Düsseldorf. An diesem Montag hat die Protestwoche der Bauern begonnen. Auch in Düsseldorf legten Treckerkonvois den Verkehr lahm. Die Stimmen zur Lage.
Die Bauernproteste starten in die heiße Phase. Zu ihrer angekündigten Sternfahrt machten sich am Montag Bauern aus dem ganzen Düsseldorfer Stadtgebiet auf. Der Düsseldorfer Landwirt Christoph Sonnen hat den Protest mitorganisiert. Nun ist er erleichtert: „Es ist nichts passiert. Wir wurden gesehen: Topp.“
Sonnen stand den ganzen Tag mit der Düsseldorfer Polizei in Kontakt, hätte im Fall des Falles den Kopf hinhalten müssen. Feierabend hat er zwar noch nicht, schließlich müssen die Pferde auf der Weide auf seiner Reitanlage im nördlichen Stadtteil Angermund noch getränkt werden, doch die erste Hürde ist genommen.
Düsseldorfer Bauer: „Wir haben immer mehr Auflagen zu erfüllen“
Doch was wollen die Bauern? „Wir wollen keine weiteren Auflagen, keine Steuererhöhungen mehr“, erklärt Sonnen. Die Ankündigung der Bundesregierung, die Befreiung von der Kfz-Steuer und die Agrardieselsubventionen zu streichen, seien nur der „Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat“. Das Problem liegt tiefer. „Wir Bauern haben immer mehr Auflagen zu erfüllen“, das verteure das Endprodukt. „Die großen Supermärkte wälzen die Preise auf uns ab.“ Die Märkte können sich aussuchen, wo sie kaufen: „Und wir bleiben auf der Ernte sitzen“.
Hinzu komme das Verhalten der Konsumenten: „Zuletzt greifen Kunden zur günstigen Ware“ – und die sei häufig importiert, zu ganz anderen Bedingungen produziert. Eine Forderung daher: „Wir wollen, dass importierte Waren den deutschen Anforderungen entsprechen.“
Sonnen meint, die Politik habe es einfach mal versucht. Mit den Landwirten habe man es bisher immer machen können. Den Bauern gehe es nicht ums Geld: „Wir gehen nicht nur für unsere Familien und Betriebe auf die Straßen, sondern auch für die Verbraucher. Wir wollen gute, regionale Produkte machen. Aber wir müssen auch konkurrenzfähig bleiben.“
Unterwanderung durch rechte Kräfte?
Dass es Sorgen gibt, der Bauernprotest könnte von Rechten unterwandert werden, sieht Sonnen ein. Er betont, dass bei der Aktion keine Rechtsradikalen mitgemacht haben: „Deswegen haben wir auch im Vorfeld nichts verraten, damit es nur Bauern sind, die demonstrieren. Wir wollen nicht vereinnahmt werden. Es ist unser Protest.“
Jürgen Gocht (Grüne), stellvertretender Bürgermeister im Stadtbezirk 5, sagt: „Olaf Scholz hätte wissen müssen, was passiert.“ Dass die Bauern erbost sind, kann Gocht nachvollziehen. „Es ist eine andere Politik gefragt.“ Im Bezirk 5, zu dem auch Wittlaer und Angermund gehören, gibt es viele landwirtschaftliche Betriebe. Gocht lobt das Miteinander: „Jeder Bauer im Bezirk ist mir lieb.“ Das Problem heiße „Olaf“: Das fatale Signal, die Forderungen erst nicht zu kommunizieren und sie dann bei Protest direkt zurücknehmen, treibe die „rechten Ränder nach oben“. Und „das, wo in drei Ost-Ländern Wahlen anstehen. Die haben 40 Jahre Kultur nachzuholen. Da weiß man doch, was passiert“.
