Dinslaken/Voerde/Hünxe. Landwirte aus Dinslaken, Voerde, Hünxe kamen vor Neutor-Galerie mit Bürgern ins Gespräch. Wo der Schuh drückt und was Verbraucher wissen wollten.
Da mussten selbst gestandene Bauern ein wenig schlucken, als ihnen Astrid Liebenau ein Glücksschweinchen aus Marzipan in die Hand drückte. Die Voerderin war eigens zum Protest und zur Informationsveranstaltung der Landwirte nach Dinslaken gekommen, um als Verbraucherin ihre Solidarität mit der Bauernschaft zu zeigen. Mit sechs großen Traktoren waren Landwirte aus der Region am Samstagmittag auf den Platz vor der Neutor-Galerie gefahren. Etliche weitere Fahrzeuge waren in der Stadt unterwegs, sie standen zunächst an der Trabrennbahn. Später hielten zehn Trecker in der Nähe des Neutorplatzes in einer Kurve, so dass der Verkehr noch habe fließen können, erklärt der Voerder Landwirt Ingo Hülser. Nach Ende der Veranstaltung machten sich schließlich einige Landwirte mit ihren Traktoren von Dinslaken aus auf den Weg nach Hünxe.
Für die Aktion vor der Neutor-Galerie waren zuvor flugs die Zeltstände aufgebaut worden, die Landfrauen sorgten ob der Kälte und des nasskalten Wetters für Kaffee, Tee und Gebäck und mischten sich, wie ihre Männer, unter die Zaungäste, die reichlich kamen. „Ohne Bauern keine Bäcker“, „Ohne Bauern keine Metzger“, „Das leise Sterben der Bauernhöfe“, „Wir leben Nachhaltigkeit und predigen sie nicht nur“, war auf den an ihren Traktoren angebrachten Plakaten zu lesen. Ziel der Protest- und Informationsfahrt war es, mit den Verbrauchern ins Gespräch zu kommen, hatte Ingo Hülser angekündigt. Es wurden nicht nur Fragen an die Bauern gestellt. Selbsternannte „Mutbürger“ – so war auf deren Warnwesten zu lesen – waren ebenfalls auf dem Platz, auf Bitten der Landwirte hatten sie sich jedoch an den Rand gestellt, einige hatten Deutschland-Fahnen dabei.
Bürgerin: „Immer mehr Lebensmittel werden importiert“
„Ich wollte einmal von den Landwirten hören, wo ihnen der Schuh drückt und vor allem, wie wir Verbraucher sie unterstützen können“, erzählte Astrid Liebenau und war begeistert ob der Informationen, die sie von den verschiedenen Landwirten bekommen hätte. „Ich gehe regional einkaufen, am liebsten in einem Hofladen“, verriet sie, denn sie wolle keine Kartoffeln aus Ägypten, wenn es auch gute Qualität um die Ecke gibt. „Immer mehr Lebensmittel werden importiert, obwohl sie hier in der Region produziert werden. Genügend Flächen sind da, wenn sie nicht für andere Zwecke genutzt würden“, sagte sie und sprach dabei vom geplanten Logistikpark in Emmelsum.
Dinslakens Stadtbauer Johannes Vahnenbruck, in der inzwischen fünften Generation auf eigenem Grund tätig, konnte ihr nur zustimmen. Er ist Kartoffelbauer, verkauft seine Erzeugnisse direkt in seinem Hofladen, denn nur dort könne er die Preise selbst bestimmen. Die seien aufgrund der schlechten Ernte durch die Wetterkapriolen gestiegen. „Erst war es zu trocken, als dann die Ernte begann, hat es nur geregnet, so dass wir kaum aufs Feld konnten“, so Vahnenbruck.
