Düsseldorf. Das für den 4. September in Düsseldorf geplante Großkonzert hat Kritik ausgelöst. Sängerin Sarah Connor betont, es gehe nicht um “Party machen“.
Bryan Adams, Sarah Connor, The Boss Hoss, Rea Garvey: Künstler, die normalerweise schon allein ein Stadion ausverkaufen, wollen am 4. September vor 13.000 Zuschauern im Düsseldorfer Stadion spielen. Das Gesundheitsamt hat das Konzept genehmigt, die Auflagen gingen „weit über die Corona-Bestimmungen“ hinaus, so die Stadt. „Das ist das Zeichen, auf das Fans, Künstler und Crews sowie die gesamte Musikindustrie sehnsüchtigst gewartet haben“, meint Veranstalter Marek Lieberberg zum geplanten ersten Großkonzert in Deutschland seit Mitte März, das unter dem Motto „Give Live a Chance“ stehen wird.
Schon wenige Stunden nach der Ankündigung des ersten Großkonzerts nach Beginn der Corona-Pandamie gab es Zweifel, ob dies überhaupt so stattfinden könne. „Dass ein lokales Gesundheitsamt in dieser Lage eine Veranstaltung dieser Größenordnung im Alleingang genehmigt, hat mich als Gesundheitsminister nachhaltig irritiert“, so Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann gegenüber der Funke-Mediengruppe. Er geht mit der Stadt Düsseldorf hart ins Gericht: Ein solches Konzert sei verantwortungslos. „Ich habe Oberbürgermeister Geisel und dem zuständigen Gesundheitsamt meinen Unmut über das Vorgehen mitgeteilt“, so Laumann.
Sängerin Sarah Connor: Es geht bei dem Konzert nicht darum, Party zu machen
Auch Sängerin Sarah Connor hat sich am Samstag per Facebook in die Debatte eingeschaltet: Sie schrieb, sie „verstehe alle Bedenken und Einwände zu dem ersten großen geplanten Konzert in der „neuen Zeit“.“ Aber auch ihre Branche habe in den letzten Monaten „extrem gelitten“. Es gehe ihr bei dem Konzert nicht um „Party machen“, sondern Jobs.
„Ich habe vier Kinder, eines davon könnte man als besonders „gefährdet“ einstufen“, schrieb Connor. „Auch wir erwarten mit Spannung den Schulbeginn. Auch meine Kinder müssen in der Schule Masken tragen. Seid gewiss, ich gehe auf keinen Fall leichtsinnig mit der Situation um.“ Aber: „Auch ich habe viele Freunde und Kollegen, deren Existenzen mittlerweile bedroht sind.“
Sie selbst beschäftige übers Jahr „um die 150 Menschen, denen im März von heute auf Morgen sämtliche Einnahmen weggebrochen sind.“ Für diese kämpfe niemand, „weil ständig gesagt wird, ihre Arbeit sei nicht systemrelevant.“ Das Konzert in Düsseldorf, schrieb Connor auf Facebook, sei „nach meinen Informationen, sonst hätte ich niemals zugestimmt, (...) vorsichtig durchdacht und eng mit den Behörden erarbeitet und abgestimmt worden.“ Sie sei „selbst gespannt, ob und wie es stattfindet. Aber wenn, dann bin ich dabei. Alles andere kann ich meinen Leuten gegenüber nicht verantworten.“
Ministerium will von der Stadt Rechtsgrundlagen der Genehmigung wissen
Ähnlich äußert sich FDP-OB-Kandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann: „2020 ist kein Jahr für Partys“, sagte sie der Funke-Mediengruppe. Das Ministerium hat vom Gesundheitsamt der Stadt die Rechtsgrundlagen der Genehmigung angefordert und will, dass „das Hygienekonzept für die Veranstaltung selbst zur Prüfung durch die Fachaufsicht“ vorgelegt wird. Es gebe begründete Zweifel an der rechtlichen Grundlage.“
Die sieht die Stadt Düsseldorf nicht. Man sei „verwundert“ über die Kritik des Gesundheitsministers. „Selbstverständlich wurde im Vorfeld der Planung des Konzerts ausführlich untersucht, ob und in welcher Form dieses Konzert mit den Regelungen der Corona-Schutzverordnung vereinbar ist“, erklärte Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD). Diese Prüfung sei zu dem Ergebnis gekommen, dass es zulässig sei. „Ich wundere mich ein wenig darüber, dass der Gesundheitsminister hier rechtliche Bedenken äußert.“ Aus seiner Sicht gebe es keine Veranlassung, das Konzert zu untersagen. Der Leiter des Düsseldorfer Gesundheitsamts betonte, die Hygienevorschriften würden „vollumfänglich erfüllt, sogar übererfüllt“. „Die aktuelle Entwicklung der Coronazahlen wird kontinuierlich beobachtet, vom Veranstalter wurden vertraglich alle Vorkehrungen getroffen, um die Veranstaltung auch kurzfristig absagen zu können, wenn es aus Infektionsschutzgründen notwendig sein sollte.“
Veranstalter-Urgestein Marek Lieberberg, der in normalen Jahren unter anderem „Rock am Ring“ organisiert, betont: „Die Synchronisation mit den Düsseldorfer Behörden und der Merkur Spiel-Arena war für uns von Anfang an Grundlage dieses Projekts“. Angst vor großen Worten hat man jedenfalls nicht: „Mit Give Live a Chance endet nach fünf Monaten globaler Pause der Lockdown in Deutschland und darüber hinaus“, wirbt der Veranstalter LiveNation. Bis Ende August verbietet die Corona-Schutzverordnung noch Veranstaltungen mit mehr als 1000 Besuchern, am ersten Freitag im September soll dann sofort das große Konzert steigen.
