Berlin. Der thüringische Saale-Orla-Kreis hat gewählt. Knapp lag am Ende der Kandidat der CDU vor seinem Kontrahenten von der AfD.
Die AfD hat die Stichwahl um das Landratsamt im ostthüringischen Saale-Orla-Kreis verloren. Der CDU-Kandidat Christian Herrgott setzte sich am Sonntag gegen AfD-Mann Uwe Thrum durch, wie der Landeswahlleiter mitteilte. Thrum war mit deutlichem Vorsprung in die Stichwahl gegangen und hatte auf das bundesweite zweite AfD-Landratsamt nach Robert Sesselmann in Sonneberg gehofft.
CDU-Kandidat Herrgott kam nach der Auszählung aller Stimmbezirke auf 52,4 Prozent der Stimmen. Thrum erreichte 47,6 Prozent. Der 39-jährige Herrgott ist Generalsekretär der Thüringer CDU und sitzt seit 2014 im Landtag. Sein erster Arbeitstag als Landrat ist am 9. Februar vorgesehen.
Landes- und Fraktionschef Mario Voigt reagierte erleichtert. „Gemeinsam im Bündnis mit den Bürgern haben wir die Kraft, die angebliche Alternative von Björn Höcke zu schlagen“. Dies sei „ein guter und wichtiger Tag“ für Thüringen.
Bürgerbündnis gegen die AfD hatte sich gebildet
SPD und Linke, deren Kandidaten in der ersten Runde unterlegen waren, hatten Herrgott vor der Stichwahl unterstützt. Zudem hatte sich frühzeitig ein lokales Bürgerbündnis gegen die AfD gebildet. Thrum schadete offenbar auch, dass er zuletzt ein bereits zugesagtes Wahlduell gegen Herrgott abgesagt hatte.
AfD-Landeschef Björn Höcke hatte aktiv Wahlkampf im Saale-Orla-Kreis mitgemacht. Er trat auf zwei Veranstaltungen auf, wie die Thüringer Allgemein berichtet. Thrum gilt als sein enger Gefolgsmann.
Der unterlegene AfD-Kandidat interpretiert das Ergebnis dennoch als Erfolg. „Scheinbar hat es sich rumgesprochen, dass sich nicht jeder von der Schmutzkampagne hier beeinflussen lässt“, sagte Höcke. „Wir bleiben am Ball und machen Politik fürs Volk.“
Höcke erklärte, Thrum habe die Aufmerksamkeit des ganzen Landes auf den Landkreis gezogen. „Und die gegnerischen Kräfte des ganzen Landes brauchte es, um in der Stichwahl das Blatt noch einmal zu wenden.“
AfD-Anhänger stimmten im Schleizer Landratsamt, wo sich die Kandidaten versammelten, immer wieder Sprechchöre an, die Thrum anfeuerten und sangen die Nationalhymne. Voigt und Herrgott wurden beschimpft.
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Wahlbeteiligung höher als vor sechs Jahren
Von den über 66.000 Wahlberechtigten beteiligten sich rund 69 Prozent an der Stichwahl. Im ersten Durchgang vor zwei Wochen hatte die Wahlbeteiligung bei rund 66 Prozent gelegen und war damit schon doppelt so hoch wie bei der letzten Landratswahl 2018. Den ersten Wahlgang hatte Thrum mit 45,7 Prozent der Stimmen dominiert. Herrgott kam auf 33,3 Prozent. Die Thüringer AfD wird vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft und beobachtet.
Deutschlandweit gingen am Wochenende wieder Hunderttausende Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße. Allein in Düsseldorf waren laut Polizei bis zu 100.000 Menschen auf den Beinen.
Auch in Thüringen kamen mehrere Tausend Menschen zu Protesten. Im Freistaat stellte sich vergangene Woche auch ein breites Bündnis aus über 3400 Kommunen, Verbänden, Unternehmen, Kirchen und Einzelpersonen unter dem Titel „Weltoffenes Thüringen“ der Öffentlichkeit vor.
Die Wahl galt als erster Stimmungstest für die anstehenden Wahlen in Thüringen. Im Mai werden im Freistaat etliche Landrats- und Oberbürgermeistersessel neu besetzt. Am 1. September steht die Landtagswahl an. Die AfD liegt in Umfragen weit vorn, zuletzt erreichte sie stets Werte über 30 Prozent. Ähnlich sieht es in Sachsen und Brandenburg aus, wo im Herbst ebenfalls Wahlen anstehen.
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Niedriges Lohnniveau im Landkreis
Der ländlich geprägte Saale-Orla-Kreis liegt im Südosten Thüringens und grenzt an Bayern und Sachsen. Nach Daten der Statistischen Landesämter gehörte er 2021 mit 29.048 Euro brutto deutschlandweit zu den zehn Landkreisen mit den niedrigsten Gehältern pro Arbeitnehmer. Etwa 40 Prozent der Beschäftigten seien im Mindestlohnsektor, hieß es vom Deutschen Gewerkschaftsbund Hessen-Thüringen.
Der Kreis hat, wie andere Regionen Thüringens auch, mit sinkenden Einwohnerzahlen zu kämpfen: Während 1994 noch 103.000 Menschen dort lebten, waren es Ende 2022 rund 79.000 – die Hälfte davon war 50 Jahre und älter. Die größte Stadt Pößneck hat rund 12.000 Einwohner.
Ein Landrat muss als Chef der Kreisverwaltung vor allem Beschlüsse des Kreistages, aber auch von Landtag und Bundestag umsetzen. Außerdem kann er regionale Fragen klären wie die Kita-Betreuung oder die Sanierung von Gebäuden und Straßen.
Auch bei der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen im Kreis können Landräte Entscheidungen treffen. Zuletzt hatten in Thüringen etwa mehrere CDU-geführte Landkreise Bezahlkarten für Geflüchtete eingeführt. mit dpa
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