Düsseldorf. Düsseldorfer Heine-Uni: FDP-Spitzenpolitikerin Strack-Zimmermann gab sich die Ehre. Ihr Appell wandte sich aber nicht nur an die Studierenden.

Hoher Besuch in der Düsseldorfer Uni: Am Mittwoch, 24. Januar, fand im großen Hörsaal der Heinrich-Heine-Universität (HHU) eine Diskussion zum Thema „Mehr Europa – zu welchem Preis?“ zwischen der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), und dem Düsseldorfer Ökonomie-Professor Jens Südekum statt. Der Andrang war „unerwartet hoch“, wie die veranstaltende Fachschaft des Studiengangs Philosophy-Politics-Economy verriet. Mehr als 300 Anmeldungen standen zu Buche, vor allem aus den Reihen interessierter Studierender.

Die wichtigste Europawahl, die es je gab

Wie hoch wird der Preis für Europa sein, begann Moderator Sebastian Krieger die Diskussionsrunde. Und beide Diskutanten waren sich einig: „Er wird sehr hoch sein.“ – Die Spitzenkandidatin der FDP für die Europawahl am 9. Juni fügte hinzu: „Und er wird sogar noch höher, wenn wir Europa erhalten wollen. Diese Wahl wird die wichtigste Europawahl, die es je gab.“ Und auch hier gab es Zuspruch vom Professor: „Früher kam erst die Bundestags-, dann die Landtags-, dann die Kommunalwahl. Dann lange nichts. Und dann die Europawahl.“ Genau deswegen sei sie in der Vergangenheit auch immer wieder zur Protestwahl verkommen, doch „wer sich die Welt von heute ansieht, weiß wie wichtig diese Wahl wird“.

Auch und gerade aus Düsseldorfer Perspektive. Die gebürtige Niederkasserlerin Strack-Zimmermann nannte Düsseldorf eine „rheinische, aber eben auch eine europäische Stadt“. Mit ihren über 180 hier vertretenen Nationen „über Europa hinaus“ sogar eine internationale Stadt. Sich selbst bezeichnet sie als „glühende Europäerin deutscher Nation und emotionale Rheinländerin“, deswegen die Entscheidung, bei der Europawahl anzutreten.

Ein Appell an die Generation Z

Solche Termine, wie der in der HHU, seien wichtig, um „der jungen Generation, die in einer völlig anderen Zeit geboren ist als ich, klar zu machen, dass wir in einem Status Quo eben, der eben ganz schnell kaputt gehen kann“. Und eindringlich fügte sie hinzu: „Und zwar wirklich ganz schnell.“ Da gebe es nur eine Lösung: Mehr Europa.

Strack-Zimmermann (re.) auf dem Podium im Hörsaal.
Strack-Zimmermann (re.) auf dem Podium im Hörsaal. © Heine-Uni

AfD-Vorsitzende Alice Weidel sorgte indes kürzlich mit Spekulationen über einen möglichen EU-Austritt Deutschlands (Dexit) nach britischem Vorbild für Gesprächsstoff. Strack-Zimmermann hatte dazu eine zunächst überraschende Antwort: „Es ist gut, dass sie es mal ausgesprochen hat. Wenn man den Leuten sagt, die AfD will nach Europa, um Europa aufzulösen, dann sagen manche: Was erzählt die Strack-Zimmermann da? Aber genau das ist die Realität der Nationalisten in allen Ländern Europas. Sie lassen sich in das Europäische Parlament zu, um es letztlich zu zerstören, und dann anschließend wieder übereinander herzufallen. Die Nationalisten sind nur vereint in der Frage des Zerstörens.“ Einmal gewählt, würden sie uns „um Jahrzehnte zurückwerfen. Und diese Gefahr ist real“.

Man kann Nationen das Stimmrecht entziehen

Aber wie kann Europa sich wehren, wenn die Nationalisten bereits im Parlament sitzen? „Sie sind zu allererst mal gewählt. Aber die anderen Fraktionen müssen sich geeint dem entgegenstellen. Länder, die Teil der Europäischen Union sind und bedauerlicherweise wie Ungarn sich nicht an unsere Werte mehr gebunden fühlen, die kann man nicht aus der EU werfen. Aber – das erlaubt der gesetzliche Rahmen – man kann diesen Nationen das Stimmrecht entziehen. Und es wird, wie im Falle von Ungarn, Zeit, dies zu tun.“

