Düsseldorf/Cannes. Düsseldorfer Publikumsliebling spielt KZ-Kommandant Höß in „The Zone of Interest“ von Jonathan Glazer. Sieben Minuten Applaus und glasige Augen.
Sieben Minuten können sich wie eine kleine Ewigkeit anfühlen. Christian Friedel ist Applaus gewöhnt. Sehr viel Applaus sogar. Aber was der Publikumsliebling des Düsseldorfer Schauspielhauses jetzt beim Filmfestival in Cannes erleben durfte, das war eine Premiere, die ihn tief bewegt und gerührt hat.
Sieben Minuten Beifall bei der Premiere von „The Zone of Interest“ in Cannes
Nach der Uraufführung von „The Zone of Interest“, dem Film des Briten Jonathan Glazer, in dem die deutschen Schauspieler Christian Friedel und Sandra Hüller die Hauptrollen spielen, überschüttete das Publikum das Filmteam am Freitag sieben Minuten lang mit Beifall und Jubel. Im Smoking, mit schwarzer Fliege und weißem Hemd, lächelt Christian Friedel in die Kameras von „France TV“ und man hat das Gefühl, dass der 44-jährige Schauspieler und Musiker mit den Tränen kämpft, als Jonathan Glazer ihm über die Wange streichelt. Auch die Augen von Kollegin Sandra Hüller, Ensemblemitglied des Bochumer Schauspielhauses, wirken glasig.
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Martin Amis, Autor von „The Zone of Interest“, stirbt ausgerechnet am Tag der Filmpremiere
Es ist ein außergewöhnlicher Film, mit dem der britische Regisseur an der Côte d‘Azur ins Rennen um die goldene Palme geht. Glazer verarbeitet in seinem Holocaust-Drama „The Zone of Interest“ Motive des Romans von Martin Amis, der 2014 unter dem deutschen Titel „Interessengebiet“ erschienen ist und von der Familie erzählt, die direkt neben dem Konzentrationslager Auschwitz gelebt hat. Der britische Schriftsteller Amis starb ausgerechnet am Tag der Filmpremiere im Alter von 73 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung.
Christian Friedel spielt den Lagerkommandanten Rudolf Höß, der sich mit seiner Frau Hedwig (Sandra Hüller) und den Kindern gleich neben dem Vernichtungslager ein Familienheim eingerichtet hat. Während jenseits des Gartenzaunes Schüsse und Schreie der Lagerinsassen zu hören sind und der Rauch des Krematoriums gen Himmel strömt, zieht sich Familie Höß in ihre Familienidylle im Schatten des Todeslagers zurück.
Ben Kingsley, Nicole Kidman und Scarlett Johansson
Mit statischen Kameras und nüchternem Blick fängt Jonathan Glazer das Familienleben im Hause Höß ein. Eine Handschrift, die das Publikum bei der Premiere in Cannes feierte. Die Arbeit mit dem britischen Filmemacher bezeichnet Christian Friedel als „wahnsinnig inspirierend.“ Glazer, der in den 90er Jahren mit seinen kunstvollen Musikvideos für Bands wie Radiohead bekannt geworden ist, lässt sich viel Zeit zwischen seinen Filmen. Nach „Sexy Beast“ (2000) mit Ben Kingsley, „Birth“ (2004) mit Nicole Kidman und „Under the Skin“ (2013) mit Scarlett Johansson folgt nach zehn Jahren Pause jetzt „The Zone of Interest“ als vierter Film.
Die Dreharbeiten, die im Sommer 2021 begonnen haben, waren für Christian Friedel übrigens eine besondere körperliche Herausforderung. Er musste jede Menge Gewicht zunehmen, wieder abnehmen und für einen Nachdreh Ende 2022 dann noch mal zunehmen. Beim offiziellen Fotoshooting am Samstag in Cannes zwickte der Hosenbund offenbar nicht mehr. Es rutschte auch nichts, denn die Hosenträger ließ Friedel im pinken Shirt und mit schwarzen Boots lässig herunterhängen.
Am 28. Mai ist Christian Friedel wieder als „Dorian“ im Schauspielhaus Düsseldorf
Noch bis Samstag dauert das Filmfestival in Cannes. Am Sonntag, 28. Mai, wird Christian Friedel schon wieder als „Dorian“ auf der Bühne des Düsseldorfer Schauspielhauses stehen. Ob er auf der Rückreise eine goldene Palme im Gepäck hat, wird sich zeigen. Gehandelt wird „The Zone of Interest“ bei der Favoritenfrage aktuell jedenfalls sehr hoch.