Dinslaken. Weil sich niemand zuständig fühlte, rückte Christian Bolte mit einer Pumpe an. Er arbeitete stundenlang - während die NRW-Behörde Urlaub machte.

Das ist nicht leicht zu vermitteln: Die Eisenbahnunterführung an der Brinkstraße, immerhin eine Bundesstraße und dazu eine wichtige Verbindung zwischen A59 und A3 sowie Oberhausen, ist nach dem Dauerregen über Weihnachten voll Wasser gelaufen - und niemand unternimmt etwas dagegen. Genau so war es aber in Dinslaken. Grund: Niemand vor Ort war zuständig. Und die entsprechende Abteilung des Landesbetriebs im Urlaub. Dass die Straße seit Donnerstag wieder befahrbar ist - das ist im Wesentlichen wohl einem Bürger zu verdanken.

Die Unterführung liegt in einer Senke und ist nicht zum ersten Mal vollgelaufen. Immer wieder sammele sich Wasser auf der Straße, mache diese kaum passierbar, ärgern sich Anwohner der umliegenden Straßen. Zuletzt staute es sich an der Stelle im September. Grund: Straßen NRW baut in dem Bereich eine Umgehung für den Bahnübergang Jägerstraße, der im Rahmen der Erweiterung der Bahnstrecke (Betuwe-Linie) Ende 2026 geschlossen werden soll. Zur Entwässerung der Brinkstraße baut der Landesbetrieb auch ein Pumpwerk. Solange dieses nicht fertig ist, sollen provisorische Baupumpen die Unterführung von Wasser befreien. Das scheint aber nicht immer zuverlässig zu funktionieren.

Christian Bolte am Mittwoch in Aktion.
Christian Bolte am Mittwoch in Aktion. © privat

Der Stadt Dinslaken ist das Problem bekannt. Weil Straße und Baustelle aber Bundesangelegenheit sind, sei die Kommune für die Entwässerung an der Stelle nicht zuständig, wie Uwe Blankenburg, Leiter des Fachdienstes Tiefbau, erklärt. Mit Straßen NRW habe die Stadt lediglich eine Vereinbarung, die Straße abzusperren, wenn sie nicht befahrbar ist - wenn also Gefahr besteht. Das ist über Weihnachten geschehen. Die zuständige Bau-Abteilung des Landesbetriebs sei bis Januar im Urlaub, sagt die Pressestelle von Straßen NRW auf Anfrage der NRZ. Das erklärt, warum Straßen NRW die Baustelle nicht leergepumpt hat. Und auch, warum selbst die Stadt Dinslaken niemanden an die Strippe bekam. Erst am Mittwoch sei jemand erreichbar gewesen, erklärt Uwe Blankenburg, der dabei erfuhr, dass an der Brinkstraße nicht der Landesbetrieb selbst, sondern eine beauftragte Firma baut. Warum die nichts gegen das Hochwasser unternommen hat? Das weiß niemand.

Abhang ist auf Abfluss gerutscht

Einer aber hat etwas unternommen. Ebenfalls am Mittwoch, als Christian Bolte auf Facebook die xte Beschwerde zur überfluteten Unterführung gelesen hat, schnappte er sich seine Benzinpumpe, ein paar Schläuche und seinen Mini-Trecker. „Alle jammern - aber niemand macht etwas“, ärgert sich der 38-Jährige. Seine Benzinpumpe schafft 40.000 Liter Wasser in der Stunde. Mehr als vier Stunden lang pumpte er das Wasser aus der Senke an der Brinkstraße. Einige Anwohner bekamen das mit - und waren begeistert. Zur Unterstützung brachte etwa auch Christian Tobias von der Initiative BIGG einen Kanister Benzin für die Pumpe vorbei. Und schaute sich die Baustelle genau an. Die Pumpen von Straßen NRW seien nicht gelaufen, sagt er. Grund: Der Abhang an der Straße ist durch den Regen an mehreren Stellen aufgeweicht und abgerutscht - und zwar genau auf einen der Abflüsse, die das Wasser von der Senke der Pumpe zuführen sollen. Wahrscheinlich hätten sich in der Folge die Pumpen selbst abgeschaltet, „damit sie ohne Wasser nicht heiß laufen“, so Tobias.

Am Donnerstagmorgen ist dann doch ein Trupp von Straßen NRW angerückt - vermutlich infolge des Anrufs der Stadt Dinslaken - und hat die Straße vom restlichen Wasser und vom Schlamm befreit. Den zugeschütteten Abfluss hat aber niemand freigelegt, obwohl der Erdrutsch offenbar bemerkt wurde: Denn die Sperre des Radwegs in dem Bereich wurde stehen gelassen. Die anderen Sperren wurden beiseite aber nicht in Gänze weggeräumt. Schließlich, so erklärt eine Sprecherin von Straßen NRW, solle es in den kommenden Tagen ja wieder regnen. Wann mit der Fertigstellung des Pumpwerks zu rechnen sei, könne man auch nicht sagen: Die betreffende Abteilung sei ja im Urlaub.

Anwohner der Tackenstraße sind genervt. Wenn die Brinkstraße dicht ist, nehmen alle die schmale Wohnstraße.
Anwohner der Tackenstraße sind genervt. Wenn die Brinkstraße dicht ist, nehmen alle die schmale Wohnstraße. © NRZ

Bei den Anwohnern der umliegenden Straßen erhöht sich angesichts dieser Aussichten der Puls. Wenn die Senke vollgelaufen ist, dröhnt der gesamte Verkehr der Bundesstraße durch die Holtener-, Winkel- und Tackenstraße zum Bahnübergang Jägerstraße: Nachdem der Bahnübergang Holtener Straße bereits geschlossen wurde, ist dieser die einzige Querungsmöglichkeit in der Nähe. Die Anliegerstraßen sind aber für diesen Verkehr nicht gedacht - zumal an der Tackenstraße eine Grundschule liegt.

„Wir haben bereits ein ganzes Jahr Baustelle hinter uns“

„Wir haben bereits ein ganzes Jahr Baustelle hinter uns, mit wechselseitigem Ausweichverkehr. Ein Jahr Lärm, Angst um Kinder und Haustiere und ehrlich gesagt auch ein Jahr, in dem man den eigenen Garten oder das eigene Wohngebiet nicht zur Naherholung nutzen konnte“, so Anwohner Florian Potthoff. Bald gehe zudem die „Schule wieder los und dann kommt zum Pendelverkehr auch noch das Elterntaxi, Lkws auf dem Schulweg und Chaos durch parkende Autos“. Die Anlieger hoffen auf Einsicht der Autofahrer. Und dass die Pumpen an der Brinkstraße funktionieren, wenn auch noch der Bahnübergang Jägerstraße geschlossen wird.

Und Christian Bolte? Schnappte sich am Donnerstag erneut seine Pumpe, um dort auszuhelfen, wo ebenfalls keine Behörde zuständig ist: bei den Menschen in Eppinghoven und Krudenburg, in deren Häuser das Wasser läuft.