Voerde. Ein Büro aus Hilden erarbeitet für die Stadt Voerde ein Radverkehrskonzept und bekam bei der Bürgerbeteiligung viele Hinweise – aber auch Kritik.
Wer sich am frühen Montagabend mit der Erwartung auf den Weg zur Bürgerbeteiligung gemacht hatte, dort schon viel Konzeptionelles zu einer künftigen Radverkehrsführung in Voerde zu erfahren, der sah sich enttäuscht. An dem Punkt ist der im August 2020 begonnene Prozess noch nicht. Bei dem Infoabend zum Stand der Erarbeitung eines Radverkehrskonzeptes für die Stadt Voerde durch ein externes Büro ging es insbesondere um die umfassende Darstellung des Ist-Zustandes und um die Phase der Mängelanalyse, in der sich das Verfahren momentan befindet.
Online-Beteiligung
Eine wichtige Quelle dabei war die Online-Beteiligung, bei der die Bürgerinnen und Bürger anhand einer interaktiven Karte kritische Punkte auch gleich verorten und Hinweise für Verbesserungen geben konnten. Darüber hinaus sichtete das Büro „stadtVerkehr“ mit Sitz in Hilden politische Anträge zu der Thematik, wertete Unfalldaten aus und fuhr das vorhandene Radwegenetz zum Teil mit dem Radverkehrsbeauftragten der Stadt, Daniel Blaszczak, ab.
Aus den Reihen der Zuhörer des Infoabends in der Aula des Gymnasiums wurde die Kritik laut, dass das Wort „Konzept“ in der Präsentation zu kurz komme, die Mängel lange bekannt seien. Die Erste und Technische Beigeordnete Nicole Johann erwiderte, dass es sich um den ersten Schritt handele. Zunächst gehe es um eine Bestandsaufnahme, darum, die Mängel und Anregungen zu erkennen. Das Ergebnis daraus werde ein Konzept sein.
Der Defizite gibt es auch in Voerde viele – wie sowohl die Vorstellung durch das Hildener Büro als auch Hinweise aus dem Plenum deutlich machten: Radwege, die nicht den Vorschriften entsprechen und/oder in ihrer Breite den Qualitäts- und Ausbaustandards nicht genügen. Die Radwegeführung ist unklar. Weitere Themen sind eine fehlende Beleuchtung, Netzlücken und eine „unsichere Führung“ des Radverkehrs auf der Fahrbahn.
Dazu wurden einige konkrete Beispiele samt Foto präsentiert: die rätselhafte Radwegeführung an der Rönskenstraße, die besonders für Nutzer von Lastenrädern ein Ärgernis darstellenden Umlaufgitter wie etwa an der Mittelstraße, der Kreisverkehr Bahnhofstraße/Alexanderstraße, an dem die Fahrradfahrer unmittelbar auf die Fahrbahn geführt werden, oder der abrupt nahe der Boltraystraße endende Radweg auf der Mehrstraße. Die Situation dort sei sehr gefährlich, kommentierte eine Bürgerin, die es ärgert, dass dort Autofahrer häufig nicht den erforderlichen Abstand zu den Fahrradfahrern einhielten.
Als eine überaus kritische Stelle für den Radverkehr wird seitens der Bürgerschaft neben der Querung der Frankfurter Straße im Bereich vor allem der Einmündung Breiter Deich insbesondere auch die Kreuzung an der Friedrichstraße in Möllen gewertet. Das Problem liegt darin, dass der Bereich auch aufgrund der nahe gelegenen Kurve auf der Landstraße sehr schwer einsehbar ist. Eine Bürgerin berichtete davon, dort häufig Fahrradfahrer ratlos stehend zu sehen. Außerdem sprach Ulrich Neßbach, SPD-Ratsmitglied und Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses, den Wunsch an, auf den Wirtschaftswegen gefahrlos Rad fahren zu können. Die erlaubte Geschwindigkeit werde von manchem Autofahrer auch „gnadenlos“ gefahren.
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Als einen weiteren Punkt brachte Mira Isfort vom „stadtVerkehr“-Büro die Nachfrage nach sicheren und witterungsabhängigen Abstellanlagen auch für höherwertige Fahrräder am Voerder Bahnhof an – wobei ihr Kollege Lennart Bruhn der Stadt empfiehlt, keine eigenen Fahrradboxen aufzustellen, sondern sich der im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) angebotenen Systeme zu bedienen, weil diese auch über Voerde hinaus nutzbar seien.
Stefan Meiners, Fraktionsvorsitzender der Voerder Grünen, merkte an, dass die Betrachtung des Büros sehr auf Radwege abgestellt sei, und stellte angesichts der „ganz klaren gesetzlichen Vorgaben“ die Frage, ob es sicht sinnvoller sei, Radwege nicht zu forcieren. Diese seien demnach nur noch in Ausnahmefällen als „benutzungspflichtig“ zu kennzeichnen. Das Bundesverwaltungsgericht habe in einem Grundsatzurteil bestätigt, dass Radfahren auf der Fahrbahn der Regelfall sei, erläutert der ADFC auf seiner Webseite. Für den Allgemeinen Deutschen Fahrradclub wurden damit die Rechte von Radfahrern gestärkt.
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Stefan Meiners verwies auf Probleme im Winter und Herbst, wenn auf den Radwegen der Schnee und das Laub nicht weggeräumt werden. Lennart Bruhn versicherte, dass die Punkte im anstehenden Prozess mit betrachtet würden. Auch gelte es zu schauen, wie sich die Schwerlastverkehre auf den jeweiligen Strecken darstellen: „Wir pochen nicht auf eigenständige Radwege!“ Ziel sei es auch, Alternativen aufzuzeigen, wie sich die Radwegeführung kurzfristig verbessern lasse.
Anhand der Mängelanalyse würden nun Maßnahmen entwickelt und werde eine Priorisierung vorgenommen. Denn: Viele hängen vom Ausbau der Betuwe-Linie ab, erklärte Mira Isfort. Daher soll auch nach schnell umsetzbaren Lösungen gesucht werden, die bereits vor der Fertigstellung des Großvorhabens der Deutschen Bahn „zu mehr Sicherheit führen können“.
>>Info: Fertigstellung für Ende dieses Jahres geplant
Im nächsten Schritt zu einem Radverkehrskonzept für die Stadt Voerde wird das damit beauftragte Büro „stadtVerkehr“ – auch basierend auf den bisher erfolgten Hinweisen und Anregungen – Maßnahmenvorschläge entwickeln. Diese sollen der Politik im September dieses Jahres vorgestellt werden.
Ab Oktober dann soll die zweite Bürgerbeteiligung stattfinden. Lennart Bruhn vom Hildener Büro hofft, dass dies wieder in Form einer Präsenzveranstaltung möglich sein wird – was sich angesichts der Pandemie noch nicht sagen lässt. Ende dieses Jahres soll das Radverkehrskonzept fertiggestellt sein.
Ziel dieses Konzeptes ist es, den Radverkehrsanteil in Voerde durch Verlagerung des motorisierten Individualverkehrs auf das Fahrrad zu steigern und eine lückenlose, sichere, attraktive und komfortable Radverkehrsinfrastruktur zu schaffen.