Düsseldorf. Historiker schlagen vor, zwölf Straßen in Düsseldorf umzubenennen. Ganze Kolonialsiedlung im Süden betroffen. Das sind die Details:
Zwölf Straßen in Düsseldorf sollen umbenannt werden. Zu diesem Ergebnis kam nach fast zweijähriger Arbeit ein wissenschaftlicher Beirat aus Mitarbeitern der Mahn- und Gedenkstätte und des Stadtarchivs.
Das Projekt wurde Anfang März 2018 parteiübergreifend im Kulturausschuss in Auftrag gegeben und sollte alle jene Straßen prüfen, deren Namensgeber in den Bereichen Kolonialismus, Militarismus, Nationalsozialismus und Antisemitismus belastet sind.
Jetzt das Resultat: Das Gremium schlägt vor, die Pfitznerstraße, Petersstraße, Wissmannstraße, Porschestraße, Münchhausenweg, Lüderitzstraße, Woermannstraße, Leutweinstraße, Schlieffenstraße, Wilhelm-Schmidtbonn-Straße, Heinz-Ingenstau-Straße und die Hans-Christoph-Seebohm-Straße neu zu benennen (Details siehe unten).
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Der Beirat, der von Benedikt Mauer vom Stadtarchiv und Bastian Fleermann von der Mahn- und Gedenkstätte geleitet wurde, erhielt den Auftrag, sich Biografien von Personen anzuschauen, die nach dem Jahr 1870 geboren wurden. „Da kamen wir dann hinein in die Kolonial- und in die NS-Zeit“, erklärt Mauer. Entscheidend sei dabei nicht die Größe der Straße gewesen, auch nicht, wie viele Menschen dort leben, „sondern einzig und allein die Gesamtlebensleistung des Namensgebers“, so Mauer.
Düsseldorfer Beirat stellte Liste mit 3500 Straßennamen auf
Eine dabei entscheidende Frage: Gab es – etwa nach 1945 – eine Art der Selbstreflexion? „Sicherlich gab es zahlreiche Mitglieder in der NSDAP, die sich aber in den Jahren nach dem Krieg am Demokratieaufbau beteiligt haben“, sagt Fleermann. Der Beirat, der während des Projekts Unterstützung von Fraktionsmitgliedern aller Parteien bekam, stellte zunächst aus 3500 Düsseldorfer Straßen- und Plätzenamen eine erste Liste von 645 Personen auf. Diese wurde dann nach und nach ausgedünnt. Am Ende wurden Gutachten über 79 „belastete“ Straßennamen erstellt.
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Aufgrund dieser umfangreichen Berichte wurden die Straßen schließlich in drei Kategorien eingeteilt: A (Umbenennung), B (diskussionswürdig) und C (unkritisch/überholt). „Wir geben unsere Arbeit jetzt zurück an die Politik und wollen betonen, dass dies alles nur Empfehlungen sind“, so Mauer. Entscheiden muss der Rat der Stadt.
Als das Projekt bekannt wurde, entbrannte eine heiße Debatte über eine mögliche Umbenennung des Joseph-Beuys-Ufer. Bei der Vorstellung der Projektergebnisse gab es am Donnerstag im Stadtarchiv schnell Entwarnung. Joseph Beuys gehört für die Experten ganz klar in Kategorie C. „Wir haben darüber im Beirat auch nur eine Minute lang diskutiert, als das Gutachten vorlag“, so Fleermann. Beuys war aber Mitglied in der Hitlerjugend und Wehrmacht. „Also mussten wir uns mit ihm beschäftigen.“
Was ist mit der Wagner-Straße in Düsseldorf?
Komponist Richard Wagner (1813 - 1883), nach dem eine Straße in der City (verbindet Schadow- und Liesegangstraße) benannt ist, kam in die Kategorie B. Eine Neubenennung der Straße könnte also laut Expertise diskutiert werden. „Wagner war glühender Antisemit, aber er hatte, wenn man so will, die Gnade der frühen Geburt“, erklärt Mauer. Zum Vergleich: Komponist, Dirigent und Autor Hans Pfitzner (1869 - 1949) erlebte mit, wie sechs Millionen Menschen dem Rassenwahn im Dritten Reich zum Opfer fielen. Er blieb Zeit seines Lebens glühender Antisemit. „In einer Art und Weise, die an Obsession grenzte“, so Fleermann zu Pfitzners Einstufung in Kategorie A.
Ebenfalls in Kategorie A und für viele vielleicht überraschend: Ferdinand Porsche, Namensgeber einer Straße in Flingern. Der Automobilkonstrukteur war SS-Oberführer, hofierte die Nazis und wurde vom Regime hofiert. Er setzte Zwangsarbeiter aus Konzentrationslagern für die Entwicklung seiner Autos ein, „initiierte“, so Fleermann, „eine massive Ausbeutung dieser Menschen“.
