Dinslaken. Im Netz erntete der zugewachsene rote Hase in Dinslaken viel Spott. Warum ist der grüne Hase in Basel viel beliebter? So reagiert der Künstler.
Sie sind gleich und doch gegensätzlich: Der rote Hase im Bergpark Lohberg hat einen Bruder in der Schweiz. Im Park der Fondation Beyeler im Baseler Vorort Riehen steht der gleiche Hase in Grün – dieselbe Form, dieselbe Größe, beide aus der Hand des aktuell wohl bedeutendsten deutschen Bildhauers Thomas Schütte. Nur: Der Hase in der Schweiz wird geliebt – und der in Dinslaken ist das ungeliebteste Kunstwerk der Stadt. Woran könnte das liegen?
Das ist der grüne Bruder des roten Hasen
Der grüne Hase ist etwas älter als sein roter Bruder: Im Jahr 2013 schuf ihn Thomas Schütte für das schweizerische Museum im Baseler Vorort Riehen. Im Rahmen der Ausstellung „Figuren“ fand der grüne Koloss einen Platz im Weiher des Museumsparks – als bronzener Wasserspeier mit grüner Patina. 2014 bezog sein rotglänzendes Pendant seinen Thron im Rundeindicker der ehemaligen Zeche Lohberg auf dem Gelände des Bergparks.
Die Vorlage für beide Hasen ist dieselbe: eine 20 Zentimeter hohe Tonfigur, die Schüttes Tochter aus Tonresten nach dem Töpfern mit Freundinnen geformt hat. Ein „Allzweckheiliger für Ostern, Weihnachten, Halloween, Nikolaus und diverse Feierlichkeiten“, so gab Thomas Schütte die Intention seiner Tochter wieder, als er den grünen Hasen der Presse in der Schweiz vorstellte. „Als Albernheit“ habe er die Figur einer Firma auf Anfrage als Großskulptur vorgeschlagen, so der Künstler damals.
Als der 3D-Scan für mehrere Modelle anstand, „habe ich einfach diesen Hasen mit reingetan, vier Meter drangeschrieben und dann stand der da in Styropor“, so Schütte bei dem Pressetermin in Riehen. Mehr als ein Jahr habe der XXL-Styroporhase in seinem Atelier gewartet – bevor er ihn in Bronze goss. Als Thomas Schütte den Patina-Hasen der schweizerischen Presse präsentierte, war der Dinslakener Hase bereits in Arbeit. Weil dieser aber nicht aus Bronze gegossen, sondern der Styroporkern mit Fiberglas und Epoxy gehärtet wurde, konnte kein Wasserspiel integriert werden. Der Lohberger Hase spitzt also den Mund, ohne dass Wasser herauskommt.
Die Reaktionen in der Schweiz
Der Hase nehme an der Schwelle zum Museumsgelände der Fondation Beyeler „mit seiner massigen Gestalt die Funktion eines Hüters von Natur und Kultur, Außen und Innen ein,“ so sieht es das Museum. Die Fondation Beyeler nutzt ihn als Hintergrund für Meditationen, als Thema für Workshops und als Allzweckheiligen, dessen Bild die Follower der Social Media-Auftritte des Museums zu allen Festen des Jahres grüßt – und dabei zahlreiche Herzchen, Likes und Liebesbezeugungen erntet. Der Hase sei „ein guter Wassergeist inmitten von Seerosen“, schreibt eine Frau, die deswegen immer mit ihrem Sohn dort vorbeischaut, er sei „verwunschen“, ein „Nikohasi“ oder einfach „bester Hase ever“.
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„Schüttes Hase wurde in der Fondation Beyeler sehr gut aufgenommen und ist besonders bei Kindern sehr beliebt“, erzählt Jan Sollberger, Sprecher der Fondation Beyeler. Die „interessante Entstehungsgeschichte und Herleitung der Skulptur wird im Rahmen von Schulrundgängen und Familientagen natürlich gerne erwähnt.“ In seinem Seerosenteich wirkte der Hase von Anbeginn „als stünde er schon immer da“, fand der Künstler. Das war im Oktober 2013.
Die Reaktionen in Dinslaken
Als der rotglänzende Bruder des patinierten Museumshasen im April 2014 in Dinslaken aufschlug, schlug ihm auf der Stelle Widerwillen entgegen, und das hat sich bis heute nicht geändert. Als teuflisch wird er von vielen empfunden, als hässlich und unpassend gegeißelt. Kinder hätten Angst vor ihm. Das genaue Gegenteil der Reaktionen in der Schweiz. Als der Hase in der vergangenen Woche von Gestrüpp ummantelt wurde, gab es Spott im Netz – und noch mehr, als die Stadt ihn daraufhin wieder freischnitt.
Das sagt der Künstler dazu
Ob er sich diese unterschiedlichen Reaktionen erklären kann – das haben wir den Künstler Thomas Schütte gefragt. Liegt es an der Farbe? Der Oberflächenstruktur? Der Umgebung? „Natürlich bestimmt der Kontext die Lesart der Arbeit“, antwortet der Künstler: „Bürgerliches Publikum in Basel, viele Menschen mit Migrationshintergrund aus dem Arbeitermilieu und viele arbeitslose Jugendliche in Dinslaken, in einer Industriebrache.“ Dass die Reaktion auf das Kunstwerk „so divers ist, hätte ich nicht gedacht – und sonst eventuell etwas Anderes gemacht“, so Schütte.
So berichtete die NRZ am Freitag, 28. Juli:
Plötzlich ging es ganz schnell: Die Stadt Dinslaken hat den roten Hasen im Bergpark Lohberg von seinem grünen Mäntelchen befreit. Der DinService hat das Kunstwerk von Thomas Schütte freigeschnitten – nun ist der Hase wieder in voller Pracht zu sehen.
Zuvor hatte der Hase, der auf seinem Thron im Rundeindicker im Bergpark Lohberg von Essig- und anderen Sträuchern zugewuchert wurde, für Spott im Netz gesorgt. Tenor: besser zuwachsen lassen.
„Der Hase macht mir Angst. Soll bloß zuwachsen“, schrieb eine Userin auf der Facebookseite der NRZ Dinslaken, „zum Glück wächst das hässliche Ding zu“ eine andere. Der Hase sei „hässlich“, sehe aus wie ein Teufel. Bei einer spontanen Umfrage auf der Instagram-Seite der NRZ Dinslaken haben sich 57 Prozent dafür ausgesprochen, das Grün stehen zu lassen.
Kein Kunstwerk in Dinslaken polarisiert so wie die Figur, die der international bekannte Künstler Thomas Schütte nach einem Knetmodell seiner Tochter geschaffen hat.
Nun hat die Natur eine neue Chance – oder die Dinslakener haben eine neue Gelegenheit, sich mit dem ungeliebten Kunstwerk anzufreunden. (aha)