Dinslaken. Das Einzelhandelskonzept zeigt, welche Geschäfte in Dinslaken Kundschaft von außerhalb anziehen - und was Dinslakener lieber anderswo kaufen.
Die Neutor-Galerie war ein Gewinn für die Dinslakener Innenstadt. Das ist eine der Aussagen des Dinslakener Einzelhandels- und Zentrenkonzepts, erstellt vom Dortmunder Büro „Stadt + Handel“. Für die Fortschreibung des Konzepts, das erstmals 2014, im Eröffnungsjahr der Neutor-Galerie, erstellt wurde, wurden unter anderem Versorgungsdefizite in der Innenstadt und den Nahversorgungszentren und die Funktionsfähigkeit der Innenstadt im Zusammenhang mit dem Einkaufszentrum untersucht. Ein Ergebnis: Durch die Galerie, gegen deren Bau 2007 sogar ein Bürgerbegehren angestrengt wurde, sei die Versorgungsfunktion der Innenstadt „wesentlich verbessert“ worden. Allerdings zeigt das Gutachten auch Defizite auf – bei der Versorgungssituation in Dinslaken im Allgemeinen und der Neutorgalerie im Besonderen.
Das sind die Rahmenbedingungen
Die Rahmenbedingungen für den Einzelhandel sind in Dinslaken gut: Die Stadt verfügt über eine einzelhandelsrelevante Kaufkraft von 510,3 Millionen Euro – 7379 Euro je Einwohner. Die einzelhandelsrelevante Kaufkraftkennziffer liegt in Dinslaken bei 102 und liegt damit sowohl leicht über dem Durchschnitt von NRW (99) als auch über dem Bundesdurchschnitt von 100. Im Stadtgebiet sind (Erhebung Herbst 2022) insgesamt 340 Einzelhandelsbetriebe mit einer Gesamtverkaufsfläche von 114.400 Quadratmetern ansässig. Das sind 1,66 Quadratmeter pro Einwohner – auch hier liegt die Stadt leicht über dem Bundesdurchschnitt von 1,51 Quadratmetern Verkaufsfläche pro Einwohner. „Die Stadt weist damit eine für ein Mittelzentrum leicht überdurchschnittliche Verkaufsflächenausstattung auf“ , so das Gutachten, das große Flächen vor allem in der Neutor-Galerie sowie im Gewerbegebiet Mitte und an der Thyssenstraße (Real) ausmacht.
So viel Geld bleibt in Dinslaken
Von den 510,3 Millionen Euro Kaufkraft bleibt ein Einzelhandelsumsatz von 397,2 Millionen Euro brutto im Jahr in Dinslaken. Das entspricht einer Einzelhandelszentralität von 90 Prozent. Bei einem Wert von über 100 Prozent geht man davon aus, dass Kaufkraft zufließt, also Menschen auch aus anderen Kommunen in Dinslaken einkaufen. Es fließt also Kaufkraft aus Dinslaken ab. Der Wert von 90 Prozent sei zwar „angesichts der zentralörtlichen Funktion von Dinslaken als Mittelzentrum sowie der zunehmenden Bedeutung des Online-Handels als noch angemessen zu bewerten“, so das Einzelhandels- und Zentrenkonzept.
Was Dinslakener in anderen Kommunen kaufen
Allerdings fällt die Einzelhandelszentralität je nach Warengruppe sehr unterschiedlich aus – es gebe einen „gewissen Handlungsbedarf zur Optimierung der Angebotsstrukturen in Dinslaken“. Kaufkraftabflüsse gibt es etwa bei Teppichen/Gardinen/Dekostoffen/Sicht- und Sonnenschutz (31 Prozent), Möbeln (32 Prozent Einzelhandelszentralität), Spielwaren/Basteln/Hobby/Musikinstrumente (40 Prozent) oder Sportartikeln/Fahrrädern/Camping (43 Prozent) oder Neuen Medien/ Unterhaltungselektronik (48 Prozent). Kaufkraftzuflüsse gibt es im Bereich Glas/Porzellan/Keramik/Hausrat/Einrichtungszubehör (132 Prozent) laut Gutachten vor allem durch das „ausgeprägte Angebot filialisierter Anbieter“ wie Tedi, Kodi und Action sowie im Bereich Drogerie/Parfümerie/Kosmetik und Apotheken (103 Prozent).
