Voerde. Der Förderverein, der die Bücherei eigenverantwortlich betreibt, spricht von „chronischen Unterfinanzierung“. Corona habe Lage zudem erschwert.

Ende 2021 hat der Stadtrat eine Erneuerungsquote von zehn Prozent für den Medienbestand der Stadtbibliothek auf den Weg gebracht. Die Entscheidung geht auf einen Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen zurück und beinhaltet eine Anhebung der Haushaltsmittel um 19.140 Euro auf 49.140 Euro ab 2022. Eine Erneuerungsquote von zehn Prozent wäre für die Bücherei Spellen dagegen utopisch. Die Einrichtung wird nicht von der Stadt, sondern seit 1996 vom gleichnamigen Förderverein eigenverantwortlich betrieben. Der städtische Zuschuss liegt bei 18.280 Euro jährlich.

„Davon ist kein Buch gekauft“, sagt Ines Hickl, Geschäftsführerin des Fördervereins der Bücherei Spellen. Denn: Der tatsächliche Finanzbedarf betrage etwa 29.000 Euro (Kosten für Gebäude, Personal, Erneuerung des Medienbedarfs). Der Förderverein um den ersten Vorsitzenden Klaus Hackstein spricht von einer „chronischen Unterfinanzierung“. Für eine höhere Erneuerungsquote des Medienbestandes aus eigenen Mitteln wird kein Spielraum gesehen. Dass Handlungsbedarf besteht, sei im zuständigen Arbeitskreis „Sport und Kultur“ deutlich geworden, dem auch der Spellener Förderverein die Situation im Frühjahr darlegte. Allen Parteien sei klar, dass zur Sicherung der drei Stadtteilbüchereien Geld in die Hand genommen werden muss, erklärt Hickl, die für die SPD im Stadtrat sitzt. Ein Ergebnis dazu stehe noch aus.

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Corona hat die Situation zusätzlich erschwert. Die Bücherei Spellen war während der Pandemie mehrere Monate lang geschlossen. Die Zahl der Leseausweise (Jahresbetrag: elf Euro, Familien zahlen 16 Euro) ging zurück. Gleiches gilt für die Spenden, die neben den Mitgliedsbeiträgen eine wichtige Einnahmequelle sind. Zweimal im Jahr ist der Förderverein auf dem Bauernmarkt mit einem Bücher- und Kuchenverkauf präsent. Dieser fiel in Folge von Corona 2020 und 2021 weg und mithin auch die Einnahmen daraus: rund 500 Euro je Veranstaltung, also insgesamt etwa 2000 Euro. Auf der anderen Seite musste der Förderverein pandemiebedingte Zusatzanschaffungen für den Betrieb der Bücherei bezahlen.

Deren Bestand umfasst insgesamt 10.000 Medien. Eine Erneuerungsquote von zehn Prozent wie bei der Stadtbibliothek würde – ausgehend von 18 Euro je Medium – einen Finanzaufwand von rund 18.215 Euro bedeuten. „Das ist uns allen klar, dass das nicht möglich ist“, sagt Ines Hickl. Es gelte, „realistische Forderungen zu stellen. Wichtig ist uns, dass die Fixkosten gedeckt sind“. Immerhin hat der Förderverein im vergangenen Jahr 441 Medien neuangeschafft und dafür rund 3886 Euro in die Hand genommen. Das entspricht einer Erneuerungsquote von 4,41 Prozent. Der Anschaffungspreis lag ergo je Medium im Gesamtdurchschnitt bei unter neun Euro.

Wunsch nach anderem Verständnis von Büchereien

Ines Hickl würde sich ein anderes Verständnis von Büchereien wünschen. Für die Geschäftsführerin des Fördervereins sind sie nicht nur ein wichtiger Ort der Bildung und ein „authentischer Ort der Nachhaltigkeit“, weil dort Bücher geteilt, getauscht und von vielen Menschen gelesen werden, sondern auch eine öffentliche Begegnungsstätte, von denen es immer weniger gebe.

