Berlin. Der nächste große Ampel-Streit? Die FDP will zurück zur Atomkraft. Bei Lanz verteidigt Fraktionschef Dürr den Vorstoß seiner Partei.
„Keiner von uns kann in die Zukunft schauen“, wirft Ökonom Jens Südekum zum Ende der Sendung in die Runde. Und dennoch ging es am Dienstagabend bei Markus Lanz genau darum. Genauer gesagt, um die Fragen, wie Deutschland seine Energiepreise runterbringen kann, ohne die ökologischen Konsequenzen aus den Augen zu verlieren.
„Markus Lanz“ – Das waren die Gäste:
- Christian Dürr, FDP-Fraktionschef
- Ursula Weidenfeld, freie Journalistin (u.a. „Der Spiegel“)
- Jens Südekum, Ökonom und VWL-Professor der Universität Düsseldorf
- Harald Welzer, Sozialpsychologe
Auslöser der Diskussion war ein neuer Vorschlag der FDP, den quasi gerade erst beschlossenen Rückbau der noch funktionierenden Kernkraftwerke wieder zu stoppen. So wolle die Partei gewährleisten, dass Deutschland in der gegenwärtigen Krise handlungsfähig bleibe und die Stromversorgung zu stabilen Preisen weiter gewährleistet werde.
„Wir brauchen mehr Kapazität, mehr Optionen“, erklärte Fraktionschef Christian Dürr am Dienstagabend bei Markus Lanz, da Wind und Sonne nicht reichen würden, um den Strompreis zu stabilisieren. Dazu gehöre für die FDP nicht nur die Nutzung der noch vorhandenen Atomkraftwerke, sondern auch die Möglichkeit, Kernkraftwerke der neuen Generation nach amerikanischen Vorbild für Deutschland bauen zu lassen.
Atomkraft: Vorstoß der FDP verärgert Partner der Ampel-Koalition
Mit ihrem Vorstoß schürt die FDP, nur wenige Tag nach der unglücklichen Kabinettsklausur in Meseberg, neue Konflikte in der gebeutelten Ampel-Koalition. Von den Koalitionspartnern hagelte es Kritik. Kanzler Olaf Scholz betonte: „Das Thema Kernkraft ist in Deutschland ein totes Pferd“.
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Auch Ökonom Südekum kann die Offensive der FDP nicht nachvollziehen. Er erklärte, dass zum Zeitpunkt des deutschen Atomausstiegs gerade einmal sechs Prozent des Stroms aus den noch laufenden Kernkraftwerken gestammt hätten. Seitdem hätte der Ausbau der erneuerbaren Energien rasant an Fahrt aufgenommen. Zudem würden die neuen LNG-Terminals das fehlende Gas aus Russland sogar überkompensieren. „Das Stromsystem der Zukunft ist erneuerbar mit Gas als Backup.“ Dürr widersprach an dieser Stelle: Deutschland wäre nicht mehr wettbewerbsfähig, wenn der Energiebedarf selbstständig aus erneuerbaren Energien gedeckt werden müsste.
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Industriestrompreis: „Wir müssen für unsere Jobs kämpfen“
Skeptisch ist der Politiker der Runde auch, als Südekum den von den SPD und Grünen geforderten Industriestrompreis zur Sprache bringt. Dieser sieht vor, den Strompreis von besonders energieintensive Unternehmen für eine bestimmte Zeit zu vergünstigen, bis ausreichend Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. Ein Vorschlag, der nach Ansicht des Ökonoms eine Abwanderung wichtiger Industrien aus Deutschland verhindern könnte.
Sobald Sicherheit über den gedeckten Industriestrompreis herrsche, würden die Firmen ihre Investitionen wieder in Deutschland tätigen, meinte Südekum. Investitionen, die bei Unsicherheit wahrscheinlich in anderen Teilen der Welt landen werden. „Wir müssen für unsere Jobs kämpfen“, erklärte er bei Markus Lanz. Die Industrie sei für den flächendeckenden Wohlstand in Deutschland verantwortlich. „Sollte das aus den Fugen geraten, mache ich mir ganz große Sorgen", sagte er.
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Strompreis: Dürr fordert Senkung der Energiesteuern für alle
Auch dazu hatte FDP-Fraktionschef Christian Dürr eine klare Position: „Es ist unsinnig, die Preise erst künstlich hochzutreiben, um sie dann mit dem Steuerzahlergeld wieder zu subventionieren“, meinte er. Er wolle die Preise deshalb von Anfang an lieber niedrig halten und fordert eine Senkung der Energiesteuern für alle.
Eine andere, viel grundsätzlichere Frage stellte währenddessen der Soziologe Harald Welzer in die uneinige Runde. „Den Wandel kriegt man doch nicht hin, indem man das, was man hat, um jeden Preis festhalten möchte“, kritisierte er. Bei der ganzen Diskussion um steigende Energiepreise oder Lieferengpässen werde immer davon ausgegangen, dass wir permanent mehr Energie bräuchten. Das sei jedoch kein Naturgesetz. „Warum reden wir nicht darüber, wie wir aus dieser ökologischen und klimatologischen Notwendigkeit dazu kommen, weniger Energie zu verbrauchen?“
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