Dinslaken/Oberhausen. Auf einer Schafweide an der Grenze Dinslaken/Oberhausen wurden 20 trächtige Tiere getötet, verletzt oder verjagt. Das LANUV war vor Ort.

Auf einer Weide auf der Grenze Dinslaken/Oberhausen (Hinter den Kämpen) liegen acht tote Schafe über fünf Hektar verteilt. Teilweise sind ihre Augen weit aufgerissen, die Körper mal mehr, mal weniger abgefressen. Vermutlich haben sich Wölfe an der Herde des Schäfers Tobias Thimm, der die Kadaver gegen acht Uhr morgens entdeckte, zu schaffen gemacht. Die Herde umfasste insgesamt 120 Tiere, von denen sich viele in den umliegenden Wald oder teilweise auch in Gärten von Anwohnern geflüchtet haben.

Neben den auf der Weide liegenden wurde ein weiteres Schaf tot aufgefunden, zwei weitere mussten aufgrund der Schwere ihrer Verletzungen eingeschläfert werden und noch zwei wurden von Anwohnern der umliegenden Wohngegend schwer verletzt aufgefunden. Um 16 Uhr waren sieben weitere Schafe immer noch vermisst und wurden auch mit Drohnen gesucht. Da es bald Lammsaison ist, waren alle gerissenen Schafe kurz davor, Nachwuchs zu bekommen. Bei dem Angriff wurden mehrere stromführende Zäune umgerissen und die trächtigen Schafe teilweise bis zur Franzosenstraße in Oberlohberg gejagt.

Verbundenheit zu den Schafen

„Man kennt die Tiere schon ein paar Jahre und lebt als Schäfer davon. Es sind ,liebgewonnene Mitarbeiter’. Das tut schon weh“, sagt Thimm mit Tränen in den Augen. Als der Schäfer sich wenig später wieder gefangen hat, fügt er an: „Der Wolf gehört hier nicht in die Landschaft. Wir sind am Rande des Ruhrgebiets. Wir haben hier zwar einen Elektrozaun (10 KV), aber keine Herdenschutzhunde, weil das wirtschaftlich nicht tragbar ist“, hadert der Oberhausener, der seit zwei Jahren selbstständiger Schäfer ist und in diesem Zuge, neben Flächen in Oberhausen und Mülheim am Ruhrdeich, auch die Weide in Dinslaken übernommen hat. Sein Vorgänger habe 2019 einen Wolfsangriff über seine Herde erleben müssen, er selber sei bislang noch nicht betroffen gewesen, erklärt der 37-Jährige.

Die Angst, dass sich ein solcher Fall wiederhole, sei auf jeden Fall da. Die übrig gebliebene Herde werde nun erst einmal eingestallt, da sonst die Wahrscheinlichkeit hoch sei, dass die Raubtiere noch einmal wiederkämen. Er habe in der Nacht vor dem Angriff schon ein ungutes Bauchgefühl gehabt „und das passt jetzt wie die Faust aufs Auge“, befand Thimm seufzend.

Getötete Tiere unersetzlich

„Ich kann die 20 Tiere nicht ersetzen. Außerdem ist die Frage, ob die anderen jetzt ,durchlammen’ oder Totgeburten erleiden“, sorgt sich Thimm. Früher habe er gedacht, Wolf und Schäfer müssten sich gegenseitig miteinander abfinden, mittlerweile sei er geteilter Meinung.

„Was die Zahl der Wölfe in Deutschland angeht, wäre eine Regulierung gar nicht schlecht. Die Leute wollen mehr Tierwohl und Weidehaltung und wir halten unsere Tiere auch die meiste Zeit draußen, aber so ist es ein erhebliches wirtschaftliches Risiko“, betont der Schäfer.

„Jetzt haben wir das Problem, dass wir eine geschädigte Herde haben und das Ganze noch ein langwieriges, weiteres Spiel sein wird, das mit Kosten verbunden ist, die keiner sieht und keiner hört. Wir müssen zum Beispiel Futter dazukaufen, das noch nicht geplant war.“

Mit allen Folgekosten des Angriffs „kommen wir im schlimmsten Fall auf einen finanziellen Schaden von 14.000 Euro - und das nur, weil der Wolf frei herumläuft, und sich am Buffet bedient, trotz Wolfsabwehrzäunen. Dann muss ich mir jetzt anhören, warum wir keine Herdenschutzhunde haben.“

Für Thimm sei es nun eine „wirtschaftliche Entscheidung, weil ich weiß, dass ich den nächsten Wintergang nicht in diese Gegend absolvieren kann. Die ist für mich eigentlich sehr gut, weil es eine sehr hohe zusammenhängende Fläche ist (über 23 Hektar) mit sehr schönem Futter und jetzt stehen wir da wie der Ochs vorm Berg und kommen nicht weiter.“

Die 100 noch übrig gebliebenen Tiere seien nach Oberhausen in den Hauptstall von Thimm’s Betrieb gebracht worden. Er habe befreundete Landwirte mobilisiert, die ihn gefragt hätten, ob er Hilfe brauche. „Es sind ganz viele Kollegen gekommen und haben mir geholfen.“

LANUV untersucht den Tatort

Wolfs-Experten des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) waren vor Ort, um den Fall zu dokumentieren und Proben zu nehmen. Ob es sich bei den angreifenden Tieren tatsächlich um Wölfe handelt, lässt sich erst anhand der DNA-Untersuchungen feststellen. „Wenn ein totes Schaf mit Verdacht auf den Wolf gefunden wird, ist es wichtig, dass wir informiert werden. Vor Ort werden die verletzten Schafe dokumentiert, um festzustellen, was diese Bisse verursacht hat. Außerdem wird die Gesamtlage, z.B. wie der Zaun ausgesehen hat, und der Ablauf, sofern das bekannt ist, dokumentiert“, erklärt Ingrid Hucht-Ciorga, die die Spurensicherung übernommen hat.