Düsseldorfer Eventagentur D.Live hält Hygienekonzept für rechtssicher
Michael Brill, Geschäftsführer der Eventagentur „D.Live“, die neben der Merkur-Spiel-Arena (dem Stadion) noch zahlreiche andere Düsseldorfer Spielstätten betreibt, erläuterte gegenüber unserer Redaktion das Konzept. „Life Nation mit Marek Lieberberg ist einer der feinfühligsten Veranstalter, der macht das seit über 50 Jahren und wir sind auch schon 30 Jahre mit ihm im Geschäft und haben uns genau überlegt, unter welchen Bedingungen das möglich ist.“
D.Live-Geschäftsführer Brill hält das Hygienekonzept für rechtssicher: Das Reinkommen für das Zweieinhalb-Stunden-Event mit Joris, Michael Mittermeier und den anderen Stars geschieht genauso abschnittweise wie das Wieder-Rausgehen. Maskenpflicht herrscht während der gesamten Veranstaltung, für die auch die Rasenfläche bestuhlt wird. „Jeder bekommt eine personalisierte Karte und wir wissen genau wo er oder sie gesessen hat.“ Ein ausgeklügeltes Besetzungssystem stelle sicher, dass die gemeinsam angereisten Besuchergruppen von zwei bis vier Menschen jeweils anderthalb Meter Abstand zur nächsten Gruppe einhält.
Offenes Hallendach - Abstand zwischen den Sitzplätzen
Zudem sei das Hallendach geöffnet und Handdesinfektion vorgeschrieben. Speisen und Getränke müssen vorher bestellt werden und werden zum Platz gebracht, alkoholische Getränke gebe es gar nicht. „Unter diesen Bedingungen halten wir einen Konzertbesuch für unproblematisch.“ Jeder Gang zum Baggersee oder durch die abendliche Innenstadt sei riskanter.
Auch An- und Abreise hält Brill, anders als Strack-Zimmermann, für unproblematisch - die Infrastruktur sei ja für bis zu 54.000 Besucher ausgelegt. Er rechnet mit etwa 4000 Autos, mit denen 8000 Gäste kommen werden, weitere 1000 kämen zu Fuß oder mit dem Fahrrad, so dass nur rund 4000 zusätzliche Fahrgäste per Bus und Bahn anreisen würden. „Das sind Peanuts gegenüber der morgendlichen Rushhour.“ Gleichwohl, so die Rheinbahn, sei man in die Planung bereits eingebunden und erarbeite ein Konzept.
Angesichts des großen Aufwands und der vorgesehenen Künstler sind die Einnahmen bei Kartenpreisen von 50 bis 80 Euro maximal kostendeckend. „Hier will niemand einen Schnitt machen, wir wollen gemeinsam mit Marek Lieberberg zeigen, dass Konzerte wieder möglich sind. Wir müssen uns an diese neue Normalität gewöhnen. Wir können in Opern, Theater, Philharmonie und Konzerten nicht noch zwei Jahre den Kopf in Sand stecken.“
Strack Zimmermann: 2020 ist nicht das Jahr für Partys
Die Düsseldorfer FDP-Bundestagsabgeordnete und OB-Kandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist dagegen entsetzt: „Ich bin sprachlos. Wir erleben, dass Kinder jetzt in der Schule Masken tragen müssen und dass Kinder eingeschult werden, ohne dass die Großeltern dabei sein dürfen. Und da feiert Düsseldorf mit 13.000 Leute eine Party? Ich fasse es nicht. Das Oktoberfest in München wurde abgesagt, unsere Rheinkirmes wurde abgesagt. Und nun tun einige so, als ob sie das nichts angeht. Das ist nicht nachvollziehbar. Man stelle sich vor, das Event wird zum Hotspot für Corona. Das Jahr 2020 ist nicht das Jahr für Partys.“
Michael Brill, Geschäftsführer der Betreibergesellschaft der Düsseldorfer „Merkur Spiel-Arena“, erklärte am Samstag: „Wir halten an der Veranstaltung fest“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Sollten die Infektionszahlen aber zu hoch ansteigen, könne das Konzert nicht stattfinden, und die Fans bekämen das Geld für die Tickets in vollem Umfang zurück. (mit dpa)