigkeit, bewohnt von vielen Nationen. Ihnen hilft Hummes ebenfalls, sie vermittelt in Sprachkurse. „Und wenn dann ein Mädchen berichtet, dass ihre Mutter jetzt endlich ihren Namen schreiben kann, ist das ein großer Erfolg.“
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