Düsseldorf. Eine Historiker-Kommission schreibt Gutachten zu Personen, nach denen Düsseldorfer Straßen benannt sind. Doch wie soll die Stadt damit umgehen?

Die Kommission für Straßennamen hat sich in Düsseldorf mit den Leistungen vieler Persönlichkeiten kritisch auseinandergesetzt. Unter der Leitung von Bastian Fleermann, dem, Leiter der Mahn- und Gedenkstätte, und Benedikt Mauer, Leiter des Stadtarchivs, hat sich das Gremium seit Oktober vergangenen Jahres mit der Historie vieler Straßennamen beschäftigt (NRZ von gestern).

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Die Untersuchung wirft nun viele Fragen auf, weil viele Namen ins Spiel gebracht werden. Darf es ein Joseph-Beuys-Ufer geben, weil der Künstler relativ unkritisch mit seiner Zeit in der Hitler-Jugend umgegangen ist. Darf es eine Otto-Hahn-Straße geben, weil der Nobelpreisträger unter anderem die Entwicklung von Kernwaffen plante? Darf es eine Gurlittstraße geben? Hildebrand Gurlitt gilt als einer der geschäftstüchtigsten Kunsthändler zur NS-Zeit.

Matthias Herz (SPD) war als Mitglied des Kulturausschuss von Anfang dabei, als es darum ging, eine Straßennamen-Kommission zu bilden. „Mit dem, was in der Liste drin steht, wird erst einmal nichts passieren“, sagt Herz. „Das sind Namen auf einer Liste, letztlich muss es der Rat entscheiden. Der Sozialdemokrat findet grundsätzlich einen „würdigen Umgang mit Straßennamen“ wichtig. Herz: „Das muss aber in Ruhe und mit Sorgfalt und fachlicher Expertise geschehen, die die Mahn- und Gedenkstätte auch zweifellos hat.“

Freiburger Modell

Dem stimmt weitestgehend auch Benedikt Mauer zu, Leiter des Stadtarchivs und Mitglied in der Historikerkommission: „Wir haben damals die Kommission nach dem „Freiburger Modell“ gebildet. Dazu gab es einen Ratsbeschluss. Und wir haben die Aufgabe, uns mit den Persönlichkeiten, nach denen die Straßen benannt sind, auseinander zusetzen.“

In wieweit Straßen dann tatsächlich auf Grundlage der Empfehlung umbenannt werden, entscheidet der Rat der Stadt Düsseldorf. Zu einzelnen Namen oder Gutachten kann der Stadtarchivar nichts sagen, weil alles strengst vertraulich ist. So viel lässt er dann aber doch wissen: „Wir haben selbstverständlich immer die ganze Lebensleistung einer Person im Blick.“ Der Öffentlichkeit soll das konkreten Ergebnis der Kommission und ihren Empfehlungen im Januar im Kulturausschuss vorgestellt werden.

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Die kritische Auseinandersetzung mit Straßennamen ist in Düsseldorf nichts Neues. Im Dezember 2016 entschied der Stadtrat dafür, die Sohlstraße in der Nähe der Metro in Grafenberg umzubenennen. Im damaligen Gutachten der Mahn- und Gedenkstätte über Hans-Günther Sohl, ehemals Vorstand der Vereinigte Stahlwerke AG, wurde dessen „besondere Rolle und seine grundsätzliche Nähe zum NS-Regime“ hervor gehoben.

Unterbilk schon Initiative von Anwohner und Bezirkspolitik

Die Straße ist mittlerweile nach der jüdischen Schauspielerin Luise Rainer benannt. In Unterbilk setzen sich seit Jahren Anwohner und ein Teil der Bezirkspolitik dafür ein, dass die Wissmannstraße umbenannt wird. Hintergrund ist, dass Hermann von Wissmann dort als Synonym für üble Kolonialgeschichte gilt.

Auch in Urdenbach gibt es eine ganze Reihe von Straßennamen, die mit der deutschen Kolonialgeschichte in Verbindung stehen: Schon als die Kommission ihre Arbeit aufnahm, war vielen Anwohnern dort klar, dass diese auf der Liste stehen würden.

Das Kolonialviertel ist ein Ausgleich für eine Mustersiedlung, die im Zusammenhang mit der NS-Reichsausstellung „Schaffendes Volk“ in Stockum geschaffen wurde. Als die Stockumer Siedlung später umbenannt wurde und entsprechend auch die Straßen neue Namen erhielten, sollten als Ersatz die, bis heute bestehenden, Urdenbacher Straßen herhalten, um den Kolonialisten zu gedenken.

Wichtige Debatte

Veronika Dübgen (FDP), die ebenfalls in der Kommission sitzt, betont, dass selbstverständlich jeweils der Einzelfall betrachtet werden müsse. So gebe es auch Personen, die in einer Zeit entsprechend handeln mussten, um sich selbst und ihre Familien zu schützen. „Ich empfinde es als unangebracht, wenn Personen nur aus unserer Zeit heraus ohne Betrachtung der Umstände, in der die Person gelebt hat, bewertet werden“, so Dübgen.

Die Düsseldorfer Grünen-Chefin Paula Elsholz hält die Debatte um die Straßennamen für „wichtig und gut“, bleibt aber zurückhaltend. „Da ich den Inhalt der Gutachten noch nicht kenne, ist es angebracht, erst die Debatte zu führen, wenn die Fakten und auch die historischen Einschätzungen auf dem Tisch liegen“, so Elsholz. Klar sei aber, „dass es um unseren Umgang mit der Vergangenheit und damit um unsere Gegenwart geht“. Alleine die Änderung von Straßennamen dürfe „keinen Schlusspunkt einer Auseinandersetzung und Verantwortung bilden“.

Für Chomicha El Fassi, Vorsitzende der Fraktion Tierschutzpartei/Freie Wähler ist klar: „Mir liegt zwar noch kein abschließender Bericht der Kommission vor. Ich kann aber Grundsätzlich für meine Fraktion sagen, wir werden keiner Umbenennung zustimmen die nicht eindeutig und für Jedermann einen klaren NS-Bezug hat.“

Straßenbenennung ist eine Ehre

Ganz so klar sieht das für Susanne Schwabach-Albrecht nicht aus. Die Historikern sitzt als Sachkundige Bürgerin für die CDU im Beirat der Kommission und sagt: „Es ist nicht leicht, im Rückblick über eine Person zu urteilen.“ Schwabach-Albrecht findet die Arbeit der Kommission wichtig, weil die Zeit oft doch geschichtsvergessen sei. Die Kommission setzt sich sehr ernsthaft mit den einzelnen Charakteren, Plätzen und Straßen auseinander.

Die Linke glaubt zwar auch, dass die Kommission „eine hervorragende Arbeit“ macht, würde aber noch sehr viel mehr Straßennamen ins Blickfeld nehmen und alle annähernd belasteten Namen austauschen, wie die Fraktionssprecherin Angelika Kraft-Dlangamandla erklärt: „Es ist eine Schande, dass es in einer solchen vielfältigen Stadt wie Düsseldorf, Straßen gibt, die nach Kolonial-Verbrechern benannt sind.“

Schon vor Jahren gründete die Ratsherrin eine Initiative zu Straßennamen – schon damals ging es um die Siedlung in Urdenbach. „Straßen, die jetzt von der Kommission vorgeschlagen werden, sollten umbenannt werden. Denn man ehrt ja diese Menschen damit“, sagt Kraft-Dlangamandla. Sie befürchtet aber, dass Straßennamen, die zwar grenzwertig aber nicht als Tabu gelten, am Ende einfach beibehalten werden.