Dinslaken. Julia Siedentopf ist nach der Geburt ihres zweiten Kindes an Krebs erkrankt. Wie sie damit umgegangen ist – und was sie anderen Betroffenen rät.

Als Julia Siedentopf an einem Abend im Mai des vergangenen Jahres nach dem Duschen ihre Brust abtastete, spürte sie etwas, was da zuvor nie war. Etwas, was da auch nicht hingehört – einen Knubbel. „Ich dachte zuerst an eine verstopfte Drüse, weil ich noch gestillt habe, aber irgendwie hatte ich doch ein ganz komisches Bauchgefühl“, erzählt die Dinslakenerin.

Also machte sie einen Termin bei ihrem Gynäkologen. Es folgten Untersuchungen im Brustzentrum, eine Biopsie des Brustgewebes und die Gewissheit: Es ist Krebs. Der Knubbel ist ein 1,4 Zentimeter großer Tumor. „Die Ärzte sprachen von einem hoch-aggressiven Tumor. Er ist schnell gekommen, schnell gewachsen und ich habe ihn zum Glück schnell bemerkt“, erzählt Siedentopf.

Julia Siedentopf zeigt ein Bild aus der Zeit vor ihrer Krebserkrankung: mit langen blonden Haaren.
Julia Siedentopf zeigt ein Bild aus der Zeit vor ihrer Krebserkrankung: mit langen blonden Haaren. © FUNKE Foto Services | Markus Weißenfels

Mit 31 Jahren ist die zweifache Mutter an Brustkrebs erkrankt. Das Leben der vierköpfigen Familie wurde von jetzt auf gleich auf den Kopf gestellt. Siedentopfs jüngster Sohn war zum Zeitpunkt der Diagnose gerade einmal sechs Wochen alt. „Ich habe überhaupt nicht darüber nachgedacht, dass mich gerade jetzt so ein Schicksal treffen könnte.“

Jede achte Frau in Deutschland erkrankt an Brustkrebs

Julia Siedentopf möchte kein Mitleid, möchte nicht hören, wie tapfer sie die Krankheit durchgestanden hat. Sie macht ihre Krankheit aus einem anderen Grund öffentlich: Sie möchte Frauen, die ebenfalls die Diagnose Brustkrebs bekommen haben, Mut machen. „Und ich will darauf aufmerksam machen, wie wichtig die regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen sind – gerade auch im jungen Alter“, sagt sie.

Statistisch erkrankt jede achte Frau in Deutschland an Brustkrebs. Laut Deutscher Krebsgesellschaft ist Brustkrebs mit 30 Prozent aller Krebsfälle die häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland. Dabei steigt das Risiko mit zunehmendem Alter. Im Schnitt erkrankt eine Frau mit 64 Jahren an Brustkrebs. Jede vierte Betroffene ist jünger als 55 Jahre, jede Zehnte jünger als 45 Jahre alt.

Julia Siedentopf rat: Alltag so gut es geht normal weiterleben

„Die Chance, dass es einen selbst trifft, ist schon sehr hoch“, sagt Julia Siedentopf. „Aber je früher der Krebs erkannt wird, desto besser sind auch die Heilungschancen.“ So auch im Fall der jungen Dinslakenerin. Der Krebs hatte bei ihr noch nicht gestreut. 16 Chemos waren trotzdem notwendig.

„Ich habe versucht, meinen Alltag so gut es geht weiterzuleben. Ich bin jeden Tag mit meinen Kindern spazieren gegangen. Ich wollte meine Selbstständigkeit nicht aufgeben. Die Normalität – wenn auch deutlich entschleunigt – hat mir gutgetan. Ich habe nie meinen Lebensmut verloren.“ Und das rät Siedentopf auch anderen Betroffenen: Sein Schicksal anzunehmen, trage definitiv zur Genesung bei.

Julia Siedentopf hat eine Strähne ihres Haares aufgehoben.
Julia Siedentopf hat eine Strähne ihres Haares aufgehoben. © FUNKE Foto Services | Markus Weißenfels

Was der emotionalste Moment während der Erkrankung war? „Meine Haare abzurasieren“, erzählt die heute 32-Jährige. Aber nicht, weil sie so sehr an ihren langen blonden Haaren hing, sondern weil sie Angst hatte, dass ihr älterer Sohn sie so nicht wiedererkenne. „Wir haben ihn dann mit eingebunden. Ich habe gesagt: ‚Papa hat eine Glatze und Mama jetzt auch‘. Er hat es ganz cool aufgenommen“, erinnert sich Siedentopf.

Termin im Perückenstudio wieder abgesagt

Vorsorglich hatte die gelernte Krankenschwester schon einen Termin im Perückenstudio vereinbart – und ihn dann doch wieder abgesagt. „Ich wollte mich nicht verstecken, ich habe mich so akzeptiert wie ich bin.“ Die Blicke anderer habe Julia Siedentopf schon registriert. „Sie haben mich irgendwann nicht mehr gestört.“

Aber nicht alles hat die so stark wirkende Frau einfach weggesteckt. Die Medikamente hatten ihr Immunsystem geschwächt. Auch die Blutwerte verschlechterten sich. „Es war zeitweise lebensbedrohlich. Da habe ich wirklich gespürt, dass ich richtig krank bin. Natürlich habe ich mich in diesen Momenten auch gefragt, ob meine Kinder mich kennenlernen werden.“

Das werden sie. Fünf Monate lang, bis Ende Oktober 2022, erhielt Siedentopf die Chemos. Es folgten noch eine Operation und die Bestrahlung. Seit Ende Januar ist Julia Siedentopf krebsfrei. Die junge Mutter versucht, ihrem Schicksal auch etwas Positives abzugewinnen. „Ich bin deutlich achtsamer geworden, hetze nicht mehr durch den Alltag und nehme mir mehr Zeit für Dinge, die mir guttun.“

In einer Kiste hat Julia Siedentopf Glücksbringer und den Port aufgehoben. Sie erinnern an die Krankheit.
In einer Kiste hat Julia Siedentopf Glücksbringer und den Port aufgehoben. Sie erinnern an die Krankheit. © FUNKE Foto Services | Markus Weißenfels

Eine kleine Kiste erinnert noch an die Krankheit. In der Box hat Siedentopf Glücksbringer, Karten, den Port, über den sie die Medikamente verabreicht bekommen hat, und eine geflochtene Haarsträhne ihres blonden Haares aufgehoben. „Der Krebs war ein Teil meines Lebens und irgendwie wird er das auch immer ein bisschen bleiben.“

Ihre Geschichte möchte Julia Siedentopf zudem in einem Buch festhalten. 100 Seiten hat sie schon geschrieben. Und es sollen noch einige folgen…