Voerde. Die Stadt Voerde ist bei den Nachforschungen zu Opfern des NS-Regimes aus Voerde in engem Austausch mit engagierten Bürgern. Anfragen an Archive.

Ende Januar hatte Jörg Schmitz, Einzelvertreter der Linken im Stadtrat, die Verlegung von Stolpersteinen auch in Voerde angeregt – neun Monate später, wenige Tage vor dem Gedenken zum 83. Jahrestag der Reichspogromnacht mündete der Vorstoß in einen breit getragenen Antrag: Neben Jörg Schmitz sprechen sich die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Partei dafür aus, das Projekt des Künstlers Gunter Demnig in Voerde zu initiieren: Sie bitten die Stadtverwaltung, eine Übersicht der Voerder Einwohnerinnen und Einwohner, die in der NS-Zeit verfolgt wurden, zu veröffentlichen. Zudem möge sie Kontakt zu Gunter Demnig aufnehmen, um eine Verlegung von Stolpersteinen in der Stadt zu erörtern. Die Antragsteller möchten, dass die dafür erforderlichen Genehmigungen gebührenfrei erteilt werden, und sie regen an, dass Voerder Schulen die Patenschaft für die Gedenktafeln, die in den Boden eingelassen werden, übernehmen.

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„Das Gedenken an die Verbrechen der Nazis, an zig Millionen ermordeter Menschen, darf nicht verblassen. Wichtig ist es, dazu auch einzelne Lebenswege und Schicksale aufzuzeigen“, sagt Jörg Schmitz. Nach dem ersten Vorstoß des Ratsherrn der Linken habe die Verwaltung unmittelbar mit der Recherche begonnen, ob es zu dieser Thematik und zu den Namen von NS-Opfern aus Voerde Informationen in den alten Akten gibt. Stadtarchivarin Kirsten Lehmkuhl sei in der Angelegenheit „mit engagierten Personen aus Voerde“ im Austausch, erklärt Miriam Gruschka, auf NRZ-Anfrage. Die Stadtsprecherin nennt hier insbesondere den Kontakt zu Markus Gehling, Pastoralreferent der katholischen Kirchengemeinde St. Peter und Paul, Pastor Wilhelm Kolks und zu Fabian Merker vom Förderverein Bürgerhaus Friedrichsfeld.

Sie hätten in der Sache auch eigene Recherchen betrieben und würden diese weiterhin führen. Die Nachforschungen der Stadt zu den Namen der Opfer des Nationalsozialismus aus Voerde seien noch nicht abgeschlossen, so Miriam Gruschka: „Die Namen auf der Liste der in Frage kommenden Personen werden aktuell mithilfe von anderen Archiven überprüft beziehungsweise werden schriftliche Belege zusammengetragen. Diese Anfragen an andere Archive dauern derzeit noch an. Sobald wir Rückmeldungen aus den Archiven erhalten haben, werden wir das Quellenmaterial sichten und uns mit der Antragsstellung bei dem Projekt Stolpersteine befassen sowie klären, ob es noch Nachkommen der NS-Opfer gibt.“

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Im Stadtarchiv gebe es leider nur sehr vereinzelt Unterlagen aus der NS-Zeit. „Daher sind wir froh und dankbar, dass wir äußerst fachkundige und engagierte Unterstützung aus der Bürgerschaft bei der Recherche erhalten“, betont Stadtsprecherin Gruschka. Demnächst soll mit Markus Gehling, Pastor Wilhelm Kolks und Fabian Merker auf der Grundlage der bisherigen Rechercheergebnisse ein Gesprächstermin stattfinden.

Die Verwaltung unterstütze den Antrag aus der Politik. Dieser steht auf der Tagesordnung des Stadtrates, der am Dienstag. 7. Dezember, ab 17 Uhr in der Aula des Gymnasiums in Friedrichsfeld tagt, und soll zunächst zur Beratung in den Ausschuss für Kultur und Sport verwiesen werden. Die nächste Sitzung des Fachgremiums ist auf den 23. März terminiert. Die Recherchearbeiten würden „unabhängig davon bereits intensiv betrieben, so dass auch möglichst zeitnah Ergebnisse erzielt werden sollen“, erklärt Stadtsprecherin Miriam Gruschka. Aufgrund der öffentlichen Berichterstattung habe sich bereits ein Bürger bereit erklärt, die ersten vier Stolpersteine zu spenden.

Markus Gehling geht dem Schicksal der Eheleute Herz nach

Eines der wenigen bekannten Opfer der Nationalsozialisten aus Voerde ist der gebürtige Spellener Joseph Herz (Jahrgang 1879). Er und seine Frau Bertha Rosa Loeb-Herz wurden 1944 in Auschwitz ermordet. Pastoralreferent Markus Gehling hat zu deren Schicksal in Online- und analogen Archiven und auf Gedenkseiten recherchiert und mit Menschen aus Spellen gesprochen.

Demnach betrieben die Eltern von Joseph Herz in Spellen eine Metzgerei. Das Haus soll dort gestanden haben, wo sich heute der Kirchenparkplatz von St. Peter befindet. 1905 heiratete Joseph Herz Bertha Rosa Loeb. In jenem Jahr zog er nach Düren, wo seine Frau ein Textilgeschäft hatte. 1934 erfolgte der Umzug nach Köln. In der Reichspogromnacht emigrierte die Familie nach Roermond (Niederlande). Dort tauchte sie unter und lebte im Verborgenen. Im Spätsommer 1944 wurde sie verraten, inhaftiert und ins Übergangslager Westerbork gebracht. Von dort wurden Joseph Herz und seine Frau wenige Wochen später nach Auschwitz deportiert, wo sie am Tag nach ihrer Ankunft ermordet wurden.

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Die Aufzeichnungen von Markus Gehling liegen der Verwaltung vor, wie Stadtsprecherin Gruschka sagt. Zu der Frage, ob in Voerde in Gedenken an die Familie Herz in naher Zukunft die ersten beiden Stolpersteine verlegt würden, sagt sie, dass die Familie schon weit vor 1933 verzogen sei, „so dass die unmittelbaren Voraussetzungen für eine Stolpersteinverlegung“ nicht gegeben seien. Die Gedenktafeln sollen möglichst vor der letzten selbst gewählten Wohnadresse liegen – nicht an der Stelle, wo die Opfer zwangsweise einziehen mussten (wie zum Beispiel vor den sogenannten „Judenhäusern“), heißt es auf der Webseite www.stolpersteine.eu. Falls das ursprüngliche Gebäude nicht mehr steht, werden die Steine an einem gut einsehbaren nahe liegenden Punkt verlegt. Für die Familie Herz seien bereits andernorts Steine verlegt worden, sagt Miriam Gruschka: auf der Weierstraße 15 in Düren und auf der Sint Christoffelstraat 30 in Roermond. (P.K./aha)