Duisburg. Bei der Oper „Die tote Stadt“ im Stadttheater Duisburg versinkt ein Puppenbauer im Alptraum der Liebe. Die Inszenierung wirft Fragen auf.

Erich Wolfgang Korngolds Oper „Die tote Stadt“ wird gerne im Stile von Alfred Hitchcocks „Vertigo“ inszeniert, denn in beiden Werken begegnet ein Mann der Doppelgängerin seiner toten Geliebten. In der neuen Inszenierung der Deutschen Oper am Rhein geht Regisseur Daniel Kramer einen anderen Weg, macht aus dem trauernden Paul einen Puppenbauer. Am Samstag erlebte die Produktion, die bereits im April in Düsseldorf herausgekommen war, im Duisburger Theater ihre hiesige Premiere.

Das Libretto, das der Wiener Opernkritiker Julius Korngold seinem Sohn geschrieben hat, beruht auf Georges Rodenbachs Erzählung „Das tote Brügge“: Witwer Paul lebt nach dem Tod seiner Frau Marie nur noch in der Erinnerung und huldigt seiner Verstorbenen, deren Haar er aufbewahrt hat, in einem Gedenkzimmer.

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„Die tote Stadt“: Es fehlt an rhythmischer Genauigkeit

Dann begegnet er der Tänzerin Marietta, einer Doppelgängerin seiner Frau, die er zu sich nach Hause einlädt. Die Liebesgeschichte mit Marietta erlebt Paul größtenteils als Alptraum, in dem er seinen Freund Fritz als Rivalen tötet. Zudem erscheint ihm immer wieder die tote Marie, die um seine Liebe kämpft.

Komponist Korngold war gerade einmal 23 Jahre alt, als er diese fantastisch schillernde Partitur schrieb. Am Pult der Duisburger Philharmoniker gelingen Kapellmeister Harry Ogg schöne Momente, in denen er die Musik zum Flirren bringt. Auf der anderen Seite fehlt es oft an rhythmischer Genauigkeit, sodass die Musik nicht ihre volle Schlagkraft entfalten kann. Immerhin gibt Ogg den Solisten genügend Raum, um an den richtigen Stellen stimmlich auftrumpfen zu können.

Tenor findet viele Zwischentöne für seine Rolle

Da ist an erster Stelle Corby Welch zu nennen: Er lässt seinen Tenor an den Höhepunkten warm leuchten, findet aber auch viele Zwischentöne für seine Rolle. Sopranistin Nadja Stefannoff, welche die Marietta singt, verfügt über eine volle und selbstbewusste Mittellage, in der Höhe kann sie aber nicht frei aussingen.

Ihre Gegenspielerin Marie wird von Mara Guseynova mit lyrischem Sopran ausgestattet. Richard Sverda singt Pauls Freund Fritz mit großem, fast heldischem Bariton. Das Pierrot-Lied im zweiten Akt, müsste er aber lyrischer und zarter anlegen. Wohlklingend gestaltet Katarzyna Kuncio Pauls Haushälterin Brigitta.

Regisseur Daniel Kramer macht aus Paul einen Puppenbauer, der gleich mehrere Marie-Nachbauten in seiner von Ausstatterin Marg Howell entworfenen Wohnung hat. Die Begegnung von Paul und Marietta erinnert an die Pro-Sieben-Sendung „Beauty and the Nerd“, denn die Regie macht aus Paul eine verwahrloste Erscheinung, bei der man sich fragt, warum die elegante Marietta, die hier zu einer Prostituierten degradiert wird, so um ihn kämpft. Verwirrend ist, dass Marietta, welche ja eine Doppelgängerin Maries sein soll, mit dieser keine Ähnlichkeit hat, sondern eine Vampirella aus der Addams Family ist.

Puppenbauer Paul (Corby Welch) und eine seiner Marie-Nachbauten in der Oper
Puppenbauer Paul (Corby Welch) und eine seiner Marie-Nachbauten in der Oper "Die tote Stadt" der Deutschen Oper am Rhein, die jetzt in Duisburg aufgeführt wurde. © Deutsche Oper am Rhein | Sandra Then

Im dritten Akt saugt die Vampir-Marie Paul zu Tode. Der besingt dann aber kurz darauf mit seinen Puppen kuschelnd die Brügger Fronleichnamsprozession. Insgesamt hat Daniel Kramer viele interessante Ideen zum Stück, die sich dann aber zu einem interpretatorischen Labyrinth verdichten, aus dem der Regisseur nicht mehr herausfindet. Im Schlussbild steht Paul trauernd an einem blumengeschmückten Sarg. Wer da betrauert wird, bleibt aber rätselhaft, denn sowohl Marie als auch Marietta stehen mit am Sarg.

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>>Opernkomponist mit Oscar-Würden

  • Korngolds Oper „Die tote Stadt“ wurde am 4. Dezember 1920 zeitgleich in Köln und Hamburg uraufgeführt und ist Korngolds größter Erfolg. Andere Opern wie „Das Wunder der Heliane“ oder „Violanta“ sind heute nur noch selten zu erleben.
  • Ab den 1930er Jahren arbeitete Korngold regelmäßig in Hollywood und erhielt zwei Oscars für seine Filmmusiken, unter anderem für „Robin Hood – König der Vagabunden“. Heute gilt er als der Begründer der sinfonischen Filmmusik, wie sie auch von John Willams gepflegt wird.