Düsseldorf. Düsseldorfs OB Geisel sieht für geplantes Großkonzert kein größeres Risiko als im Freibad. Die Veranstaltung ist umstritten. Wir erklären, warum.
Die Kritik an dem geplanten Konzert in der Düsseldorfer Merkur Spiel-Arena reißt nicht ab. Bei der Veranstaltung vor rund 13.000 Zuschauern treten am 4. September Stars wie Sarah Connor, Bryan Adams und Rea Garvey auf. NRW-Chef Armin Laschet (CDU) übte scharfe Kritik an Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) und warf ihm Profilierungsversuche vor. Der SPD-Politiker zeigte sich überrascht und betonte, er sehe keinen Grund für eine Konzertabsage. Am Dienstag, 11. August, startete um 10 Uhr der Vorverkauf. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Warum ist das Konzert so umstritten?
Trotz zuletzt steigender Infektionszahlen soll das Konzert vor rund 13.000 Zuschauern stattfinden. Damit wäre es deutschlandweit die erste Großveranstaltung seit Ausbruch der Corona-Pandemie. Kritiker zweifeln an der Umsetzbarkeit des Konzerts. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) warf Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) am Dienstag vor, sich wenige Wochen vor den Kommunalwahlen politisch profilieren zu wollen. „Ich hätte hier etwas mehr Sensibilität vom Oberbürgermeister erwartet.“
Laschet selbst halte die geplante Musik-Veranstaltung „für kein gutes Signal“. Es sei klar, dass bei einem solchen Großereignis „ganz Deutschland und viele in Europa auf diese Stadt gucken. Vielleicht war das auch die Absicht, dass man so auf diese Stadt gucken sollte“, so Laschet. Am 13. September finden in NRW Kommunalwahlen statt, bei denen der Sozialdemokrat Geisel erneut als Düsseldorfer Stadtoberhaupt antritt.
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Kritik kam am Dienstag auch von Mona Neubaur, Landeschefin der Grünen. Sie kritisierte Geisels Vorgehen als voreilig: „Das ist ein typischer Thomas Geisel, der erst den Weg in die Presse sucht für die schnelle Schlagzeile und dann hinterherlaufen muss mit der Gefahr, dass das ganze Ding so überhaupt nicht stattfinden kann.“ Bedingung für ein Großkonzert sei, dass keine zusätzlichen Infektionsketten entstehen könnten, sagte die Grüne in Düsseldorf.
Bereits am Montag hatte Markus Söder (CSU) Bedenken geäußert. „Ich möchte darauf hinweisen, dass ich das Zulassen von Konzerten mit 13.000 Leuten für absolut nicht vertretbar halte“, so Bayerns Ministerpräsident. Schon jetzt gebe es Schwierigkeiten, „bestimmte große Ansammlungen von Menschen in vernünftiger Form zu leiten und zu lenken“. Eine Veranstaltung in einem solchen Ausmaß konterkariere die bisherige Corona-Philosophie und verleite die Bevölkerung zu leichtsinnigem Verhalten. „Ich wundere mich, wie heutzutage alles politisiert wird“, sagte Geisel der „Süddeutschen Zeitung“ (Mittwoch). Er sprach von einem „politischen Profilierungs-Wettbewerb“ zwischen Laschet und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der dem Konzert eine „katastrophale Signalwirkung“ im Corona-Kampf bescheinigt hatte.
Die Kritik an der Musik-Veranstaltung ist nicht neu: Bereits am vergangenen Freitag hatte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann dem Düsseldorfer Gesundheitsamt vorgeworfen, die Veranstaltung „im Alleingang“ genehmigt zu haben. Er sei vom Vorgehen der Stadt „nachhaltig irritiert“ und habe rechtliche Zweifel. Eine Entscheidung der Landesregierung über ein eventuelles Verbot des Konzerts steht derzeit noch aus. Aus Regierungskreisen hieß es am Dienstag, dass es noch dringende Fragen gebe, die geklärt werden müssten. Das Kabinett hatte am Mittag über die rechtlichen Rahmenbedingungen gesprochen.
