Düsseldorf. Indra Ghosh hat eine Petition gestartet, um AfD-Politiker Björn Höcke die Grundrechte entziehen zu lassen. Was den Düsseldorfer antreibt.
In aktuellen Umfragen zur Bundestagswahl liegt die AfD derzeit bei rund 20 Prozent, vor der anstehenden Wahl in Thüringen am 1. September dieses Jahres liegt der rechtsextremistische Landesverband im Trend mit über 30 Prozent aktuell sogar an erster Stelle. Somit könnte Björn Höcke, Landespartei- und Fraktionschef der Thüringer AfD, im Herbst sogar neuer Ministerpräsident des ostdeutschen Bundeslandes werden. Genau dagegen regt sich in Düsseldorf seit November heftiger Widerstand: Der Physiker Indra Ghosh hat eine Petition ins Leben gerufen, um Höcke die Grundrechte entziehen zu lassen.
AfD könnte Sperrminoritäten erhalten
Vor allem die Umfragewerte aus Thüringen haben Ghosh auf den Plan gerufen: „2024 stehen mit der Europawahl und in drei ostdeutschen Bundesländern wichtige Wahlen an. Die aktuellen Umfragewerte sind erschreckend, vor allem in Thüringen. Da steht die AfD bei über 30 Prozent“, erklärt der Düsseldorfer. „Das würde bedeuten, dass die AfD Sperrminoritäten erhält. Zudem könnten sie dann den Landtagspräsidenten stellen.“
Die Thüringer AfD wird bereits seit fast drei Jahren vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft und beobachtet. Erreicht sie bei der Thüringen-Wahl ein Ergebnis von über 30 Prozent, könnte die AfD über diese Sperrminoritäten trotz Minderheiten im Landtag bei Abstimmungen bestimmte Beschlüsse verhindern, wenn qualifizierte Mehrheiten bei der Beschlussfassung verlangt werden.
Höcke-Petition: Bereits 1,67 Millionen Unterschriften
Die Petition findet bisher jedenfalls großen Anklang. Seit November wurden bis zum 1. Februar über 1,67 Millionen Unterschriften gesammelt, um den rechtsextremen Politiker die Grundrechte entziehen zu lassen. „Die Zivilbevölkerung zeigt bislang ein starkes Engagement“, lobt der Physiker die rege Beteiligung. Am 1.Februar wurde die Liste in Berlin an Politikerinnen und Politiker von Grünen, SPD und Linken im Bundestag übergeben, teilte das Kampagnennetzwerk Campact mit, über das die Petition läuft. Wie der 56-Jährige berichtet, wurde die Petition auch „wohlwollend entgegengenommen. Das war ein starkes Zeichen aller demokratischen Fraktionen des Deutschen Bundestag.“
Ob die Petition am Ende dafür sorgen wird, dass Björn Höcke seine Grundrechte zumindest teilweise verliert, vermag Indra Ghosh unterdessen nicht zu beurteilen: „Ob die Petition Erfolg haben wird, muss das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entscheiden“. Bundesinnenministerin Nancy Faeser zeigte sich zuletzt hingegen skeptisch, dass dieses Unterfangen gelingen wird: „Das Bundesverfassungsgericht hat in der Geschichte der Bundesrepublik noch in keinem Fall entschieden, dass eine Person ihre Grundrechte verwirkt hat“, äußerte sich die SPD-Politikerin in einem Interview mit der Funke Mediengruppe.
In Deutschland gab es seit 1949 bisher vier solcher Anträge, die aber alle abgelehnt wurden. Sollte das Bundesverfassungsgericht in diesem Fall für eine Entziehung der Grundrechte urteilen, könnten Björn Höcke das Wahlrecht, die Wählbarkeit und die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter aberkannt werden.
Höcke wegen Volksverhetzung vor Gericht
Kritiker der Petition gehen davon aus, dass die Unterschriftenaktion dafür sorgen wird, dass viele Wähler in die Arme der AfD getrieben werden. Zudem könnte Björn Höcke im Fall der Fälle eine Art Märtyrer in der neu-rechten und rechtsextremen Szene werden, so die Befürchtung. Indra Ghosh hält dagegen: „Natürlich werden rechte Kräfte versuchen, daraus ihren Nutzen zu ziehen. Man sollte solch eine Aktion aber nicht davon abhängig machen, wie die AfD darauf reagiert, sondern was gesetzlich möglich ist. Und in dem Fall Björn Höcke kann man sehr wohl eine Entziehung der Grundrechte ins Spiel bringen“, sagt der Düsseldorfer.
Zudem sei man auch auf Seiten der Politik ebenfalls nicht gegen das Vorhaben abgeneigt, berichtet Indra Ghosh: „Thüringens Innenminister Georg Maier hat sich in einem Interview ja bereits dafür starkgemacht, einen Antrag auf Grundrechtsverwirkung gegen Björn Höcke vorzubereiten.“
Aktuell muss sich Björn Höcke wegen Volksverhetzung vor dem Landgericht im thüringischen Mühlhausen verantworten. In dem Verfahren geht es um einen Beitrag im sozialen Netzwerk „Telegram“, den der 51-Jährige kurz nach einer Gewalttat in Ludwigshafen schrieb: „Wahrscheinlich ist der Täter psychisch krank und leidet an jener unter Einwanderern weitverbreiteten Volkskrankheit, welche die Betroffenen ‚Allahu akbar‘ schreien lässt und deren Wahrnehmung so verzerrt, dass sie in den ‚ungläubigen‘ Gastgebern lebensunwertes Leben sehen.“ Zudem bezeichnete Höcke vor einigen Jahren das Holocaust-Mahnmal in Berlin als ein „Denkmal der Schande“ und forderte in diesem Zusammenhang eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“.
+++ Folgen Sie der NRZ Düsseldorf jetzt auch bei Instagram! +++
Die Petition gegen Björn Höcke läuft unterdessen weiter. Auf der Homepage des Kampagnen-Netzwerkes Campact können weiter Unterschriften abgegeben werden. Indra Ghosh appelliert weiter zur regen Teilnahme: „Die Demokratie muss sich wehrhaft zeigen. Man darf gar nicht daran denken, was passiert, wenn die AfD an die Macht kommt.“ Deswegen werde der 56-Jährige „weiter am Ball bleiben“, um zu verhindern, dass dieser „wahrhaft gefährliche Feind der freiheitlichen Demokratie“ an die Macht kommen wird.