Auch der Ackerbau sei von den Auflagen betroffen, allerdings von einer EU-Vorgabe, die von den Bauern verlange, vier Prozent ihrer Flächen stillzulegen. „Wir pachten für viel Geld Land, das wir nicht nutzen dürfen, weil es der Natur überlassen werden soll“, erklärte er. Dabei hielten sich Ackerbauern an die Fruchtfolge. „Wir arbeiten nachhaltig, schützen unsere Böden, sonst würden diese irgendwann keinen Ertrag mehr hergeben.“ Gleichzeitig betonte er, dass die geplante Streichung der Subventionen durch die Ampelregierung lediglich das Fass zum Überlaufen gebracht hätte, die Agrarpolitik liefe schon seit Jahren schief.
Thorsten Fengels ist Milchbauer, auch er sieht die Probleme nicht nur bei der viel gescholtenen Ampelregierung. „Es läuft schon seit gut sieben Jahren schief“, meinte er. Damals wurde die Düngemittelverordnung eingesetzt, die Futterproduktion stark eingeschränkt. Ohne jeglichen Sachverstand, wie Fengels meint, „nur weil es der politische Wille war“. Als Tierquäler und Umweltverschmutzer seien die Landwirte beschimpft worden. Jetzt wehre man sich endlich massiv. „Eigentlich müssen wir der Ampelregierung dankbar sein“, meinte Ingo Hülser augenzwinkernd, „wir Bauern hatten noch nie so viel Kontakt miteinander wie im Moment. Hier stehen jetzt alle nebeneinander – Vollerwerbsbetriebe und Höfe, die im Nebenerwerb geführt werden.“
Fengels nickte bestätigend. Und schnitt ein Thema an, das kaum bekannt ist. „Wir Landwirte unterliegen einem Generationenvertrag. Die Alterssicherung der Landwirte ist darauf ausgerichtet, dass die jungen Leute die ,Alten‘ unterstützen. Ich bin also für meine Eltern, für meine eigene Familie und meine Kinder verantwortlich.“ Bei den sich immer schneller ablösenden Auflagen sei dies jedoch kaum noch zu schaffen. „Ich habe meinen Stall vor zehn Jahren umgebaut, getreu den Richtlinien, die damals galten. Die Investitionen sind noch nicht zurückgezahlt, da sind diese Auflagen schon wieder geändert und ich muss wieder erneuern.“ Bei den Landwirten mit Schweinezucht seien die Zeitabstände neuer Regelungen noch kürzer, es herrschten noch schlimmere Bedingungen.
Was alle vermissten, sei die Planungssicherheit für die Landwirte. Entscheidungen dürften keine so kurze Verfallsdaten haben. „Fast jedes Jahr gibt es Änderungen, die arbeitstechnisch und finanziell nicht umzusetzen sind“, meint er. „Wir haben keinen Sieben-Stunden-Tag.“
Appell: „Regional einkaufen“
Der Voerder Landwirt Ingo Hülser ist mit der Resonanz des Tages ganz zufrieden. Viele Bürgerinnen und Bürger seien auf die Landwirte zugekommen, hätten ihre Zustimmung zu den Protesten signalisiert. Auf die Frage der Passanten, wie sie denn die Bauern unterstützen könnten, hatte er eine Antwort: „Regional einkaufen, öfters mal beim Metzger sein Fleisch holen.“ Dass dies nicht für jeden Verbraucher erschwinglich sei, sei ihm klar. Allerdings, so der Landwirt und CDU-Politiker, bestünde auch hier eine Schieflage, wenn man von seinem Verdienst oder der Rente nicht leben könne.
Ach ja, da wäre noch die Sache mit den Kühen und dem Methangas. „Wenn es meinen Kühen gut geht, und das geht es ihnen, wenn sie keinen Stress haben, gut versorgt werden, sich mit ihren Freundinnen, den anderen Kühen, tummeln können, sie effizient behandelt werden, dann geben sie auch mehr Milch. Dann aber wird auch weniger Methangas abgegeben, das ist inzwischen wissenschaftlich erwiesen“, erzählt Thorsten Fengels.