Daher müssten bei der Vergabe städtischer Zuschüsse auch andere Mittel als allein die aus dem Kulturbereich im Fokus stehen – zumal es sich dabei, um „freiwillige Ausgaben“ der Kommune handelt, gibt Hickl zu bedenken. Es gehe darum, die Funktion einer Bücherei weiter zu begreifen. Diese könne bildungs- und gesellschaftspolitisch ein Multiplikator sein, Veränderungen zu begleiten. Insofern rücken für den Förderverein auch Mittel für die Quartiersentwicklung in den Blick.

Leader-Förderung: Antrag gestellt

Darauf zielt auch das Vorhaben ab, für das der Förderverein der Bücherei Spellen Anfang März im Rahmen des Kleinprojekte-Förderprogramms der Leader-Region Lippe-Issel-Niederrhein für 2022 einen Förderantrag gestellt hat. Damit soll die Einrichtung zu einem „barrierearmen und multifunktional zu nutzenden Begegnungsort umgestaltet werden“ und das gesamte neue Mobiliar mit Rollen ausgestattet sein. Dahinter steht das Ziel, eine „intelligente und flexible Raumlösung“ realisieren zu können, die „für vielfältige Veranstaltungen genutzt werden kann“, heißt es in dem Antrag im Rahmen des Leader-Kleinprojekte-Förderprogramms.

Von dem Geld sollen insgesamt zehn Doppelregale angeschafft sowie ein Hotspot mit freiem Wlan, zwei Kinder- und Jugend-Leseinseln mit Regalen sowie im selben Bereich zwei iPad-Stationen „empfohlene Apps der Stiftung Lesen zur Förderung der Wortschatzarbeit“ ab dem Kindergarten und der Leseförderung ab der Grundschule installiert werden. Hier sollen Eltern und Kindern für daheim Anregungen sammeln und die Chancen der Digitalisierung genutzt werden“. Die Gesamtkosten beziffert der Förderverein mit knapp 21.020 Euro, förderfähig seien 20.000 Euro. Der Förderanteil liegt bei 80 Prozent, so dass beim Förderverein ein Eigenanteil von rund 5020 Euro bliebe.

Die drei fördervereinsgeführten Büchereien im Stadtgebiet – Spellen, Möllen und Friedrichsfeld – möchten intensiver zusammenarbeiten, wie Ines Hickl berichtet: „Wir haben alle das gleiche Ziel. Wir wollen, dass alle Stadtteilbüchereien erhalten bleiben. Und gemeinsam sind wir stark.“ Seit Anfang dieses Jahres stehen alle drei Fördervereine „in engem Kontakt“. Bereits 2021 haben sie sich gemeinsam für den Heimat-Preis der Stadt Voerde beworben und sich den mit 1000 Euro dotierten dritten Platz gesichert.

>>Info: Hintergrund

Seit vielen Jahren kooperiert die Bücherei Spellen mit der Astrid-Lindgren-Schule im Bereich der Leseförderung. Für die Grundschulzeit erhält jedes Kind einen kostenlosen Leseausweis und besucht alle vier Wochen im Klassenverbund die Bücherei. Seit Corona hat es diese Besuche nicht mehr gegeben. Diese Arbeit soll wieder aufleben. Der Förderverein bezeichnet sie als Aushängeschild der Bücherei, die auch die Zukunftsfähigkeit der Einrichtung sichere. Denn: Andernorts würden Grundschulkinder üblicherweise ein- bis zweimal pro Schuljahr eine Bücherei oder Stadtbibliothek besuchen.

Erstmals hat der Förderverein der Bücherei Spellen in diesem Jahr bei der Mitgliederzahl die 100er-Marke geknackt. Der Mitgliedsbeitrag liegt bei drei Euro pro Monat. Dem Vorstand des Fördervereins gehören an: Klaus Hackstein (erster Vorsitzender), Julia Jesper (zweite Vorsitzende), Ines Hickl (Geschäftsführerin) sowie Monika Schmitz und Kristin Gilhaus (Beisitzerinnen). Das Bücherei-Team bilden Kerstin Hinte, Elisabeth Schulz und Annegret Urban.