Dinslaken. Das Oberverwaltungsgericht weist die Berufungsklage des Freibadvereins gegen die Stadt Dinslaken ab. Mit einer überraschenden Begründung.

Das ist wohl nun wirklich das Ende des Freibads Hiesfeld. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat die Berufungsklage zweiter Mitglieder Freibadvereins geradezu abgeschmettert und damit die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf aus dem Jahr 2020 nicht nur bestätigt - sondern darüber hinaus noch ergänzt. Der Freibadverein war mit einer fünfköpfigen Delegation vor Ort.

Das ist die Urteilsbegründung

Gleich mit drei Begründungen hat das Gericht die Berufung abgewiesen – eine einzige Begründung hätte bereits gereicht, so Dr. Gudrun Dahme, Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht und Sprecherin des OVG. Zwei sind überraschend.

Zuallererst ist nach Ansicht des OVG das Bürgerbegehren des Freibadvereins von Anfang an unzulässig. Die Begründung auf der Unterschriftenliste habe nicht genügt, so Dr. Dahme: Die Informationsangaben seien nicht ausreichend gewesen, denn dort sei „nur unvollständig über den aufzuhebenden Ratsbeschluss informiert worden.“ Insbesondere sei nicht deutlich geworden, dass der Ratsbeschluss „ein Konzept für drei Schwimmbäder betraf.“

Reinhard Claves, einer der Mit-Initiatoren des Bürgerbegehrens und Kläger, ist angesichts dessen „völlig konsterniert“. Denn die Formulierungen auf den Unterschriftenlisten seien von der Stadtverwaltung geprüft worden. Die Stadtverwaltung habe damals sogar noch eine Umformulierung erbeten. Den Bürgern, die unterschrieben hätten, sei aufgrund der öffentlichen Diskussion sicher bewusst gewesen, worum es ging, meint Claves. 8000 Unterschriften – und alle ungültig. Das sei „enttäuschend“.

Rainer Horstmann, Guido Pfennig, Reinhard Claves, Thomas Giezek und Jürgen Weber vom Freibadverein beim OVG.
Rainer Horstmann, Guido Pfennig, Reinhard Claves, Thomas Giezek und Jürgen Weber vom Freibadverein beim OVG. © privat

Auch die zweite Begründung sorgt bei den Mitgliedern des Freibadvereins für Fassungslosigkeit. Noch vor dem Senat des OVG hat Claves am Morgen vorgetragen, dass die Stadtwerke mit Einreichung der Klage beim Verwaltungsgericht Düsseldorf durch die Vertreter des Bürgerbegehrens quasi über Nacht das alte Freibadbecken abgerissen hätten. Ein Umstand, den Claves seit Jahren kritisiert. Die Stadtwerke hätten damit „illegale Arbeiten ohne Ratsbeschluss“ vorgenommen. Genau dieses fehlende Becken ist nun der Grund, warum das OVG die Klage des Freibadvereins abweist: Das Ziel des Bürgerbegehrens richte sich inzwischen „auf etwas Unmögliches“, so die OVG-Sprecherin. Angestrebt sei der Erhalt des Freibades Hiesfeld gewesen: „Das ist nun nicht mehr möglich, nachdem die Freibadanlage bereits abgerissen wurde.“ Ob dieser Abriss rechtens war oder nicht – das sei nicht Gegenstand der Verhandlung gewesen, so Dr. Dahme.

Die dritte Begründung betrifft einen Aspekt, den auch das Verwaltungsgericht thematisiert hat: den zeitlichen Rahmen. Laut Gemeindeordnung muss „unverzüglich“ festgestellt werden, ob ein Bürgerbegehren zulässig ist. Diese „unverzügliche Feststellung“ sei aber in diesem Fall nicht möglich gewesen, weil die Initiatoren des Begehrens 2017 „im Rahmen des Kompromisses auf die Fortsetzung des Bürgerbegehrens verzichtet hatten. Damit hätten sie, so das OVG nun, auch darauf verzichtet, „dass die Zulässigkeit festgestellt wird,“ erklärt die Sprecherin. Davon seien die Initiatoren zwar eineinhalb Jahre später abgerückt – aber dann könne eben nicht mehr „unverzüglich“ festgestellt werden.

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Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte vor zwei Jahren explizit eine Berufung zugelassen, weil die Frage, ob ein Kompromiss ein Bürgerbegehren beenden kann, juristisch nicht geklärt war. Reinhard Claves hätte sich über eine „Lex Dinslaken“ sehr gefreut, hatte aber den Eindruck, dass der Senat das Thema „vom Tisch haben“ wollte.

So geht es weiter

Das Urteil des OVG ist noch nicht rechtskräftig. Der Senat hat keine Revision zugelassen. Theoretisch könnten die Initiatoren des Bürgerbegehrens dagegen Beschwerde einlegen – darüber würde dann das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheiden. Das mache aber keinen Sinn, wenn es keine „juristisch keine Perspektive“ gebe, so Claves. Das ganze Verfahren habe die Initiatoren auch „viel Energie“ gekostet, sagt er.

In der nächsten Sitzung des Freibadvereinsinternen Arbeitskreises werde besprochen, wie es weitergehe. Die Mitglieder müssten in einer Mitgliederversammlung informiert werden. Dann gehe es wohl auch um die Auflösung und Abwicklung des Freibadvereins.

Dem Verein, der seit fünf Jahren kein Freibad mehr hat aber immer noch rund 600 Mitglieder fehle nun wohl endgültig die Arbeitsgrundlage, so Claves: das Freibad. Sein Fazit aus dem langwierigen Prozess: „Gehe nie einen Kompromiss mit einer Verwaltung ein.“

Das fordert der Anwalt

Robert Hotstegs, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, hat die Bürgerbegehren-Initiative im Klage- und Berufungsverfahren vertreten.

Der aktuelle Fall zeige, „dass die Regelungen in NRW noch deutlich bürger:innenfreundlicher werden müssen,“ findet Hotstegs. „Die hohen Anforderungen an die Begründung eines Begehrens dürfen nicht dazu führen, dass erst nach fünf Jahren erstmalig Fehler auffallen.“

Der Dinslakener Fall, das habe das Gericht bei der Eröffnung gesagt, sei „einmalig“: Dass eine Initiative zunächst einen Kompromiss mit der Stadt abschließe, dieser dann scheitere und man darüber diskutiere, ob ein Bürgerbegehren wieder aufleben könne – das „hatten wir noch nie“, so die Worte des OVG-Richters Sebastian Beimesche. Es müsse, so fordert Hotstegs, auch zukünftig möglich sein, „gute Kompromisse abzuschließen, ohne dass die Bürger:innen dann am Ende den Kürzeren ziehen.“

Die Landesregierung habe angekündigt, die Beratung von Bürgerbegehren und Gemeinden zu stärken. Hotstegs hofft auf „deutliche Verbesserungen“ im Gesetz: „Die Gemeindeordnung darf sich durchaus an anderen Bundesländern orientieren, die mehr direkte Demokratie ermöglichen.“