Düsseldorf. Handtellergroß sind die Spinnen im Düsseldorfer Aquazoo. Eine Doktorandin schreckt das nicht: Für ihre Forschung kommt sie ihnen ganz nah.

Anna Bartz hat einen Job, der manch anderen Alpträume bereiten würde: Sie forscht mit Spinnen. So groß wie ein Handteller können die tropischen Seidenspinnen werden, mit denen die Doktorandin im Düsseldorfer Aquazoo etwas ganz Besonderes macht. Sie „melkt“ die Tiere. Das hat natürlich nichts mit dem zu tun, was in einem Kuhstall passiert, denn Spinnen haben weder Euter noch geben sie Milch. Aber die Achtbeiner mit dem Namen Nephila, die im Aquazoo gezüchtet werden, produzieren einen Seidenfaden, der ideal für das medizinische Forschungsprojekt von Anna Bartz ist.

Forschung im Aquazoo: Die Seide der tropischen Spinnen ist extrem reißfest und dehnbar

Die Doktorandin der RWTH Aachen experimentiert mit Gewebeersatz für Knochen und Knorpel. In diesem Zusammenhang, so erklärt sie, hat sich die Seide der Spinnen als ideales Material herausgestellt, auf dem Zellen wachsen können. „Die Fäden sind extrem reißfest und dehnbar“, sagt sie. Sie sind elastischer als Nylon und sollen sogar zugfester als Stahl sein. Außerdem sind sie sehr gut verträglich. In Versuchen habe sich gezeigt, dass der Stoff vom menschlichen Körper nicht abgestoßen wird.

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Mehrmals pro Woche fährt Anna Bartz von Aachen nach Düsseldorf, um Spinnen zu melken. Der Aquazoo kooperiert mit der Uni und unterstützt die Forschung. „Ich könnte die Spinnen selber nicht züchten, sie brauchen eine warme Umgebung und hohe Luftfeuchtigkeit.“ Tropische Bedingungen wie im Aquazoo. In dem Raum, in dem das Terrarium steht, ist es muckelig warm. Anna Bartz öffnet die Tür, hinter der die Tierchen krabbeln. Das ist der Moment, in dem Menschen mit Spinnenphobie fluchtartig den Raum verlassen würden.

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„Ich liebe Spinnen“, sagt die Doktorandin. Zu Hause hat sie drei Vogelspinnen. Früher hat Anna Bartz in einem zoologischen Labor gearbeitet und dort die Liebe zu Spinnen entwickelt. Fasziniert hat sie von Anfang an vor allem, wie kunstvoll die Tiere ihre Netze bauen und wie stabil die Fäden sind. Die Forscherin steckt ihren Arm ins Terrarium und versucht, einen der Langbeiner einzufangen. Gar nicht so einfach. Manche sind noch recht klein und sehr quirlig. Fürs Foto darf es ruhig ein etwas älteres und größeres Exemplar sein.

Die tropische Seidenspinne „Nephila“ fühlt sich wohl auf der Hand von Anna Bartz. Gleich wird sie ihren begehrten Seidenfaden produzieren.
Die tropische Seidenspinne „Nephila“ fühlt sich wohl auf der Hand von Anna Bartz. Gleich wird sie ihren begehrten Seidenfaden produzieren. © NRZ | jum

Geschafft! Die Spinnenflüsterin macht ihre Hände für einige Sekunden zu einer kleinen Höhle, damit sich das Tier beruhigt, das vorher versucht hat, auf ihrem Arm bis hinauf zur Schulter zu marschieren. Jetzt geht es besser. Die Spinne krabbelt gemütlich auf der Hand hin und her und ein Stück über den Pulli, wo man sehr deutlich den feinen Faden sehen kann, der sich an ihrem Hinterteil gebildet hat und über den blauen Stoff schlängelt.

Heute wird leider nicht gemolken, aber Anna Bartz zeigt auf einem Video, wie das Ganze funktioniert. Bei ihrer Arbeit legt sie die Spinne auf den Rücken und fixiert das Tier mit einem weichen Tuch, damit es nicht wegkrabbelt. Der Faden wird mit einer Spezialmaschine aufgerollt und kann so direkt auf winzig kleine Webrahmen gespannt werden, auf denen die Forscherin später die Zellen auf der Seide aufträgt.

 Anna Bartz bei ihrer Arbeit im Labor der Uniklinik Aachen. Hier wachsen Zellen auf der Seide aus dem Düsseldorfer Aquazoo.
 Anna Bartz bei ihrer Arbeit im Labor der Uniklinik Aachen. Hier wachsen Zellen auf der Seide aus dem Düsseldorfer Aquazoo. © privat

Zwanzig Minuten dauert die Prozedur. In dieser Zeit kann Anna Bartz etwa 200 Meter Faden gewinnen. Die Spinne könnte sogar noch deutlich mehr davon produzieren. Bis zu 500 Meter, schätzt die Wissenschaftlerin. „Aber das wäre für sie viel zu anstrengend.“ Erholen müssen sich die Tiere auch nach dem Melken von 200 Metern Seide. Vor allem sollten sie danach jede Menge Proteine futtern, um sich zu regenerieren und wieder neue Seide zu bilden.

Zur Belohnung gibt es Heuschrecken für die Spinnen

Dabei hilft die Belohnung, die nach der Arbeit auf sie wartet: zwei fette Heuschrecken. Für diesen Leckerbissen müssen sich die Spinnen dann nicht mal anstrengen. Die Doktorandin wirft sie ihnen als kleines Dankeschön direkt ins Netz.

Die Netze der tropischen Seidenspinnen können bis zu 1,5 Meter groß werden.
Die Netze der tropischen Seidenspinnen können bis zu 1,5 Meter groß werden. © KARL-HEINZ ROMANN

Seit 2020 forscht Anna Bartz mit den tropischen Seidenspinnen in Düsseldorf. Die Pandemie hat auch dieses Projekt verzögert, aber nun ist sie auf der Zielgeraden. Wie lange dauert es noch? „Vielleicht ein halbes Jahr“, schätzt sie. Das hängt auch davon ab, wie schnell sie weitere Sponsoren findet.

Das Forschungsprojekt finanziert sich durch „Crowdfunding“ und aktuell werden weitere Unterstützerinnen und Unterstützer gesucht. Ziel des Projektes ist, einen Knochenersatz zu entwickeln, der Menschen bei Krankheiten wie Osteoporose, nicht heilbaren Knochenbrüchen oder Tumoren helfen kann. Kontakt per Mail: abartz@ukaachen.de

Die tropische Seidenspinne im Düsseldorfer Aquazoo

Wer sich die tropische Seidenspinne (Nephila senegalensis) anschauen möchte, kann sie im Düsseldorfer Aquazoo Löbbecke Museum, Kaiserswerther Straße 380, besuchen. Hier werden die Tiere im Terrarium gezeigt.

Öffnungszeiten: täglich 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt kostet 10 Euro für Erwachsene, ein Familienticket kostet 20 Euro, für Kinder bis sechs Jahre ist der Eintritt frei. Kontakt: 0211/899-61 50, per Mail: aquazoo@duesseldorf.de.