Düsseldorf. In Düsseldorf soll die soziale Betreuung von Geflüchteten zum 1. Januar 2024 wegfallen. Wohlfahrtsverbände schlagen Alarm.
Düsseldorfs Wohlfahrtsverbände schlagen Alarm: Zum 1. Januar 2024 soll der Etat für die soziale Betreuung von Geflüchteten in der Landeshauptstadt von knapp zwei Millionen Euro beinahe komplett ersatzlos gestrichen werden. Das zumindest sieht der Haushaltsplan des Amtes für Migration und Integration für das kommende Jahr vor.
Dass sich an diesem Freitag (24. November) deshalb acht Vertreter der Düsseldorfer Wohlfahrtsverbände im Ulrich-Bach-Haus an der Haifastraße im Stadtteil Oberbilk an einen Tisch setzten, um einen Appell an die Schwarz-Grüne-Koalition zu richten, mache deutlich, dass die Situation „dramatisch ist“, sagt Michael Schmidt, Sprecher der Düsseldorfer Liga Wohlfahrt. Denn: „Das gefährdet ganz konkret die Integration dieser Menschen.“
Besondere Bedarfe für Geflüchtete
In den Unterkünften vor Ort wäre eine Betreuung der Menschen dann zum kommenden Jahr nicht mehr möglich, mahnen die Vertreter der Verbände. Dazu zählen unter anderem die Hilfe bei Amts- und Behördengängen, Unterstützung bei der Suche nach medizinischer Versorgung, oder Sprachkurse, die dort bislang angeboten wurden.
Derzeit kümmern sich die Sozialträger mit fast 25 Vollzeitstellen und vielen Ehrenamtlern um die rund 3000 Geflüchtete in den Einrichtungen. Ziel sei dabei auch, die Menschen möglichst schnell nach Anerkennung ihres Aufenthaltsstatus in Wohnungen zu vermitteln und ihre Integration in die Stadtgesellschaft zu fördern. Auch bei finanziellen und Suchtproblemen geben die Berater Hilfestellungen. „Wie soll das aber noch funktionieren, die Menschen zu versorgen, wenn es dafür keine Mittel mehr gibt?“, fragt daher nun Schmidt.
Zumal es auch weitere besondere Bedarfe für die geflüchteten Menschen gibt, wie Oliver Targas, Abteilungsleiter für Beratung und soziale Integration bei der Diakonie Düsseldorf, erklärt: „Es muss ja auch Beratungen über Pflegeangebote wie ambulante Pflege geben. Außerdem leben die Menschen in den Unterkünften auf beengtem Raum. Das birgt natürlich auch Konfliktpotenzial. Das Konfliktmanagement vor Ort fällt dann weg. Nur, wie soll das ab Januar laufen?“
Direkte Beratung spielt zentrale Rolle für Integrationsprozesse
In Hinblick auf den angespannten Arbeitsmarkt sei die Fortsetzungen der engen Betreuung in den Unterkünften ebenfalls weiter wichtig, meint Thomas Jeschkowski, Vorstand beim Kreisverband des Deutschen Roten Kreuz (DRK) und Leiter der Geflüchteten-Unterkunft an der Moskauer Straße. Vor allem, weil in den Einrichtungen viele potenzielle Auszubildende und Fachkräfte leben: „Das sind alles Menschen, die in die Pflege gehen können, als Bus- oder Bahnfahrer bei der Rheinbahn, oder in Gastronomie-Betrieben anfangen könnten.“
Auch für Perihan Tosun vom DRK spielt die direkte Beratung in den Unterkünften eine zentrale Rolle für Integrationsprozesse: „Viele geflüchtete Menschen sind auch nicht so mobil und können nicht einfach ins Regelsystem integriert werden, wenn sie die Sprache nicht sprechen, wichtige Anlaufstellen nicht kennen und niemanden haben, der ihnen hilft. Deswegen muss bei der Integration dieser Menschen eine engmaschige Betreuung vorausgesetzt werden.“
Keine Kommunikation mit dem Migrationsamt
Von der geplanten Etat-Kürzung des Migrationsamtes habe die Liga-Wohlfahrt Ende Oktober erfahren, wie Michael Schmidt berichtet. Jedoch nicht von offizieller Stelle verrät der Wohlfahrtssprecher: „Erste Hinweise haben wir am 24. Oktober bei der Haushaltsrede des Ausschusses für Gesundheit und Soziales erhalten. Wir haben uns dann anschließend auf Recherche begeben und in weiteren Gesprächen mit der Stadt von den Plänen erfahren. Seitens des Amtes für Migration ist mit uns aber nicht gesprochen worden. Da gab es keine Kommunikation“, kritisiert der Vorstandsvorsitzende der Diakonie Düsseldorf.
