Düsseldorf. Hamlet, Elser, Babylon Berlin: Es läuft für Schauspieler Christian Friedel. Statt Starallüren hat er Humor. Das beweist sein exklusives Selfie.
Christian Friedel kostet 4,95 Euro. Inklusive Versand bekommt man ihn für 6,40 Euro ins Haus. Ein Schnäppchen! Und ein hübsches Mitbringsel für einen lockeren Start in unser Interview. „Oh nein, um Gottes Willen“, sagt der Schauspieler und hält sich die nicht wirklich gut gemachte Pappmaske eines Versandhandels für Promi-Artikel vor das Gesicht. „Vielleicht tragen mich Menschen zu Halloween“, scherzt der 43-Jährige. Das in Kopfform ausgeschnittene Bild zeigt ihn mit glatt gegeltem Haar und blassem Teint. „Das könnte beim Deutschen Filmpreis gewesen sein.“ 2015 stand Christian Friedel dort als Nominierter für seine hoch gelobte Hauptrolle als Hitler-Attentäter Elser auf dem roten Teppich. Den begehrten Filmpreis Lola durfte er zwar nicht mitnehmen, aber dafür ist so vieles andere, was er seitdem beruflich angepackt hat, zumindest gefühlt zu Gold geworden.
Seit zehn Jahren steht Christian Friedel als singender Hamlet auf der Bühne
Das zeigt allein schon der rote Schriftzug „Ausverkauft“, der aktuell an sämtlichen Terminen seines Solo-Stücks „Dorian“ auf dem Spielplan des Düsseldorfer Schauspielhauses steht. Schnell sein muss hier auch, wer ihn als Hamlet erleben möchte. Und das, obwohl das Stück, das Friedel gemeinsam mit seiner Band „Woods of Birnam“ rockt, in diesem Jahr schon zehnjähriges Jubiläum feiert. Es hat Kultstatus erreicht und der Hauptakteur zählt die Vorstellungen akribisch mit: „Am 24. November ist es die 142.“
Hamlet, Dorian und bald auch wieder „Der Sandmann“ in Düsseldorf, ein ebenfalls chronisch ausverkaufter Macbeth (von ihm inszeniert und gespielt) in Dresden, wo er lebt. Dazu immer neue Filme, musikalische Projekte mit seiner Band und Serien. Aktuell ist er in der neuen Staffel der Krimi-Reihe Babylon Berlin als Polizeifotograf Reinhold Gräf zu sehen und im Dezember stehen weitere Dreharbeiten zu einem internationalen Filmprojekt an, über das er noch nichts verraten darf.
Als Sechsjähriger mit großer Show auf dem Schulhof aufgetreten
Wer den Mann mit den drei Berufen Schauspieler, Musiker und Regisseur (in dieser Reihenfolge) einst auf dem Hof seiner Schule in Magdeburg beobachtet hätte, wie er als Sechsjähriger auf einer Bank stehend umringt von Mitschülern Lieder und Texte zum Besten gab, der hätte schon damals ahnen können, dass das mit ihm so enden muss.
Mein Gegenüber lacht. „Ich will es mal so formulieren: Ich hatte schon immer einen natürlichen, aber sehr starken Drang, mich auszudrücken und andere zu unterhalten.“ Sein Talent, das vermutlich von den beiden musikalischen und mit kulturellem Gespür gesegneten Großvätern in seine Blutbahnen gespült wurde, drängte allerdings so heftig aus seinem Innersten hinaus, dass die Eltern gar nicht anders konnten, als ihrem fantasievollen Jungen die Freiheit zu schenken, sich nach seinen Neigungen zu entwickeln.
„Mein Vater war Arzt und er hätte es lieber gesehen, wenn ich auch Mediziner geworden wäre.“ Stattdessen hängte er in seiner Praxis Plakate des Theaterclubs auf, in dem sein Christian spielte, und half mit den Kulissen. „Meine Mama hat mich zum Theater gebracht und später Karten verkauft und meine Schwester hat die Maske gemacht.“ Es ist schön, mit welcher Dankbarkeit der 43-Jährige von seinen Eltern spricht. Man spürt, wie gut ihm die Erinnerung an den Rückhalt seiner Familie tut. Und wie tief die Trauer sitzt, dass beide Eltern schon so früh gestorben sind.