Urdenbacher Kolonialsiedlung: Anwohner müssen sich umstellen
In einem von Porsche ins Leben gerufene Kinderpflegeheim für Zwangsarbeiter sollen Säuglinge kurz nach der Geburt ihrer Mutter entrissen worden und in verlausten Barrikaden sich selbst überlassen worden sein, dies ergaben die Recherchen. Fleermann erzählt davon mit angewiderter Miene.
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Von den zwölf Straßen der Kategorie A liegen fünf in der Urdenbacher Kolonialsiedlung. Zahlreiche Anwohner werden dort ihre Adressen ändern müssen, sollte es zu den Umbenennungen kommen. Benedikt Mauer hat einen Vorschlag mit Blick auf Hessen: „In Darmstadt gab es ein ähnliches Projekt. Da übernahm die Stadt einen Teil der Kosten für die Betroffenen. Das wäre vielleicht auch eine Lösung für Düsseldorf.“
Düsseldorf: Die Straßennamen der Kategorie A:
Heinz-Ingenstau-Straße (Stockum, am 24.4. von OB Erwin 2004 benannt): Heinz Ingenstau (1910-1971) war Stadtdirektor (1964-1971), hatte eine exponierte Stellung im Dritten Reich, war SA-Mitglied.
Leutweinstraße (Urdenbach, 16.12. 1937): Theodor Gotthilf Leutwein (1849-1921) trieb in Deutsch-Südwestafrika als Anführer der Kaiserlichen Schutztruppe die Unterwerfung der Bevölkerung voran.
Lüderitzstraße (Urdenbach, 16.12. 1937): Franz Adolf Eduard von Lüderitz (1834-1886) zählt zu den frühen Wegbereitern des deutschen Kolonialismus. Es gibt in Namibia heute noch eine Stadt namens Lüderitz.
Münchhausenweg (Rath, März 1947): Börries Albrecht Conon August Heinrich Freiherr von Münchhausen (1874-1945) war deutscher Lyriker und laut Gutachten ein „aggressiver Antisemit und Unterstützer des NS-Regimes“.
Petersstraße (Urdenbach, 16.12. 1937): Dr. Carl Peters (1856-1918), auch „Hänge-Peters“ genannt (Haupttext).
Pfitznerstraße (Urdenbach, 22.7. 1950): Hans Erich Pfitzner (1869-1949) war deutscher Komponist, Dirigent, Autor und Senator der Reichskulturkammer (Haupttext).
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Porschestraße (Flingern-Nord, 9.10. 1958): Ferdinand Porsche (1875-1951) war Unterstützer des NS-Regimes (Haupttext).
Schlieffenstraße (Mörsenbroich, 19.5. 1938): Alfred Graf von Schlieffen (1833-1913) war preußischer Generalfeldmarschall. Er entwickelte 1905 eine Strategie für eine schnelle Niederwerfung Frankreichs, den „Schlieffen-Plan“.
Wilhelm-Schmidtbonn-Straße (Garath, 11.6. 1963): Wilhelm Schmidt(bonn) (1876-1952) war deutscher Schriftsteller und Dramatiker, bekennender Antisemit und Unterstützer des NS-Regimes
Hans-Christoph-Seebohm-Straße (Hellerhof, 22.1. 1980): Hans-Christoph Seebohm (1903-1967) war Vizekanzler (1966) und Profiteur der Nazis mit starker Nähe zum Rechtsextremismus.
Wissmannstraße (Unterbilk, 13.3. 1908): Hermann Wilhelm Leopold Ludwig von Wissmann (1853-1905) war deutscher Offizier, Reichskommissar und Gouverneur von Deutsch-Ostafrika.
Woermannstraße (Urdenbach, 16.12. 1937): Adolph Woermann (1847-1911) war Großreeder und zählt zu den Schlüsselfiguren der deutschen Kolonialwirtschaft. Er war „Großverdiener am Krieg“.
Die Straßennamen der Kategorie B: Wagnerstraße, Richard-Strauß-Platz, Erwin-Rommel-Platz, Oswald-Spengler-Straße, Haberstraße, Sedanstraße, Gurlittstraße, Solfstraße, Max-Halbe-Straße, Josef-Ponten-Straße, Paul-Bonatz-Straße, Harry-Piel-Platz, Lubarschstraße, Wilhelm-Kreis-Straße, Eitelstraße, Hördtweg, Gravelottestraße, Spichernplatz (Spichernstraße), Moltkestraße (Helmutstraße), Arthur-Kampf-Straße, Helmut-Hentrich-Platz, Ernst-Poensgen-Allee, Wilhelm-Suter-Pfad, Rolf-Bongs-Straße.
Infos: www.duesseldorf.de/stadtarchiv.html oder www.duesseldorf.de/mahn-und-gedenkstaette.html.