Was sagen Düsseldorfs Oberbürgermeister und der Veranstalter?
Gegenüber der „Rheinischen Post“ sagte Geisel als Reaktion auf Laschets Äußerungen, die Stadtverwaltung habe sich lediglich an Recht und Gesetz gehalten. Die Vorgaben der Corona-Schutzverordnung würden durch den Veranstalter nicht nur eingehalten, sondern sogar übererfüllt. „Von daher hat die Verwaltung keinen Anlass gesehen, das Konzert zu untersagen“, so Geisel zur „Rheinischen Post“.
Die Corona-Krise dürfe nicht zur Abschaffung des Rechtsstaatsprinzips führen, sagte Geisel weiter. „Mit Recht und Gesetz hat das nichts mehr zu tun.“ Aus Sicht von Geisel hat das Land mit der Corona-Schutzverordnung die Verantwortung an die Kommunen delegiert - sich aber „eine Lizenz zum Meckern“ vorbehalten. Dies passe nicht zum sonst guten Verhältnis, das die Stadt zum Land habe. Offensichtlich spiele der Kampf um die künftige Führung der CDU in die Frage hinein, so Geisel laut RP.
Gemessen am Alltag in der Großstadt - etwa in Freibädern oder im Freien in der Stadt - sei das Infektionsrisiko bei dem Konzert angesichts der getroffenen Vorkehrungen „sehr, sehr gering“, sagte Geisel am Mittwoch bei WDR5. Das Hygienekonzept für das am 4. September geplante Konzert sei gründlich geprüft worden. Er sei als Verwaltungschef gebunden, nicht nach politischen Opportunitätsüberlegungen eines Oberbürgermeisters zu urteilen, sondern nach der Rechtslage.
Auf die Frage, ob es hier womöglich auch um eine persönliche Machtprobe mit dem Christdemokraten Laschet vor der Wahl gehe, sagte Geisel: „Es geht mir nicht um Schädeldicke.“
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Auch Michael Brill, Geschäftsführer der Betreibergesellschaft der Merkur Spiel-Arena, will an den Konzertplänen festhalten. Sollte die Veranstaltung aufgrund steigender Infektionszahlen nicht stattfinden können, bekämen Besucher ihr Geld zurück. Das Konzert unter dem Motto „Give Live a Chance“ solle demonstrieren, dass eine Großveranstaltung unter der Voraussetzung der Einhaltung der Corona-Regeln möglich ist, heißt es auf der Homepage. „Das ist ein Zeichen, auf das Fans, Künstler und Crews sowie die gesamte Musikindustrie sehnsüchtigst gewartet haben“, sagte Konzertveranstalter Marek Lieberberg.
Lieberberg habe Laschet nach eigener Aussage bereits geschrieben und bemühe sich seit zwei Tagen um ein gemeinsames Gespräch mit dem NRW-Ministerpräsidenten, erklärte er am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Er könne verstehen, dass Laschet sehr beschäftigt sei. „Aber wenn man Zeit hat, sich öffentlich zu äußern zu Veranstaltungen, deren Regularien man offenbar nicht kennt, dann denke ich, müsste man auch Zeit haben, hier zu reagieren, um auch dieses Gespräch zu führen.“
Der Konzertveranstalter sieht sich in jedem Fall im Recht. Auf die Frage, was er im Falle einer Absage tun werde, antwortete er, man werde sich in diesem Fall mit geeigneten Mitteln „dagegen äußern“. „Wir sind überzeugt, dass wir 100 Prozent im Recht sind.“
Gibt es bereits Reaktionen der auftretenden Künstler?
