Erkrath-Hochdahl. Hätten die Großbrände einer Kita und einer Schule verhindert werden können? Für die mutmaßlichen Brandstifter war zuvor U-Haft abgelehnt worden.

Wegen neunfacher Brandstiftung an abgestellten Autos und zehn Steinwurf-Attacken auf fahrende Linienbusse, die meisten davon in Erkrath-Hochdahl, hatte die Polizei im vergangenen November zwei damals 16-Jährige gefasst. Ein halbes Jahr darauf folgten neue Brandstiftungen; eine Grundschule und eine Kita brannten nieder, im selben Ort. Wie sich nun herausstellt: Die mutmaßlichen Täter sind dieselben Jugendlichen. Und die Frage steht im Raum: Hätte die Justiz die späteren Brandstiftungen verhindern können?

„Nun können wir aufatmen“, hatte Landrat Thomas Hendele die Mitteilung der Polizei kommentiert, als diese in der vergangenen Woche ihren Ermittlungserfolg präsentierte. Zwei 17-jährige Deutsche aus Hochdahl seien als Täter ermittelt worden. Einer habe die Brandstiftungen gestanden, er ist inzwischen in Untersuchungshaft. Nach dem gleichaltrigen Mittäter werde nach wie vor gefahndet, sagte ein Polizeisprecher am Donnerstag.

Brandstifter waren der Polizei längst einschlägig bekannt

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Doch die beiden mutmaßlichen Brandstifter waren der Polizei längst einschlägig bekannt. Am 7. November vergangenen Jahres wurden sie schon mal der Öffentlichkeit präsentiert: Damals im Zusammenhang mit mehreren Pkw-Brandstiftungen und Steinwurf-Attacken auf Linienbusse. Auch damals kommentierte Landrat Thomas Hendele, der auch die Funktion des Polizeichefs im Kreis Mettmann hat: „Ich bin erleichtert, dass die Bürgerinnen und Bürger nun aufatmen können“.

Das Aufatmen war aber verfrüht. Mit dem Datum 7. November 2018 wurde Haftbefehl beantragt für die damals 16-Jährigen. Doch das Amtsgericht Wuppertal lehnte ab: Es wurde Haftverschonung zugebilligt, auch weil eine Untersuchungshaft vor allem der „Verfahrenssicherung“ dient und verhindern soll, dass sich Beschuldigte der Strafverfolgung entziehen, Zeugen bedrohen oder Spuren verwischen. Fluchtgefahr aber sah man bei den 16-Jährigen offenbar nicht und schickte sie nach Hause.

Justiz ist bei U-Haft für Minderjährige „generell zurückhaltend“

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„Wir waren damals nicht auf der Linie des Richters, haben den Beschluss aber akzeptiert“, sagt Wolf-Tilman Baumert, Sprecher der Staatsanwaltschaft Wuppertal am Donnerstag auf Nachfrage. Mit dem Wissen von heute könne man sicher sagen, „wären die Jugendlichen eingesperrt geblieben, hätten sie die weiteren Brandstiftungen nicht ausüben können“, sagt Baumert. Die späteren Brandstiftungen an insgesamt zwei Grundschulen und einer Kita - Schadenshöhe laut Polzei mehrere Millionen Euro - hätten jedoch „eine andere Deliktqualität“, als das, was den Jugendlichen im November zur Last gelegt worden war. Es sei zweifelhaft, „ob man eine solche Steigerung hätte voraussehen können“, meint Baumert.

Die Justiz ist bei Jugendlichen „generell zurückhaltend damit, sie in Untersuchungshaft zu schicken“, erklärt der Justizsprecher. So verlange es das Jugendgerichtsgesetz. Bei Jugendlichen sieht die Rechtsprechung den Erziehungsgedanken im Vordergrund. Baumert: „Man muss als Jugendlicher schon evident auffallend sein, um in U-Haft geschickt zu werden“.

Jugendliche wurden gegen Auflagen auf freien Fuß gesetzt

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So waren die Jugendlichen damals vom Amtsgericht Wuppertal gegen Auflagen wieder auf freien Fuß gesetzt worden: „Es wurde ihnen unter anderem auferlegt, regelmäßig in die Schule zu gehen und sich von dem Mitbeschuldigten fernzuhalten“, erklärt Baumert. Möglich, dass das anfangs sogar fruchtete. Denn zwischen dem Großbrand der Grundschule und der Festnahme lag mehr als ein halbes Jahr, in dem der inzwischen 17-Jährige, der die Brandlegungen der Polizei jüngst gestand, in Hochdahl offenbar nicht negativ auffällig wurde.

Beim Amtsgericht Wuppertal sah man sich am Donnerstag au Nachfrage nicht in der Position, die damalige Entscheidung eines Richters zu erläutern. Mettmanns Kreispolizeichef Thomas Hendele mochte die Entscheidung der Justiz auf Nachfrage nicht kommentieren.