Duisburg. Bei der Stahlproduktion in Duisburg entstehen riesige Mengen Abwärme und Gase. Warum für Fernwärme-Produktion so wenig übrig bleibt.

Eigentlich sollte die Wärmewende an wenigen Orten so leicht zu meistern sein wie in Duisburg. Allein bei der Stahlproduktion entstehen riesige Mengen nutzbarer Energie in Form von Kuppelgasen und Abwärme. Können sie in größerem Umfang genutzt werden, um das städtische Fernwärmenetz auszubauen? „Die verfügbare Energiemenge, die wir vermarkten könnten, ist geringer als vermutet“, erklärt Peter Petri, der Leiter des Energie- und Medienmanagements von Thyssenkrupp-Steel (TKS).

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Der Energiebedarf der Stahlproduktion ist gewaltig. Allein der Bedarf der Hochöfen, Sinteranlagen, Stahl- und Walzwerke an eingesetzter Energie (nicht Strom) liegt bei 50 Terawatt-Stunden (TWh) – 50 Milliarden Kilowattstunden entsprechen mehr als dem vierfachen Strombedarf Hamburgs.

Im Duisburger Norden: Bis zu zwei Millionen Kubikmeter Hochofengas pro Stunde

Der Großteil dieser Energie wird bei Thyssenkrupp Steel in Form von Kohle angeliefert, von der ein Teil in der Kokerei zu Koks verarbeitet wird. Auch Erdgas wird für einige Prozesse benötigt. Ein Großteil der Energie wird im Prozess verbraucht, zum Beispiel im Hochofen zur Reduktion des Eisenerzes. „Die Hälfte dieser 50 TWh kommt aber am Ende des Prozesses wieder heraus, davon sind ein Großteil Kuppelgase, von denen etwa 45 Prozent in unserem Kraftwerk verstromt werden“, erläutert Peter Petri.

Als Kuppelgas wird etwa das Hochofengas bezeichnet. Es fällt im Hochofenprozess zu bis zu zwei Millionen Kubikmetern pro Stunde an und wird zum Teil in riesigen Gasometern zwischengespeichert. Weitere Mengen der Gase, die nicht zur Stromerzeugung verwendet werden, nutzt das Werk, um weitere Aggregate zu befeuern, etwa die Öfen in Walzwerken oder die Winderhitzer an den Hochöfen.

Peter Petri leitet das Energie- und Medienmanagement bei Thyssen Krupp Steel im Duisburger Norden. Das Bild zeigt ihn auf dem Dach der Hauptverwaltung an der Kaiser-Wilhelm-Straße in Bruckhausen vor der Hochofen-Kulisse des Werks.
Peter Petri leitet das Energie- und Medienmanagement bei Thyssen Krupp Steel im Duisburger Norden. Das Bild zeigt ihn auf dem Dach der Hauptverwaltung an der Kaiser-Wilhelm-Straße in Bruckhausen vor der Hochofen-Kulisse des Werks. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Kohle deckt weitgehend den Energie- und Wärmebedarf des gesamten Werkes

„Der Vorteil eines integrierten Hüttenwerks wie hier im Duisburger Norden oder bei HKM im Duisburger Süden ist die weitgehende Energie-Autarkie“, so Petri. Das bedeutet: Abgesehen von vergleichsweise kleinen, aber unverzichtbaren Erdgasmengen reicht die Kohle aus, um den gesamten Energie- und Wärmebedarf des gesamten Werks zu decken. Das gilt nicht nur für die Produktionsanlagen: Auch Hauptverwaltung, das Bildungszentrum und alle weiteren Gebäude werden so versorgt.

Das vermeintlich einfache Prinzip funktioniert nur mit einem ausgeklügeltem Energiemanagement-System, das Petri und sein Team steuern. Nur so können die riesigen Mengen passgenau verwertet werden. Das ist unabdingbar, denn die anfallenden Kuppelgase füllen die vier Gasometer bei TKS binnen Minuten. „Wir versuchen, die Energien, die ins Werk kommen, möglichst komplett zu verwenden“, betont Peter Petri.

Grundsätzlich werde auch die Abwärme tunlichst prozessintern eingesetzt. Etwa zur Vorwärmung von Material oder Brenngasen, das senkt den Verbrauch. Petri: „Auf die Energieeffizienz wird schon bei der Konzeption der Anlage geachtet, sie wird auch planungsrechtlich gefordert.“

Industrielle Quellen für Fernwärme sind nicht grundlastfähig

„Die Eigenversorgung ist für uns die erste Priorität“, sagt der Ingenieur. „Aktuell bleiben aber rund 300 Megawatt übrig, die Hälfte vermarkten wir.“ Deshalb sei die Auskopplung der Abwärme für externe Fernwärme-Produzenten kein Neuland für TKS. „Die bis zu 400 Grad heißen Abgase des Warmbandwerks Beeckerwerth nutzen wir schon seit Ende der 1970er Jahre für die Fernwärme Niederrhein in Dinslaken.“ Die Auskopplung baute die Dinslakener selbst in die Kamine ein.

Auch die Absicherung gegen mögliche Ausfälle müssen sie übernehmen. Ein Grundproblem der industriellen Energiequellen für die Fernwärme, beschreibt Duisburgs Stadtwerke-Vorstand Andreas Gutschek so: „Sie ist nicht grundlastfähig.“ Will heißen: Die ständige und dauerhafte Verfügbarkeit ist nicht gesichert. Petri bestätigt das: „Geliefert wird nach Können und Vermögen. Die Absicherung gegen mögliche Ausfälle von einer oder mehreren Quellen durch Betriebsstillstände können wir nicht übernehmen.“

Projekt für Nutzung von mehr TKS-Energie für Fernwärme „in der Pipeline“

Mit dem Thema Abwärmenutzung durch neue Technologien beschäftige sich TKS weiterhin, berichtet der Energiemanager. „Großwärmepumpen sind ein Thema, auch Fernwärme-Einbindung gehört dazu. Wenn der Fernwärmeproduzent selbst die Absicherung baut, etwa über Speicher oder über einen Netzverbund sicherstellt, kann das attraktiv sein. Außerdem ist Fernwärme als sehr umweltfreundliche Quelle für die Versorger attraktiv.“

Der Energiefachmann von TKS verweist darauf, dass fast ein Drittel der Energie für die Fernwärme Niederrhein schon jetzt aus dem Werk stammt. Das reicht, um bis zu 25.000 Haushalte zu versorgen. „Es gibt Interesse, weitere Mengen abzunehmen und auch mit eigenen Ressourcen abzusichern.“ Ein konkretes Projekt dazu sei „in der Pipeline“, sagt Petri. Um welche Mengen geht es da? „Es geht um 30 Prozent des ungenutzten Potenzials, das könnte für weitere bis zu 7000 Haushalte reichen.“

>>TRANSFORMATION VERÄNDERT DAS ENERGIEMANAGEMENT GRUNDLEGEND

  • Langfristig wird sich das Energiemanagement bei Thyssenkrupp Steel grundlegend verändern: Je mehr im Zuge der Transformation zur klimaneutralen Stahlproduktion nach 2026 auf Wasserstoff statt Kohle umgestellt wird, desto weniger nutzbare Abwärme wird zur Verfügung stehen.
  • „Gleichzeitig wird unser Bedarf an Erneuerbaren Energien stark steigen“, so Peter Petri. „Auch deshalb werben wir nachdrücklich für eine raschen Hochlauf grüner Energien.“