Der irische Sänger Rea Garvey meldete sich am Montag über seinen Facebook-Account zu Wort: „Wir alle sind uns der Situation, in der wir uns befinden, bewusst und wir alle haben Familie und Freunde, die Teil der Risikogruppen sind.“ Nichtsdestotrotz trage er die Verantwortung für tausende Menschen, die während der Corona-Pandemie ihren Beruf in der Musikindustrie verloren haben. „Es wäre einfacher, sich zurückzulehnen und jemand anderen dieser Kritik auszusetzen, jemanden zuerst gehen zu lassen, aber so bin ich nicht.“
Auch Sarah Connor wandte sich am Samstag in einem emotionalen Facebook-Post an ihre Fans: „Ich höre euch. Und ich verstehe alle Bedenken und Einwände zu dem ersten großen geplanten Konzert in der ‚neuen Zeit‘.“ Sie selbst habe vier Kinder, von denen eines als besonders „gefährdet“ eingestuft werden könne. „Aber: Auch meine Branche hat in den letzten Monaten extrem gelitten. Auch ich habe viele Freunde und Kollegen, deren Existenzen mittlerweile bedroht sind.“ Sie rede nicht von „Party machen“, sondern von 150.000 Jobs, die derzeit auf dem Spiel stünden.
Auf welche Einschränkungen müssen sich die Besucher einstellen?
Die Liste der Corona-Regeln ist lang: Während der gesamten Veranstaltung müssen Besucher einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Schals und Halstücher sind nicht erlaubt. Es gibt ein Alkoholverbot, einen abgestuften Ein- und Auslass sowie personalisierte Tickets. Zudem gilt auf dem gesamten Gelände der Mindestabstand von 1,5 Metern. Besucher sollen auf ihren Sitzplätzen verbleiben, Stehplätze gibt es keine. Läufer gehen durch die Sitzreihen und verkaufen abgepackte Speisen und Getränke. Besucher, die Covid-19-Symptome zeigen, werden am Eingang abgewiesen.
Um größere Menschengruppen oder Warteschlangen zu vermeiden, werden die Besucher in zwei verschiedenen Einlassfenstern ins Stadion geleitet. Auch das Verlassen der Veranstaltung erfolgt abschnittweise. Die jeweiligen Zeiten finden Besucher auf ihren Tickets. Der Veranstalter bittet um pünktliches Erscheinen. Überfüllte Busse oder Bahnen gebe es laut Brill keine: Nur rund 4000 Besucher würden voraussichtlich mit dem ÖPNV anreisen. Das seien „Peanuts gegenüber der morgendlichen Rushour“. Die Rheinbahn sei eng in die Planungen mit eingebunden.
Wie läuft der Ticketverkauf ab?
Der Ticket-Vorverkauf ist am Dienstag, 11. August, um 10 Uhr gestartet. Eintrittskarten sind pro Person auf vier limitiert und nur online erhältlich. Es werden Einzelplätze sowie zwei, drei oder vier zusammenhängende Plätze angeboten. Die Tickets werden platzgenau und personalisiert verkauft, eine Weitergabe der Eintrittskarte ist nicht erlaubt. Der Veranstalter weist zudem darauf hin, dass Besucher am Eingang ihren Personalausweis vorzeigen müssen und stichprobenartig nach ihrer Telefonnummer befragt werden.
>>> Oberhausen: König-Pilsener-Arena soll ab September wieder öffnen
„Die König-Pilsener-Arena beendet den Stillstand und öffnet im September wieder ihre Pforten“, heißt es in einer am 11. August veröffentlichten Pressemitteilung. Das Besucher-Kontingent sei zunächst auf maximal 2600 begrenzt. Normalerweise biete die Arena Platz für bis zu 13.000 Besucher. Das Arena-Management habe in Absprache mit den Behörden ein coronagerechtes Gesamtkonzept entwickelt. „Geplant sind Vorstellungen namhafter Künstler und Comedians.“ Aber auch kleine Vorstellungen sollen durchgeführt werden. (mit dpa)