Voerde. Vertreter Möllener Vereine kritisieren Informationspolitik der ev. Kirchengemeinde. Mit Rückzug entziehe sie sich ihrer „sozialen Verantwortung“.

Die Pläne der Evangelischen Kirchengemeinde Götterswickerhamm, die Kirche in Möllen Ende 2022 zu schließen, stoßen in dem Stadtteil auf scharfe Kritik und Widerstand: „Wir sind maximal verärgert über die Entscheidung und Vorgehensweise“, bringt Dieter Spelleken die Gemütslage bei einem Gespräch mit der NRZ im Gebäude des Bürgerschützenvereins auf den Punkt. Neben dem BSV Möllen sind an dem späten Nachmittag die Freunde der Evangelischen Kirche in Möllen e.V., die Vereinsgemeinschaft, die Werbegemeinschaft, der SV „Glückauf Möllen“, der Denkmalausschuss, der Förderverein der örtlichen Bücherei, eine interessierte Bürgerin und ein interessierter Bürger vertreten.

„Lass die Kirche im Dorf!“ – der Aufruf passe hier in zweierlei Hinsicht, erklärt Dieter Spelleken, Präsident des BSV Möllen und – wie die anderen Teilnehmer an dem Gespräch mit der NRZ – Mitglied der Ev. Kirchengemeinde. Der Satz stehe zum einen für die Forderung, das Gotteshaus nicht aufzugeben, und ist zum anderen als Kritik an der Art der Argumentation zu verstehen.

In der dritten Ausgabe des Gemeindebriefes wurde zur Gemeindeversammlung am 7. November in Götterswickerhamm eingeladen. Dass es dabei auch um das angedachte Aus der Kirche in Möllen gehen wird, davon war dort ausdrücklich nichts zu lesen. Auch die später, zweieinhalb Wochen vor der Versammlung auf der Web- und auf der Facebookseite der Kirchengemeinde veröffentliche Ankündigung der Veranstaltung enthielt dazu keinen Hinweis. Das Thema war auf der Tagesordnung nicht explizit erwähnt. Zwei Tage vor der Versammlung wurden die Leitungen der Gruppen, die sich in den Räumen unter dem Gotteshaus in Möllen treffen, von Pfarrerin Hanke Ibbeken über die Schließung unterrichtet, wie Spelleken erklärt.

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Es bestehe der Eindruck, dass das Gros der Möllener Gemeindemitglieder vorher nicht informiert worden sei, „um den Aufstand bewusst kleinzuhalten“ und „nicht dasselbe Debakel“ zu erleben wie vor einigen Jahren. Damals stießen die Pläne, für die Bezirke Voerder Kirche und Rönskenhof ein gemeinsames Gemeindezentrum zu bauen und das bestehende Gemeindehaus Rönskenhof aufzugeben, statt dieses zu sanieren, auf massiven Widerstand. Auch der Verkauf des Pfarrhauses in Möllen habe im Raum gestanden, erklärt Spelleken. Bei dem Termin am 7. November in Götterswickerhamm habe er Pfarrer Harald Eickmeier aufgefordert, in Möllen eine Versammlung zu dem geplanten Kirchen-Aus zu veranstalten. Bisher gebe es dazu keine Einladung.

Kritik wird auch an der Präsentation der Zahlen laut: Pfarrer Eickmeier hatte bei der Versammlung in Götterswickerhamm die Kosten für die kirchlichen Gebäude nebst Personalkosten vorgestellt. Die Zahlen habe man nicht zuordnen können, sagt Spelleken. Eickmeier nannte für die Kirche in Möllen inklusive der darunter befindlichen Räume Kosten von fast 90.000 Euro. Neben der Gebäudeunterhaltung sind in der Summe die Personalkosten enthalten. Diese seien mit 30.000 Euro beziffert worden, sagt Spelleken. Er fragt sich, wie dieser Betrag angesichts der zurückgefahrenen Nutzung der Kirche zustande kommt. Zudem wird vonseiten der Gemeinde als Argument für eine Aufgabe des Gotteshauses ein enormer Sanierungsstau angeführt, der bei mindestens 300.000 Euro, eher 500.000 Euro liegen soll, so die Aussage.

Die dargelegten Kosten hätten von den Besuchern der Versammlung „nicht logisch nachvollzogen“ werden können, sagt auch Rainer Hemsteg, Vorsitzender des Vereins „Freunde der Evangelischen Kirche in Möllen“. Das Ergebnis der von Pfarrer Eickmeier präsentierten Betrachtung, die Kirche in Möllen zu verkaufen, müsse daher in Frage gestellt werden. In einem auf den 8. November datierten Brief fordert Hemsteg den Seelsorger auf, unter anderem eine Aufstellung über mindestens drei Jahre für jedes Gebäude mit Angabe der jeweiligen jährlichen Betriebs-, Reparatur- und Personalkosten vorzulegen. Außerdem erwartet er bis zum 16. Dezember eine Kostenaufstellung für erforderliche Reparaturen und Sanierungen mit mindestens zwei Angeboten sowie die Vorlage von Schadensbewertungen durch „neutrale, sachverständige“ Personen. Seit Dienstag liegt eine Antwort Eickmeiers auf das Schreiben vor, mit der sich die Kritiker nun zunächst inhaltlich auseinandersetzen wollen.

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Es gelte, das Kirchengebäude zu begutachten, betont auch Manfred Gockel von der Vereinsgemeinschaft: Die Frage sei, was dringend gemacht werden muss, und welche Arbeiten noch Zeit hätten. Gockel erinnert an die Kosten für die Mitnutzung des Barbarahauses der katholischen Kirchengemeinde St. Peter und Paul an. Dort sollen die Gruppen, die sich in den Räumen unter der evangelischen Kirche treffen, eine neue Heimat finden.

Die Kritiker der angedachten Kirchen-Aufgabe argumentieren auch mit den Sanierungen von Wohnungen und den Neubauten, durch die der Stadtteil einen Zuzug erfahren werde. Sie erinnern zudem an den Plan, auf dem früheren Kraftwerksareal anteilig Wohnen zu ermöglichen. Auch vor diesem Hintergrund halten sie den Rückzug der evangelischen Kirchengemeinde aus Möllen für nicht nachvollziehbar.

Veranstaltungen in dem dortigen Gotteshaus seien bewusst reduziert worden, um nachher sagen zu können, dass dort ohnehin nichts passiere, lautet eine weitere Kritik.

Gemeinde möge sich Gedanken über eine Rettung machen

Bereits seit 2014 werde der Kirchraum nicht mehr für die regelmäßigen Sonntagsgottesdienste genutzt, sagt Pfarrer Eickmeier. Neben Heiligabend fänden Gottesdienste dort nur noch zu besonderen Anlässen statt – etwa für Grundschul- oder Kindergartenkinder oder für Familien. „Wo sollen die Kinder hin – nach Voerde, nach Götterswickerhamm?“, fragt Annegret Lingscheid, die den „großen Aufwand“ zu bedenken gibt. Sie würde sich wünschen, dass die Gemeinde sich Gedanken darüber macht, „wie man die Kirche retten kann“.

Hans Gutjahr vom SV „Glückauf Möllen“ erhofft sich von der Gemeinde eine „offene und faire Kommunikation“, wie es mit der evangelischen Kirche in Möllen weitergehen soll. Er erinnert an ihre soziale Verantwortung für den Stadtteil, der sie sich, wie er sagt, mit einem Rückzug aus Möllen entziehen würde.