Duisburg. Vor einer Opern-Premiere bleibt dem Orchester wenig Zeit zum Proben. „Die tote Stadt“ stellt Dirigent Harry Ogg vor besondere Herausforderungen.

„Nicht so hart“ soll die Stelle klingen, viel mehr „lebendig und fröhlich“. Harry Ogg hat klare Vorstellungen, was sich bis zur Premiere von „Die tote Stadt“ verbessern soll. Es ist die vierte Probe mit den Duisburger Philharmonikern. Aus dem Orchestergraben heraus bittet der Kapellmeister der Deutschen Oper am Rhein weitere Sängerinnen und Sänger auf die Bühne. Ihnen und dem Orchester bleiben nur wenige Tage, um sich aufeinander einzuspielen.

Er sei sehr zufrieden, sagt der britische Dirigent hinterher: „Wir haben gute Korrekturen gemacht, morgen wird es besser sein und übermorgen noch mal viel besser.“ Mit dem Werk des späteren Hollywood-Komponisten Erich Wolfgang Korngold endet für Ogg die erste Spielzeit in Düsseldorf und Duisburg. Trotz seines jungen Alters, Anfang 30, hat er bereits einige Opern dirigiert.

„Die tote Stadt“ war zuletzt vor über 30 Jahren in Duisburg im Programm

Für die Duisburger Philharmoniker ist „Die tote Stadt“ neuer Stoff. Nur wenige waren dabei, als das Stück vor über 30 Jahren schon einmal im Programm war. Eine Probe dauert vier Stunden. Am Dienstag ist Harry Ogg schon früher da, um sich Notizen zu machen. „Es gibt so viele Kleinigkeiten, so viele Details. Ich möchte, dass alles hörbar ist.“

Bei dieser Oper sei das eine besondere Herausforderung: „Das ist so eine Masse an Klang. Korngold war ein junger Komponist, unglaublich begabt, aber ziemlich unerfahren. Er war wie ein Kind im Bonbongeschäft, hat sich alles genommen, was er wollte. Das ist ganz, ganz spannend, aber man muss reduzieren, damit die Sänger hörbar sind.“

Vor der Premiere betreten die Duisburger Philharmoniker sechs Mal zum Proben den Orchestergraben im Theater Duisburg.
Vor der Premiere betreten die Duisburger Philharmoniker sechs Mal zum Proben den Orchestergraben im Theater Duisburg. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Die Detailarbeit an Text und Musik beginnt für Ogg schon Monate vor einer Premiere: „Ich mache mir viele Notizen in der Orchesterpartitur und markiere Besonderheiten der einzelnen Stellen. Danach versuche ich zu verstehen, was für Farben, was für Tempi, was für eine Artikulation ich will.“

Oper von Erich Wolfgang Korngold ist für Orchester schwer zu spielen

Ist eine Produktion neu, habe man zum Proben meist vier bis fünf Wochen nur mit den Sängern. „Das sind szenische Proben“, sagt Harry Ogg, „der Regisseur arbeitet, aber auch der Dirigent ist oft dabei“. Erst später beginnen die Orchesterproben, dann ist der Dirigent der Chef.

Nicht nur für ihn, auch für die Musiker sei das Stück unglaublich schwer: „Oft gibt es einfach sehr viele Töne, viele Stellen sind schwer zu spielen.“ Die Orchestermitglieder müssten besonders gut zuhören, was die Kolleginnen und Kollegen um sie herum gerade machen. „Und sie müssen verstehen, wann sie anders spielen sollen, als es geschrieben ist“, erklärt Ogg.

„Die tote Stadt“ ist Daniel Kramers Regie-Debüt an der Deutschen Oper am Rhein. In der Hauptrolle des Paul singt Corby Welch.
„Die tote Stadt“ ist Daniel Kramers Regie-Debüt an der Deutschen Oper am Rhein. In der Hauptrolle des Paul singt Corby Welch. © Sandra Then

Mit den Duisburger Philharmonikern arbeite er gerne zusammen: „Jedes Orchester hat seinen eigenen Charakter, und dieses hat eine schöne Mischung. Sie haben diese weiche und warme deutsche Klangkultur, aber sie spielen diszipliniert auf dem Schlag, wenn es sein muss.“

„Trockener Klang“: Theater Duisburg hat seine ganz eigene Akustik

Bei so viel Vorbereitung kommt es auch zu Meinungsverschiedenheiten. „Meistens zwischen den Sängern und Dirigenten“, sagt Ogg, „und es ist immer sehr interessant, das anzupassen. Man hat das Stück vorbereitet, seine eigenen Ideen entwickelt. Dann lernt man die Stimmen der Sänger kennen und merkt, man muss etwas anders machen.“ In diesen Fällen werde gemeinsam entschieden, „auch wenn der Dirigent das letzte Wort hat“.

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Und schließlich gilt es, auch räumliche Aspekte zu beachten: „Die Akustik im Duisburger Theater ist sehr trocken. Das ist einerseits gut, weil die Stimmen der Sänger besser durchkommen. Der Nachteil ist, dass das Orchester ein bisschen hart klingen kann, wenn man den Klang nicht entsprechend formt.“

Wenn am Samstagabend die Duisburg-Premiere von „Die Tote Stadt“ beginnt, haben Harry Ogg und die Duisburger Philharmoniker zuvor sechs gemeinsame Proben absolviert. Wer sich vom Ergebnis überzeugen lassen will, findet online unter www.operamrhein.de alle Informationen zu Terminen und zum Ticketkauf.

„DIE TOTE STADT“: LEBENSTHEMA EINER TRAUMATISIERTEN GENERATION

Mit „Die tote Stadt“ gab Regisseur Daniel Kramer sein Debüt an der Deutschen Oper am Rhein. Bislang war seine Inszenierung nur in Düsseldorf zu sehen.

In der Oper von Erich Wolfgang Korngold hat sich Paul nach dem Tod seiner Frau in einem Kokon aus Schmerz und Erinnerung verschlossen. Dann bricht Marietta in seine Welt hinein, die in dem trauernden Witwer längst verdrängte Sehnsüchte weckt. Diese versucht Paul mit zunehmender Panik zu bekämpfen. Doch das Leben lässt sich nicht aufhalten…

Wie weit darf unsere Trauer gehen, ohne uns zu entwurzeln? Zwei Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs legte der 23-jährige Korngold seinem Protagonisten die Frage in den Mund, die zum bedrückenden Lebensthema einer traumatisierten Generation geworden war.