Daher habe sich die Liga Wohlfahrt nun mit einem offenen Brief an Oberbürgermeister Stephan Keller gewandt: „Soweit wir wissen, soll es nach politischen Beratungen nun zumindest nicht zu einem völligen Entfall der Mittel, sondern nur zu einer drastischen Reduzierung kommen“, erzählt der Diakoniepfarrer. Nach derzeitigem Stand würden von den 24,5 Vollzeitstellen sieben feste Jobs übrig bleiben. Zu wenig, meint Thomas Jeschkowski. Vor allem, weil die Stadt Düsseldorf für das kommende Jahr mit steigenden Flüchtlingszahlen rechnet. „Für eine adäquate Betreuung müssen wir mit Mitarbeitern vor Ort sein. Unter den geplanten Voraussetzungen kann man das Ganze aber eigentlich gleich sein lassen.“
Ein weiterer Kritikpunkt: Laut Liga Wohlfahrt sei von der Schwarz-Grünen-Stadtkoalition bislang kein alternatives Konzept vorgelegt worden, wie die Betreuung von geflüchteten Menschen in Düsseldorf künftig aussehen soll. Nach Angaben der Verbände seien die sieben derzeit vorgesehenen Vollzeitstellen auch kein Vorschlag aus der Politik, sondern auf Initiative der Liga Wohlfahrt ins Spiel gebracht worden.
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SPD kritisiert die Stadt
Auch die Ratsfraktion der Düsseldorfer SPD zeigt sich besorgt über den Plan der Stadtverwaltung, die Mittel für die Betreuung der geflüchteten Menschen drastisch zu kürzen, ohne den Gremien ein entsprechendes Ersatzkonzept vorgelegt zu haben. „Vor allem bin ich irritiert und verärgert über die fehlende Kommunikation seitens der Stadt mit der Liga Wohlfahrt“, schimpft die Co-Vorsitzende der SPD-Fraktion, Sabrina Proschmann.
Die Sozialdemokraten halten es daher „in Zeiten steigender Geflüchtenzahlen für das absolut falsche Signal, bei der Betreuung in den Unterkünften zu sparen“, wie es in einer Mitteilung heißt. Die enge Beratung und Betreuung sorge laut SPD dafür, dass die Menschen sich schneller in ihrem neuen Leben in Düsseldorf zurechtfinden. Ohne diese Unterstützung bleiben die Geflüchteten unnötig lange abhängig von Hilfeleistungen des Sozialsystems, fürchtet die Ratsfraktion. Den Vorsitzenden des Ausschusses für Gesundheit und Soziales, Andreas Paul Stieber (CDU), nimmt die Düsseldorfer SPD daher in die Pflicht und fordert, dass das Thema auf die Tagesordnung des Ausschusses kommt, der am kommenden Dienstag (28. November) tagt, um umfassend über den Sachverhalt und seine Auswirkungen zu informieren.
Michael Schmidt appelliert nun an die Schwarz-Grüne-Koalition, aufgebaute und vorhandene Strukturen nicht zu zerstören: „Wir brauchen ausreichende Haushaltsmittel für die Betreuung von geflüchteten Menschen. Das ist die Basis für die Arbeit, die wir als Verbände leisten. Deswegen sollte die geplante Kürzung zurückgenommen werden.“