Das Album „Grace“ – eine musikalische Hommage an die geliebte Mutter
Mit dem Electro-Pop-Album „Grace“ hat er 2017 unterstützt von seiner Band den Verlust der geliebten Mutter musikalisch zum Ausdruck gebracht. Es sind hoffnungsfrohe Stücke dabei – für die Mama, die so gerne getanzt hat. „Die hätten ihr bestimmt sehr gefallen.“ Aber er singt auch Lieder wie das melancholische „Alone“, das beim Zuhören das Herz schmerzen lässt.
Christian Friedel trinkt einen Schluck Kaffee mit Hafermilch. Dazu teilen wir uns in der Theaterkantine des Düsseldorfer Schauspielhauses eine große Flasche stilles Wasser. Viel trinken ist wichtig, denn er kämpft mit den Überbleibseln einer Erkältung. „Die habe ich von einem Dreh am Ammersee.“ Gut, dass er erst am nächsten Abend wieder als Dorian auf der Bühne steht. Bis dahin, davon ist er überzeugt, wird es wieder gehen mit der Stimme. Heute hat der Schauspieler frei. Gleich nach unserem Interview wird er als Zuschauer in schwarzem Hemd und samtigem Jackett in Reihe zehn sitzen. Im neuen Stück „Cabaret“ - inszeniert von seinem befreundeten Kollegen André Kaczmarczyk.
Der sinnliche Theatermacher und sein Macbeth in Dresden
Durch die bodentiefe Scheibe sind immer mehr Gäste zu sehen, die ins Foyer gehen. „Das freut mich so, wenn die Leute ins Theater strömen“, sagt Christian Friedel. Er erinnert sich daran, wie die Mutter, die ein Abonnement hatte, ihn früher mitgenommen hat, wenn der Vater keine Lust hatte. „Das Theater war für mich schon immer ein magischer Ort.“
Mit seiner eigenen Macbeth-Inszenierung, die im September am Staatsschauspiel Dresden Premiere feierte und sich vor allem an ein junges Publikum richtet, will der 43-Jährige ein Stück dieser Magie aufleben lassen. „Ich möchte ein sinnliches Theater machen, das die Leute zum Staunen bringt“, beschreibt er seine Handschrift, die ihm nicht nur positive Kritiken beschert hat. Manch einer bemängelt, dass Friedel seinen Macbeth mit einer Bühnenshow überfrachtet hat. Konstruktive Kritik kann er gut annehmen. Dennoch steht er zu seinem Ansatz, ein Theater zu machen, das über den Bauch in den Kopf geht und nicht umgekehrt.
Die „egozentrische Phase in der Jugend“ ist zum Glück vorbei
Schauspiel-Kollegen kommen an unserem Tisch vorbei und werden von Christian Friedel kurz gedrückt oder geküsst. Im Hintergrund kann der Sound-Check des Bühnenorchesters via Bildschirm verfolgt werden. „Alles gut, wir haben noch Zeit“, sagt mein Gesprächspartner und schenkt in Ruhe Wasser nach, während um uns herum Aufbruchstimmung herrscht. In den sozialen Netzwerken loben die Fans, wie sympathisch, offen und bodenständig er trotz seines Erfolges ist. „Wir Schauspieler sind zwar das Gesicht und Herz des Theaters, aber wir sind doch nichts Besseres“, sagt er. „Theater ist ein gemeinschaftlicher Ort.“
Früher hat er davon geträumt, mal ein eigenes Theater zu haben. Heute weiß er: „Das könnte ich nur mit einem richtig guten Team zusammen.“ Dass man gemeinsam viel stärker als alleine sein kann, das hat Christian Friedel erst lernen müssen. „Erst nach meiner egozentrischen Phase in der Jugend, in der ich mich dann doch auch oft selbst überschätzt habe, bin ich zum Teamplayer geworden.“ Wie anders er das heute macht, dafür spricht ein Zitat seines Band-Kollegen Philipp Makolies: „Jeder, der mit Christian zusammenarbeitet, kann sich glücklich schätzen.“
Platz für Träume und Sehnsucht
Wenn das mal kein schönes Schlusswort ist. Obwohl – da sind noch seine Träume, über die man schreiben könnte. Beruflich würde er gerne mehr in internationalen Filmen spielen. Und privat gibt es die tiefe Sehnsucht, eine eigene Familie zu gründen. Fünf Minuten noch bis zur Aufführung. Christian Friedel muss los. Zum Abschied gibt es statt des Händedrucks eine Umarmung: „So machen wir das hier am Theater.“