Düsseldorf. Die Tat sorgte bundesweit für Entsetzen: Ein Mann stürmte ins Neusser Jobcenter und tötete eine Mitarbeiterin mit einem Fleischermesser. Ein halbes Jahr später hat jetzt der Mordprozess begonnen. Der mutmaßliche Täter hatte der Behörde illegalen Handel mit seinen persönlichen Daten unterstellt.
Beim Prozessauftakt um den Mord an einer Mitarbeiterin eines Jobcenters im rheinischen Neuss haben mehrere Zeugen den Angeklagten als Täter identifiziert. Der 52-Jährige soll die Frau im vergangenen September mit einem 30 Zentimeter langen Fleischermesser erstochen haben, weil er der Behörde illegalen Handel mit seinen persönlichen Daten unterstellte.
Die Tat sorgte bundesweit für Entsetzen. Der Vater von fünf Kindern war mit zwei Messern in die Behörde gestürmt. Bundesweit hatten Mitarbeiter der Arbeitsagenturen mit einer Schweigeminute der Kollegin gedacht. Nach der Bluttat waren die Sicherheitsmaßnahmen in den Jobcentern in NRW überprüft und verschärft worden.
Das Opfer war innerlich verblutet
Ein Gerichtsmediziner berichtete, dass ein Stich die Frau vollständig durchbohrt habe. Es seien mehrere innere Organe verletzt und die Hauptschlagader durchstochen worden. Die 32-Jährige sei innerlich verblutet. Die Verteidiger des Angeklagten kündigten vor dem Düsseldorfer Landgericht an, dass sich ihr Mandant beim Prozessauftakt am Mittwoch nicht zur Tat äußern werde, aber später.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Arbeitslosen heimtückischen Mord aus niedrigen Beweggründen vor. Bei der Datenschutzerklärung, über die sich der Mann derart erregt habe, sei es um das Einverständnis zur Weitergabe der Daten an potenzielle Arbeitgeber gegangen. Die Verteidiger sagten, ihr Mandant, ein marokkanischer Landwirt, spreche kaum deutsch und habe die Erklärung schlicht nicht verstanden. Sein Bruder habe ihn als Dolmetscher begleiten wollen, aber dann sei der 52-Jährige vorgegangen.
Ein Sachverständiger hatte dem Mann einen Intelligenzquotienten von 75 attestiert. Hinweise auf eine verminderte Schuldfähigkeit hatten die Gutachter nicht feststellen können.
Angeklagter soll Opfer in den Bauch gestochen haben
Im Jobcenter habe er mit der 32-jährigen Mitarbeiterin über die Erklärung diskutieren wollen, so die Anklage. Doch die Frau habe abgewunken, weil er keinen Termin hatte und schon der nächste Klient gewartet habe. Da habe der Mann ein Küchenmesser gezückt und die Frau angegriffen. Als die Klinge abbrach, habe er zum Fleischmesser gegriffen.
Der nachfolgende Klient sagte vor Gericht, er habe aus dem Zimmer Schreie gehört. Er sei hineingestürmt und habe den Mann in den Bauch der Frau stechen sehen. Als er in das Zimmer gekommen sei, habe der Täter aufgehört und sei hinausgelaufen. Nachdem im Zimmer des Opfers Alarm ausgelöst wurde, sei sie auf den Flur gegangen, sagte eine Kollegin der Ermordeten. Sie habe Blutspritzer und den Täter gesehen. Mit seiner blutigen Hand habe er ihr bedeutet, nicht näher zu kommen.
Zwei Polizisten entdeckten den Mann nach eigener Aussage unmittelbar nach der Tat hundert Meter vom Jobcenter entfernt, weil die Personenbeschreibung auf ihn passte. Er habe eine Hand gehoben, in der anderen Hand habe er noch das Messer gehalten, sagte ein Beamter. Auf Aufforderung habe er es weggeworfen. Der mehrfachen Aufforderung, sich hinzulegen, sei er aber nicht gefolgt. Mit einem Tritt in die Kniekehle sei er auf den Boden gebracht, dann gefesselt und durchsucht worden. Er habe danach relativ teilnahmslos gewirkt, nach der Festnahme lediglich mehrfach über Knieschmerzen geklagt.
Ahmed S. räumt das Tatgeschehen ein
Ahmed S. war seit dem Jahr 2000 in Deutschland und habe entgegen den Angaben der Ermittler immer wieder als Saisonarbeiter gearbeitet, erklärten die Verteidiger. Er spreche berberisch und es gebe Zweifel, ob die Dolmetscher bei der Polizeivernehmung diesen Dialekt beherrschten. Verteidiger Gerd Meister kritisierte es als "Schande", dass die Vernehmung nicht per Video aufgezeichnet worden sei.
Das Gericht hatte dem Angeklagten bereits mitgeteilt, dass er zusätzlich zur Verurteilung wegen Mordes auch mit der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld rechnen müsse. Ahmed S. räumt das Tatgeschehen ein, bestreitet aber eine Tötungsabsicht. (dpa)