Düsseldorf. Weil er 2018 nicht in den Club hineinkam, soll ein 28-jähriger Mann den Türsteher überfahren haben. Am Mittwoch sprach erstmals das Opfer.

Erst soll Ali M. in seinen BMW 3er gestiegen sein, mit seinem Wagen von der Düsseldorfer Graf-Adolf-Straße in eine enge Passage in der Nähe der Kö gefahren und von dort aus in eine Menschengruppe gerast sein, die sich vor dem Hinterausgang der Discothek Nachtresidenz befunden hat. Vier Mitarbeiter des Clubs soll er dabei erfasst haben, darunter den Türsteher Sinan G.. Zwei Personen konnten sich mit Sprüngen zur Seite in Sicherheit bringen. Anschließend soll M. rückwärts durch die Passage gefahren sein und dabei versucht haben, flüchtende Zeugen mit dem Auto zu treffen. Als der damals 36-jährige Türsteher verletzt am Boden lag, soll der Angeklagte ihn gezielt überrollt und schwer verletzt haben. Sinan G. erlitt Hirnblutungen und mehrere Brüche an Armen und Beinen.

Was wie eine Szene aus Robert Rodriguez‘ Trash-Streifen „Death Proof“ mit Kurt Russell als mordenden Stuntfahrer klingt, soll sich am frühen Neujahrsmorgen 2018 in der Düsseldorfer Innenstadt, genauer vor der Kultdisco Nachtresidenz, tatsächlich so ereignet haben. Mehr als sechs Jahre nach der Auto-Attacke muss sich Ali M. seit diesem Mittwoch (10. April) wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung vor dem Landgericht Düsseldorf verantworten.

Prozess um Düsseldorfer Auto-Attacke: Videoaufnahmen zeigen Streit auf Tanzfläche

Laut Anklage war dem Spanier der Zutritt zum Club am Neujahrsmorgen 2018 von einem Türsteher nach einer Auseinandersetzung verwehrt worden. Wie Videoaufnahmen am Mittwoch im Gerichtssaal zeigten, soll Ali M. am Tat-Morgen gegen 5.20 Uhr als eine von mehreren Personen auf der Tanzfläche in der „Nachtresi“ in einen Streit verwickelt worden sein. Anschließend wurde die Gruppe nach einem Tumult aus der Disco geworfen. Der Tatverdächtige soll dabei von einem Türsteher per „Klammergriff“ zum Hinterausgang geführt worden sein. Danach eskalierte der Streit.

Für die Staatsanwaltschaft Düsseldorf handelte es sich bei der Auto-Attacke des heute 28-Jährigen um Vorsatz, es kam dem Angeklagten „nur darauf an, so viele Personen wie möglich zu schädigen“, wie ein Anwalt nach der Verlesung der Anklagepunkte erklärte. Ali M. nahm die Anschuldigungen regungslos hin und ließ das Gesagte von einer Dolmetscherin übersetzen. Der Verdächtige hat keinen festen Wohnsitz in Deutschland, spricht kein Deutsch, und lebte bis zu seiner Festnahme in Spanien.

Das Hauptopfer, der ehemalige Türsteher Sinan G., wurde am Mittwoch zum Prozessauftakt als erster Zeuge geladen. Leicht humpelnd betrat er den Zeugenstand, hatte während der Vernehmung immer wieder mit den Tränen zu kämpfen und rang um Worte. Was genau vor dem Hinterausgang der Nachtresidenz passiert ist, könne er jedoch nicht mehr sagen: „Ich erinnere mich nur noch daran, dass ich meine Parkkarte gezogen habe, um eine Schranke zu öffnen. Dann bin ich im Krankenhaus wach geworden. Eine Krankenschwester meinte dann zu mir, dass ich einen Autounfall gehabt hätte.“

Hauptgeschädigter bei Düsseldorfer Auto-Attacke: „Ich habe sechs Liter Blut verloren“

Laut seinen Aussagen steckten noch Metallgegenstände in seinem Körper, als er in der Klinik erwachte. „Ich habe sechs Liter Blut verloren“, berichtete G. am Mittwoch vor Gericht mit stark angeschlagener Stimme und musste seine Ausführungen über seinen Gesundheitszustand immer wieder unterbrechen. Neben einem erlittenen Schädel-Hirn-Trauma wurde am besagten Neujahrsmorgen auch sein Frontallappen beschädigt. Nach dem Vorfall bestand bei dem heute 43-Jährigen zeitweise akute Lebensgefahr.

Seitdem leide er unter Wortfindungsstörungen, sei vergesslich. Zudem ist „meine rechte Seite komplett kaputt“, gab der ehemalige Türsteher an. Mittlerweile sei er Frührentner, erhält Pflegestufe 3 und könne nicht mehr arbeiten. Denn auch sein rechtes Auge und seine Beine wurden durch die Auto-Attacke schwer verletzt. Im Ober- und Unterschenkel erlitt G. einen Trümmerbruch, sein rechtes Bein musste um vier Zentimeter verkürzt werden. Mehrere Jahre saß er anschließend im Rollstuhl. „Der Heilungsprozess des Beins dauerte über drei Jahre. Meine Hüfte, meine Knie – alles kaputt.“

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Zwar könne er mittlerweile wieder eigenständig laufen, dennoch sei er immer noch auf die Hilfe anderer angewiesen, „jede Bewegung tut höllisch weh. Mein Krankenbett habe ich immer noch zu Hause. Außerdem musste mein ganzes Haus umgebaut werden, damit ich dort leben kann“, erklärte der vierfache Vater im Zeugenstand. Doch viel schlimmer seien „die Kopfsachen. Ich bin nicht mehr der, der ich mal gewesen bin. Ich kann nachts nicht mehr schlafen, wache oft schweißgebadet auf, ohne mich an meinen Traum zu erinnern.“ Neben den körperlichen Nachwirkungen hatten die schweren Verletzungen auch Auswirkungen auf sein Privatleben: „Meine Frau hat sich von mir scheiden lassen, weil sie meinen Zustand nicht mehr ertragen konnte und das, was mittlerweile aus mir geworden ist.“

Nach Auto-Attacke vor Nachtresidenz: Festnahme erst fünf Jahre nach der Tat in Spanien

Nach der Tat hatte sich der Verdächtige unterdessen ins Ausland abgesetzt. Erst gut fünf Jahre später konnte er in Spanien festgenommen und an die deutschen Behörden ausgeliefert werden. Seitdem befindet er sich in Düsseldorf in Untersuchungshaft. Zum Prozessauftakt am Mittwoch schwieg M. zu den schwerwiegenden Vorwürfen. Für den Prozess sind bis Ende August 17 Verhandlungstage angesetzt, der nächste Termin ist für den 18. April angesetzt. (mit dpa)

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