Was an der Neutor-Galerie geändert werden könnte
Das Gutachten führt das auf die Konkurrenz etwa durchs Centro in Oberhausen sowie den hohen Online-Anteil bei bestimmten Waren – etwa Spielzeug – sowie „nicht vollumfängliche Angebotsstrukturen, geringere Verkaufsflächenausstattungen“ und das starke Wettbewerbsumfeld etwa bei Unterhaltungselektronik zurück. Dass die Zentralität bei Bekleidung noch bei 80 Prozent und Schuhen bei 65 Prozent liegt, führt das Gutachten auf die Neutor-Galerie zurück: „Es ist davon auszugehen, dass ohne die Schaffung moderner Handelsflächen mit der Neutor Galerie die Versorgungsfunktion Dinslakens insbesondere bei den innerstädtischen Leitsortimenten Bekleidung und Schuhe/Lederwaren noch weiter zurückgegangen wäre.“ Gleichzeitig spreche das Einkaufszentrum jüngere Zielgruppen durch „moderne Marken” verstärkt an, Netto ergänze das Angebot an Nahrungs- und Genussmitteln, Expert stärke das Angebot „im langfristigen Bedarfsbereich“. Der „neu hergerichtete Neutorplatz“ biete zudem „Potenzial für Sitz- und Verweilmöglichkeiten sowie zur Einrichtung von Außengastronomiebereichen.“ Allerdings schlagen die Gutachter aufgrund der Leerstände eine „Restrukturierung des Obergeschosses der Neutor-Galerie“ etwa durch einen Ausbau des Food Courts und eine „Anreicherung mit nicht handelsbezogenen Nutzungen“ wie Dienstleistungen und öffentlichen Einrichtungen vor.
Wo es Defizite bei der Lebensmittelversorgung gibt
Handlungsbedarf sieht das Konzept auch bei der Lebensmittelversorgung. „In Dinslaken besteht aktuell zusätzliches Ansiedlungspotenzial für Lebensmittelsortimente.“ Nahrungs- und Genussmittel kaufen nicht alle Dinslakener vor Ort, die Zentralität liegt bei 87 Prozent. Grund sind laut Gutachten „qualitative Versorgungsdefizite im Bereich des Vollsortiments sowie räumliche Versorgungslücken“. Mit einer Verkaufsfläche von von etwa 26.700 Quadratmetern (0,39 Quadratmeter pro Einwohner) liegt Dinslaken etwas unter dem Bundesdurchschnitt, mit 0,15 Quadratmetern Verkaufsfläche für Lebensmittelvollsortimenter sogar deutlich unter dem Bundesdurchschnitt (0,25), bei Discountern (0,18) darüber (0,16). Heißt: Dinslaken hat insgesamt zu wenig Lebensmittelmärkte, dafür aber zu viele Discounter. Das Gutachten schlägt daher zur „Verbesserung der Nahversorgungssituation die Neuansiedlung eines Lebensmittelmarktes“ vor.
Optimierungspotenziale gebe es etwa im Averbruch und in Lohberg. Für Lohberg schlägt das Gutachten die Ansiedlung eines Lebensmittelvollsortimenters an der Hünxer Straße vor, um dem dortigen „qualitativen Versorgungsdefizit“ zu begegnen – zur Not könne dieser auch als Kopplungsstandort, also in Nachbarschaft des Netto, eingerichtet werden. Dem „Nahversorgungsstandort Hünxer Straße“ werde „eine besondere Versorgungsfunktion für den gesamten Ortsteil zugesprochen“.
Bei der letzten Fortschreibung des Konzepts wurde Lohberg der Status als Nahversorgungszentrum aberkannt, weil der Standort der Funktion nicht gerecht werden. Um die Versorgung zu gewährleisten, wurde der Netto an der Hünxer Straße ermöglicht. Später hat bekanntlich der Edeka am Johannesplatz geschlossen.
Damit das Nahversorgungszentrum Buchenstraße seine Funktion voll erfüllen kann, schlägt das Gutachten die „Modernisierung und Erweiterung“ des Netto vor sowie die Ansiedlung „mindestens eines weiteren strukturprägeenden Nahversorgungsbetriebs“, etwa eines Super- oder Getränkemarkts. Als Potentialfläche dafür wird der Bolzplatz vorgeschlagen.