Dinslaken. Seit einem Jahr gibt es in Dinslaken „Corona-Spaziergänge“ und nun auch Freitags-Demos: Das Bündnis ruft auf, sich zur Demokratie zu bekennen.
Seit etwa einem Jahr marschieren in Dinslaken sogenannte „Corona-Spaziergänger“ fast jeden Montag durch Stadt und Stadtpark. Zwar sind die Teilnehmerzahlen deutlich gesunken – von mehreren hundert auf etwa 50 pro Veranstaltung. Anders als in den anderen Kommunen des Kreises Wesel gibt es aber neben dem nicht angemeldeten „Spaziergang“ seit einigen Wochen eine regelmäßige weitere Demo. Das Dinslakener Bündnis, dem mehrere Parteien, Religionsgemeinschaften, Organisationen und Einzelpersonen angehören, hat das zum Anlass genommen, eine Stellungnahme zu formulieren – und Bürgern per Online-Petition die Gelegenheit zu geben, sich explizit zur freiheitlichen Grundordnung zu bekennen.
Demos „gegen Staatsterror“
Während die Montagsspaziergänge nach wie vor nicht angemeldet sind, gehen die Demonstranten freitags angemeldet auf die Straße: Unter dem Titel „Revolution“ demonstrieren sie lautstark unter anderem für „Rede- und Meinungsfreiheit“ und „reale Selbstbestimmung“, eine „echte Verfassung“ und einen „Friedensvertrag“ – also teils Forderungen, die sich mit denen der Reichsbürger decken – sowie gegen „NATO , WHO , WEF , EZB, ARD, ZDF, Diskriminierungen, Staatsterror, Willkür, fremdbestimmte Politik“ und „korrupte Regierung“. Was Anwohner der Demostrecke davon halten, haben sie mehrfach gezeigt, indem sie Eimer voller Wasser oder Erde über dem Demozug ausgekippt oder diesen mit Eiern beworfen haben.
Bekenntnis zur Demokratie
Unter dem Titel „Mit der Demokratie spielt man nicht“ setzt nun das Dinslakener Bündnis ein Statement gegen Verschwörungsmythen, „Querdenken“ und „Trittbrettfahrer“. Angesichts der „auf Freitage ausgeweiteten ‘Spaziergänge’“ erweitere das Bündnis sein „Bekenntnis zu faktenbasiertem Denken, zu Menschlichkeit und einem friedlichem Umgang in unserer Gesellschaft, zur Demokratie und zu unseren staatlichen Institutionen“, heißt es in der Stellungnahme.
„Demokratischer Streit und die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Positionen sind maßgebliche Grundlagen unseres friedlichen Zusammenlebens. Auch Demonstrationen sind ein Teil dessen, und alle Bürgerinnen und Bürger haben das Recht, ihren Ansichten öffentlich Ausdruck zu verleihen. Dies bedeutet auch, dass Entscheidungen der demokratischen und staatlichen Institutionen nicht schweigend akzeptiert werden müssen, sondern angezweifelt und kritisiert werden dürfen, so das Bündnis,
„Das Fundament jeglichen Streites, unabhängig von konkreten Sachverhalten“ müsse aber „die Akzeptanz der Demokratie und der staatlichen Institutionen sein“, heißt es in dem Statement. „Verunglimpfungen, Umsturzfantasien, Staatsfeindlichkeit, Drohungen und Faktenleugnung dürfen in unserer Gesellschaft keinen Platz haben. Wir dürfen und werden sie zu keiner Zeit schweigend hinnehmen, schon gar nicht akzeptieren.“ Die Auswüchse würden sich in einem „Erstarken der politischen Feindseligkeit“, der „Unmenschlichkeit“ und, das habe die Geschichte gezeigt, in „Chaos und Gewalt“ niederschlagen.
„Wir leben in einer Zeit großer Umbrüche und einschneidender Ereignisse“ und daraus wollten „radikale Kräfte ihren politischen Nutzen“ ziehen, so das Bündnis. „Die große demokratische Mehrheit darf daher nicht schweigsam sein, wenn eine von antidemokratischen Trittbrettfahrern angetriebene laute Minderheit agitiert.“ Wer behaupte, dass es in Deutschland „Staatsterror“ und eine „Diktatur“ gebe, „verbreitet Lügenparolen. Der Weg zur Verharmlosung oder Verleugnung des Holocaust ist nicht weit.“
Das Bündnis werde daher „weiterhin klar und deutlich auf die Gefahren von Verschwörungsmythen, der Untergrabung der Demokratie, Staatsfeindlichkeit, Menschenfeindlichkeit und Antisemitismus hinweisen“ – und es ruft alle Demokratinnen und Demokraten auf, montags von 19 bis 20 Uhr, die Mahnwache vor dem Rathaus zu unterstützen: „Lassen Sie uns gemeinsam unsere Demokratie vor Angriffen schützen“.
Zusammenstoß befürchtet
Das Bündnis hat das Statement mit der Bitte um Unterstützung an mehrere Dutzend Organisationen und Personen in Dinslaken gemailt. Von dort muss es an die Montags- und Freitagsdemonstranten weitergegeben worden sein. Weil es in deren Telegram-Gruppen einen Aufruf gab, zur Mahnwache zu marschieren, war am Montag mehr Polizei präsent als sonst. Beide Demonstrationen verliefen aber ohne Zwischenfälle und Zusammenstöße.
Aufruf zu Petition
Alle Dinslakener sollen die Gelegenheit erhalten, sich im Rahmen der Online-Petition „unterstützend zu den Werten der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu positionieren“, so das Bündnis: „Wir wollen keine demokratiefeindlichen Demonstrationen in unserer Heimatstadt.“ Zur Petition des Dinslakener Bündnisses gelangt man über den QR-Code im Foto (mit Handy-Kamera fokussieren) oder über folgenden Link: https://chng.it/rHpmxCJRr9.
>>Hintergrund
Seit einem Jahr „spazieren“ Coronagegner regelmäßig durch die Kreis Weseler Innenstädte. Die Kreis-Polizei zählte bis Ende Oktober insgesamt 476 Veranstaltungen im Kreis Wesel, ein Drittel davon war nicht angemeldet (2021: 129 Veranstaltungen; 2018: 23 Veranstaltungen). Die Polizei – für die diese Veranstaltungen eine zusätzliche Arbeitsbelastung bedeuten – hat mehrfach Strafanzeige gegen Personen gestellt, die offenbar die Funktion eines Versammlungsleiters ausübten. Die angemeldeten Freitagsdemos in Dinslaken sind auch durch das Versammlungsrecht geschützt, wenn sie sich gegen das „System“ wenden, so Peter Reuters, Sprecher der Kreispolizeibehörde. (aha)