Ulrich Hampe, CDU-Fraktionsvorsitzender und Mitglied der Bezirksvertretung 9, zu der auch Himmelgeist und Itter gehören, hat ebenfalls Verständnis. „Ich kann nachvollziehen, dass Landwirte ihrem Unmut Luft machen.“ Außerdem seien „wir alle an guten, lokalen Lebensmitteln interessiert.“ Daher würde es für die Proteste eine gewisse Toleranz geben. Allerdings sei es letzten Endes eine Frage der Verhältnismäßigkeit: „Wenn der Protest nicht ausartet, dann ist es ein guter Protest.“
Linkenpolitikerin: „Wir befürworten die Proteste“
Julia Marmulla, Fraktionsvorsitzende der Linken im Stadtrat, konstatiert: „Wir befürworten die Proteste.“ Auch dass der Bauernverband sich von rechten Kräften distanziert hat, findet sie gut. Das Problem liege tatsächlich bei der Ampel-Koalition, die „sich einen Knaller nach dem anderen“ leiste. Problematisch sei auch, dass bei Wegfall der Subventionen die Lebensmittel teurer würden: „Für Menschen mit geringem Einkommen ein Unding.“ Dass Proteste wie der am Montag die Verkehrslage beeinträchtigen, liege in der Natur der Sache: „Wir als Landeshauptstadt sind das ja gewohnt.“
Ulf Montanus (FDP) wiederum will dieses Argument nicht gelten lassen: „Ich bin für Demonstrationen. Grundsätzlich aber ist es schwierig, wenn die Freiheit von anderen beschnitten wird, wie bei einem solchen Protest.“ In dem Moment, in dem öffentliche Straßen blockiert würden, sei es „eine kritische Nummer“. Das gelte für Klimakleber genauso wie für Bauern. Nichtsdestotrotz: „Die Politik muss sich die Forderungen anhören und entsprechend reagieren.“
Zanda Martens (SPD) hält den Protest hingegen für legitim: „Das gehört zur Demokratie.“ Dass Straßen blockiert werden, sei normal: „Ich habe auch bei der Letzten Generation keine Schnappatmung bekommen“, sagt die Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der SPD Düsseldorf. Allerdings müsse die Frage gestellt werden, wann das „Maß überschritten werde“. Martens meint, es gebe rechte Gruppen, die die Proteste ausnutzen: „Jedes Mal, wenn sich ein Protest formiert, springen Rechte auf.“ Sie gibt aber auch zu, dass „in der Ampel Entscheidungen schlecht kommuniziert wurden.“ Das ziehe sich „wie ein roter Faden durch die Koalition. So viele Maßnahmen so plötzlich durchsetzen zu wollen, ist problematisch.“ Durch Gespräche hätte man die Reaktion abmildern können, glaubt die SPD-Politikerin.
Die Bevölkerung scheint hinter den Bauern zu stehen
Derweil scheint der Rückhalt in der Bevölkerung hoch zu sein. Joachim von Holtum, Landwirt an der nördlichen Düsseldorfer Stadtgrenze, berichtet von überwiegend positiven Rückmeldungen. Wahrscheinlich, so seine Vermutung, weil die Menschen nachvollziehen können, wie bevormundet sich die Bauernschaft fühle. „Wir Bauern haben ja schon verzichtet, 90 Millionen Euro Kürzungen im Agrarhaushalt hingenommen, aber es kommen immer weitere Auflagen.“ Bisher habe man den Bauernverband, in dem von Holtum auch tätig ist, nicht gefragt. Vielmehr würden Weisungen erteilt. Doch: „Nur wenn man mit uns spricht, können wir etwas unternehmen.“
Tatsächlich scheint der Eindruck, Bürger solidarisierten sich mit den Bauern, zuzutreffen. Als der Trecker-Konvoi am Montagvormittag den Rheinufertunnel passierte, sagten Schaulustige auf der Plattform des Stadttors, dass sie den Protest verstehen können. „Dass das einfach so im Hauruckverfahren durchgeboxt werden sollte, ist nicht in Ordnung.“ Ob die Subventionen nun weiterlaufen sollen, sei schwer zu sagen: „Ich denke, es müssten überhaupt mal Gespräche stattfinden.“