Wichtig sei aber auch, dass in Europa Konsens darüber bestehe, von wem die Bedrohung eigentlich ausgeht. „Wir müssen die Gefahren mitdenken. Denn nur so kann man intelligente Entscheidungen treffen.“ Die „Gesellschaft muss wissen, wo unsere Feinde sind: Allen voran Wladimir Putin, aber auch in China, im Iran, in Nordkorea.“ Und im Moment merke man, dass die Systeme, die gegen Europa seien, „ausprobieren inwieweit Europa bereit ist, seine Werte auch zu verteidigen“. Es gebe „eine Menge Schurken, die sich jetzt zusammen tun. Die Anzahl derer, die wie wir demokratisch wählen, ist in der Minderheit.“

Strack-Zimmermann: Eine europäische Armee „ist wichtiger denn je“

Und sie stellte klar: „Sicherheitspolitisch werden wir nur europäisch bestehen können, das ist keine nationale Frage mehr.“ Dementsprechend befürwortete Strack-Zimmermann auch eine gesamteuropäische Armee: „Das fordern wir seit Jahren – und jetzt ist die Zeit gekommen.“ Einfach sei ein solches Projekt nicht, die nationalen europäischen Armeen seien äußerst heterogen. Das gleiche gelte auch für die Bedrohungslagen, aber: „Wir werden unsere Werte, unseren Wohlstand, all das, woran wir uns gewöhnt haben, nur gemeinsam verteidigen können.“ Es sei nicht einfach, einiges werde aber schon praktiziert: so arbeiten Bundeswehr und niederländische Krijgsmacht „ganz eng zusammen, die sind zum Teil engstens verflochten“. Auch die deutsch-französische Brigade nannte die Verteidigungsexpertin in diesem Zusammenhang. „Es gibt so enge Verbindungen, jetzt ist es an der Zeit, diesen Weg weiter zu gehen.“

Dazu gehöre es aber auch, das „Soldatendasein“ in Deutschland wieder öffentlich zu stärken. „Die Akzeptanz von Soldaten in Deutschland ist schon gestiegen.“ Dies sei wichtig, als Beispiel könnten hier etwa die Invictus-Games und ihr Erfolg herhalten. Strack-Zimmermann wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sie im Düsseldorfer Stadtrat einen Antrag gestellt und OB Keller aufgefordert habe, „dass aktive Soldaten und Soldatinnen in Düsseldorf günstiger Eintrittskarten für Kultureinrichtungen bekommen sollen.“ Passiert sei trotz Zusage nichts, was sie bedauere: „Es wäre ein Signal gewesen und ein Vorbild für andere Kommunen.“ Gerade nach den Invictus Games hätte es das Momentum gegeben.

Bald im europäischen Parlament

Solche Maßnahmen, den Beruf des Soldaten attraktiver zu machen, seien aber auch deswegen wichtig, weil die Bundeswehr angesichts der Herausforderungen mehr Personal braucht: „Wir haben um die 182.000 Soldaten, die Zielmarke ist 203.000.“ Daher hatte sich Strack-Zimmermann auch dafür ausgesprochen, den Vorschlag des Verteidigungsministers entsprechend zu prüfen, Ausländer in die Armee aufzunehmen: „Die Idee dahinter ist, auf einen größeren Pool zurückgreifen zu können. Gerade mit Blick auf eine europäische Armee, ist es nicht mehr erforderlich, diese nationalen Unterschiede zu machen. Entscheidend ist der Schwur auf unser Grundgesetz. Ob der Soldat dann EU-Staatler oder NATO-Staatler ist, ist nicht mehr wichtig. Die Debatte darüber muss sachlich geführt werden, und ich glaube, dass es dafür eine breite Mehrheit im Parlament für gibt.“

Die voraussichtlich nächste Wirkungsstätte von Strack-Zimmermann wird indes nicht mehr der Deutsche Bundestag, sondern das Europäische Parlament sein. In der Diskussionsrunde kam die Frage auf, mit welchem Ergebnis sie für die FDP rechne. „Ich hoffe, dass wir soviel Prozentpunkte bekommen, wie der Düsseldorfer Killepitsch hat: 42.“ Und nach der heiteren Reaktion des Publikums fügte sie hinzu: „ Ich möchte natürlich so viele Stimmen wie möglich. Das liegt in der Natur der Sache, wenn man sich zur Wahl stellt.“ Ihr Appell an die Studierenden der HHU geht aber darüber deutlich hinaus: „Wir können politisch streiten, unterschiedlicher Meinung sein. Aber es ist von hoher Relevanz, dass Sie sich nicht ins Private zurückziehen. Engagieren Sie sich. Europa ist Ihre Zukunft. Sie haben keine andere.“