Düsseldorf. Jacques Tilly zerstört Veilchendienstag traditionell viele seiner Mottowagen. Einer war dieses Jahr sehr explizit. Was Tilly zu der Kritik sagt.
Es ist noch keine 24 Stunden her, dass sich der Rosenmontagszug in seine Einzelteile aufgelöst hat. Und schon werden die schönen Wagen wieder kaputt gemacht. Hektisches Treiben herrscht am Dienstagvormittag (13. Februar) rund um die Wagenbauhalle des Comitee Düsseldorfer Carneval (CC) am Steinberg. Mit Traktoren werden die neben dem Balletthaus geparkten Motto- und Vereinsvehikel in die Halle und auf den Vorplatz gezogen. Drinnen machen sich Leute mit roten Zugleitung-Pullovern über das Pappmaché vom Prinzenpaar-Wagen her, reißen dann auch den dahinter liegenden Draht ein. Draußen legt Jacques Tilly selbst Hand an. Mit einem spitzen Hammer schlägt er den Pappkopf von Donald Trump ein. Dann schaut Düsseldorfs Obernarr in das Loch hinein und sagt: „Kein Gehirn, war ja klar.“
Die Zerstörung der Mottowagen ist ein gern gesehenes Fotomotiv für Journalisten einen Tag nach Rosenmontag. Wobei nicht alle der insgesamt 13 Kunstwerke „in der Tonne landen“, wie Tilly verrät. Der AfD-Wagen mit der Maske könnte bei Demonstrationen gegen Rechts noch gebraucht werden, denkt der Künstler laut nach. Der Fisch-Wagen mit der Aufschrift „Wir sind mehr“ soll auch erhalten bleiben. Das „Hohlaf“-Vehikel, das den Bundeskanzler übel aufs Korn nimmt, soll sogar an einen noch ungenannten Interessenten verkauft werden.
Das Jahr fängt für Tilly erst nach Rosenmontag an
Genug zu tun, genug abzustimmen also für den weltberühmten Satiriker – auch noch einen Tag nach dem Karnevalshöhepunkt in der NRW-Landeshauptstadt. Wobei: „Bei mir verschiebt sich Silvester und Neujahr immer etwa zwei Monate nach hinten“, sagt Tilly. „2024 hat eigentlich jetzt erst für mich begonnen.“ Wobei Tillys Kunst beim „Zoch“ immer auch seine Nebenwirkungen hat. Die Hass-Mails, erzählt Tilly am Rande der Zerstörungsorgie, haben seit 2015, also seit dem Erstarken der AfD, so richtig an Fahrt aufgenommen. Aber er sei „angstfrei“, meint er. „Keine Ahnung, vielleicht bin ich da ja stumpf. Und meine Frau sagt immer: Wenn sie Dich schon umbringen, dann für einen richtig guten Wagen.“
In diesem Jahr waren wieder zahlreiche bissige Beiträge Tillys dabei. Scharfe Kritik kam am Dienstag vom Vorstand des Vereins Zartbitter, der sich gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern einsetzt. Der Verein aus Köln nahm den „From Russia With Love“-Wagen in den Fokus, der den oralen Sexualverkehr eines russisch-orthodoxen Geistlichen mit Putin abbildet. „Auch wenn man Verständnis für satirische Darstellungen der Beziehung der russisch-orthodoxen Kirche zu Putin haben mag, es ist unverantwortlich, eine derartige Darstellung von Erwachsenensexualität auf einem Event für Familien zu präsentieren – und das ist der Rosenmontagszug allemal“, heißt es seitens des Vereins. Dazu Tilly: „Die Kritik nehm ich ernst, ein Teil von mir sieht das genau so, wobei die sexuelle Handlung auf dem Wagen nicht als solche erkennbar ist. Aber ja, es war von vornherein eine Dilemma-Situation. Die Kritik ist nun der Preis, den wir für harte Satire bezahlen müssen.“
Dabei ist der Putin-Wagen eigentlich Tillys Lieblingswagen: „Eine volle Breitseite gegen Russland und gegen die Homophobie, die dort herrscht. Und es zeigt das verhängnisvolle Bündnis zwischen Thron und Altar“, sagt das Enfant terrible des Karnevals. „Und daher freue ich mich, dass das Comitee auch diesen harten Wagen durchgewunken hat.“