Voerde. Joseph Herz ist eines der wenigen bekannten Voerder NS-Opfer. Er wurde am 3. September 1944 im selben Zug nach Auschwitz gebracht wie Anne Frank.

Es ist ein Todesurteil für einen Menschen, das da quer über die Karteikarte gekritzelt ist: „3-9-44“ hat jemand mit rotem Buntstift über die Lebensdaten von Joseph Herz geschrieben und einen Haken dran gemacht. An diesem Tag wurde der gebürtige Voerder gemeinsam mit seiner Frau Bertha Rosa ins Konzentrationslager Auschwitz gebracht und dort nach der Ankunft ermordet. Die Eheleute gehören zu den wenigen bekannten NS-Opfern aus Voerde. Markus Gehling, Pastoralreferent in der Pfarrei St. Peter Paul Voerde, recherchiert die Geschichte der Familie Herz aus Spellen.

Das ist der Anlass der Recherche

Anlass der Recherche war ein Antrag der Linken, in Voerde Stolpersteine für die Opfer der Nationalsozialisten zu verlegen. Allerdings gibt es bislang kaum Forschung zu NS-Opfern aus Voerde. Gemeinsam mit der NRZ begann Markus Gehling mit der Suche nach der Geschichte der Eheleute Herz – die ihn nicht mehr losließ. Tag und Nacht stöberte er durch Online- und analoge Archive, Gedenkseiten, sprach mit Menschen aus Spellen.

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Die Familie betrieb eine Metzgerei in Spellen

Denn dort betrieben die Eltern von Joseph Herz eine Metzgerei. Schon im „Grossen Adressbuch von 1901“ ist Jakob Herz, Hausnummer 356, als Metzger verzeichnet. Die Häuser in den Dörfern waren damals „alle durchnummeriert“ weiß Gehling, Straßennamen gab es noch nicht. „Das Haus befand sich dort, wo sich heute der Kirchenparkplatz von St. Peter befindet, die Straße hatte damals einen stärkeren Knick“, hat der Seelsorger herausgefunden.

Die Familie Herz lebte in Voerde-Spellen, gegenüber der Kirche, und betrieb eine Metzgerei.
Die Familie Herz lebte in Voerde-Spellen, gegenüber der Kirche, und betrieb eine Metzgerei. © KAB | Spellener Bildkalender

Am 26. Februar 1879 wird Joseph Herz geboren – er hatte vermutlich vier Geschwister: Johanna, Philipp, Moritz und Sophie oder Sophia. Die genaue Anzahl und alle Schicksale sind nicht bekannt, zwei sind nach Argentinien und Kolumbien emigriert.

1905 heiratete Joseph Herz Bertha Rosa Loeb. Das Ehepaar zog nach Düren. Dort hatte Bertha Rosa ein Textilgeschäft: „Geschwister Loeb“. Auf der Weierstraße in Düren liegen heute Stolpersteine für die Eheleute. Im Ersten Weltkrieg hat sich Joseph freiwillig als Soldat gemeldet. 1932 verschwindet das Geschäft aus dem Adressbuch, die Wohnanschrift bleibt. „Vermutlich litt das Geschäft unter den Boykotten der Naziregierung“, vermutet Gehling. Als Berufe gibt Herz später Ladenbesitzer und Vorsitzender der Schulbehörde an.

Die Familie zog 1934 nach Köln und emigrierte nach der Reichspogromnacht 1938 nach Roermond. Dort tauchte sie unter und lebte im Verborgenen. Auch dort, vor dem Haus in der Sint Christoffelstr. 30, liegen Stolpersteine für die Eheleute, Josephs Name ist laut Gehling zudem auf einem Kriegsdenkmal in Roermond verzeichnet.

Sie wurden verraten und nach Westerbork gebracht

„Als sie eines Tages einen kurzen Spaziergang an der frischen Luft mit Freunden unternahmen, sind sie verraten und inhaftiert worden“, das berichtete Ronith Greenberg, die Enkelin der Herz’ aus Haifa, laut Gehling bei einem späteren Besuch in Düren.

Die Eheleute Herz wurden demselben Transport nach Auschwitz gebracht wie die Familie von Anne Frank.
Die Eheleute Herz wurden demselben Transport nach Auschwitz gebracht wie die Familie von Anne Frank. © AFP | JANEK SKARZYNSKI

Das war am 17. August 1944. Joseph und Bertha Rosa waren schon ein älteres Ehepaar. Sein Gesundheitszustand war schlecht, er war kurz zuvor offenbar operiert worden, ist auf der Karteikarte verzeichnet. Die Karten mussten auf Geheiß der Nazis die Mitglieder des Judenrats Amsterdam erstellen, sie sind heute online in den Arolsen Archives zu finden.

Die Eheleute Herz und ihre Freunde wurden ins Gefängnis und von dort dann ins Übergangslager Westerbork gebracht – der Verweis findet sich auf der Karteikarte oben rechts.

Letzter Transport aus Niederlanden

In Westerbork war zu dieser Zeit auch Anne Frank mit ihrer Familie interniert. Am 3. September 1944 verließ ein Transport Westerbork. Es war der letzte Transport aus den Niederlanden zum Vernichtungslager Auschwitz. Darin befanden sich, so ist auf der Liste der Nazis vermerkt, „1019 Juden und unerwünschte Elemente“. Anne Frank und ihre Familie waren in dem Zug. Und Joseph und Bertha Rosa Herz.

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Am 5. September erreichte der Zug das Vernichtungslager in Polen. 549 der 1019 Passagiere wurden auf der Stelle in den Gaskammern ermordet. Auch Joseph und Bertha Rosa Herz. Als Todestag wurde der 6. September 1944 verzeichnet. Joseph Herz wurde 65, Bertha 66 Jahre alt. Beide Kinder des Paars haben überlebt.

Archiv von Yad Vashem

In der Sammlung der Internationalen Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem gibt es eine Gedenkseite und Fotos von Joseph Herz und Bertha Loeb.