Düsseldorf. . Die Studentin Linda K. hat in Düsseldorf gestanden, ihren jüngeren Stiefbruder auf dem Schulweg überfallen und erstochen zu haben. Die 24-Jährige brach am Freitag beim Prozessauftakt am Landgericht ihr monatelanges Schweigen. Ihr droht die dauerhafte Unterbringung in einer geschlossenen Psychiatrie.
Sie ist ihm nachgegangen, bis in den kleinen Park zwischen Hügelstraße und Kölner Landstraße. Dort stach sie zu, verletzte ihren Stiefbruder (17) tödlich. Seit gestern steht Linda K. (24) wegen Totschlags vor dem Landgericht. Weil sie an Schizophrenie leidet und deshalb wohl nicht schuldfähig ist, geht es nicht um eine Strafe, sondern um ihre dauerhafte Unterbringung in der Psychiatrie.
Sie habe einen Druck im Kopf gehabt, Stimmen gehört, berichtet die blasse junge Frau, die sehr gedämpft spricht, fast mechanisch auf Fragen antwortet. „Entweder du oder er“, hätten die Stimmen gesagt. Und: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“
Sie stach mehrfach zu, traf ihn einmal ins Herz
Deshalb sei sie an dem frühen Morgen des 23. Mai dem Stiefbruder nachgegangen, ein Messer in der Hand, das sie sich vor einiger Zeit besorgt hatte. In der Grünanlage überholte sie ihn und stach zu. Ob er noch etwas gesagt habe, will der Richter wissen. „Nur: ,Warum?’. Aber ich wusste nicht, was ich antworten sollte.“
Sie stach mehrfach zu, traf ihn einmal ins Herz. Daran ist er verblutet. Ein Schnitt trennte seine Kehle durch. Er wehrte sich, wand sich aus Jacke und T-Shirt, brach zusammen. Sie stach noch auf seinen Nacken ein, was ihn aber nur oberflächlich verletzte. Und lief dann zu Fuß bis nach Langenfeld. Bis die Polizei sie nach einer Großfahndung völlig erschöpft und verängstigt fasste. Die Tat beschreibt Linda K. nicht selbst. Ihre Anwältin Hülya Karaman trägt das vor: „Sie würde das nicht schaffen“, sagt sie.
Was ihr Sohn in den letzten Minuten seines Lebens erlitt, hört still weinend die Mutter des Jungen. Sie ist Nebenklägerin in dem Prozess, wird auch noch als Zeugin aussagen. Gebannt blickt sie Linda K. an, als diese das Familienleben schildert. Macht sich Notizen.
Ihre Mutter war depressiv und beging Selbstmord
Die Tat scheint der Endpunkt einer schleichenden Entwicklung. Schon Linda K.s Mutter war depressiv, häufig in der Psychiatrie. Als das Mädchen zehn war, trennten sich die Eltern, zwei Jahre später beging die Mutter Selbstmord. Dann lebte sie mit dem Vater. Und fühlte sich wohl nicht geliebt: „Wir hatten kein typischen Vater-Kind-Verhältnis. Er war eher eiskalt.“ Eine Freundin berichtet, dass der Vater sich durchaus kümmerte, sie sogar in die Diskothek begleitete, damit sie in jungen Jahren dorthin konnte. „Aber man merkte, dass ihr etwas fehlte.“
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Als der Vater eine neue Lebensgefährtin fand, diese mit ihrem Sohn einzog, fand Linda K. die beiden nett. „Am Anfang war alles gut. Das hat dann aber nachgelassen.“ Warum, wisse sie nicht. In der neuen Familie habe jeder für sich gelebt, sie fühlte sich ignoriert. „Ich habe irgendwann aufgehört, Hallo zu sagen. Ich wollte nicht immer die erste sein, die Hallo sagt.“ Den Jungen habe der Vater wohl geliebt: „Er hat ihm ja das Radfahren beigebracht.“
Sie fühlte sich ignoriert und bedroht
Sie fühlte sich schließlich bedroht. Denn sie habe mehrere Messer im Auto der Freundin ihres Vaters gefunden. „Ich dachte, dass ich damit umgebracht werde von ihr. Um mich los zu werden.“ Sie habe sich auch Messer gekauft. Die immer in ihrer Tasche gehabt. Eins davon benutzte sie dann zu der Attacke.
Stimmen hörte sie seit etwa zwei Monaten. Ihrer Freundin war schon beim letzten Treffen im Januar aufgefallen, dass Linda K. so still war und sich nicht wie sonst geschminkt hatte. Früher habe Linda K. nie stillsitzen können. Sei immer sportlich gewesen, habe das sogar übertrieben, denn sie sei überschlank gewesen. Dass sie Bulimie hatte, „habe ich vermutet“, so die Freundin. Sie erinnerte sich auch, dass Linda K. mal erwähnte, ADHS zu haben, aber keine Tabletten nehmen wolle. Linda K. war auf Aufforderung ihres Vaters beim Arzt gewesen, der ihr eine Therapie empfahl. Aber sie habe die nicht für nötig gehalten.