Voerde. Amprion muss den Großteil des Netzausbaus zwischen Voerde und Rheinberg als Erdkabel realisieren. Freileitung wäre nicht genehmigungsfähig.
Den von ihr „im Rahmen der Energiewende“ geplanten Ausbau des Stromübertragungsnetzes zwischen Wesel und Krefeld muss die Firma Amprion im Abschnitt der sogenannten Rheinquerung auf Voerder und Rheinberger Gebiet größtenteils in Form eines Erdkabels realisieren. Ursprünglich hatte das Unternehmen in dem Bereich mit einer Freileitung geplant. Man sei mit dem Gesamtprojekt bereits relativ weit gewesen. 2015 wurde die Maßnahme auf dem fast 11,5 Kilometer langen Teilstück als Erdkabel-Pilot-Projekt in das Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) aufgenommen.
Freileitung nicht genehmigungsfähig
Der Übertragungsnetzbetreiber mit Sitz in Dortmund musste diese Alternative prüfen – mit dem Ergebnis, dass eine Kombination aus einem kurzen Freileitungsteilstück und einem längeren Erdkabel greifen soll. Begründet wird diese Entscheidung vor allem damit, dass die Trasse zwischen Voerde und Rheinberg durch eine Auenlandschaft, das Vogelschutzgebiet Unterer Niederrhein und mehrere Naturschutzgebiete führe: „Hier gelten besondere Regelungen hinsichtlich des Artenschutzes, zum Beispiel für heimische Brutvögel und rastende Wintergänse.“ Das Kollisionsrisiko wurde 2018 artenschutzfachlich neu bewertet. Demnach erfülle eine Freileitung „habitats- und artenschutzfachliche“ Verbotstatbestände. Die Realisierung der Rheinquerung in dieser Form als „nicht genehmigungsfähig“ eingeschätzt. Die zunächst dahingehenden Pläne wurden verworfen.
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Auf einer Länge von etwa zehn Kilometern soll die Erdkabeltechnik zum Einsatz kommen, auf den restlichen rund 1,5 Kilometern will das Dortmunder Unternehmen mit einer Freileitung arbeiten. Dafür werden vier neue Strommasten gebaut. Deren genauer Standort hänge davon ab, wo die Kabelübergabestationen platziert werden. Für die auf Voerder Gebiet geplante gibt es zwei Standort-Suchräume – zum einen südlich des Gewerbegebiets Grenzstraße und zum anderen südöstlich von Stockum.
Bei der Verlegung der Erdkabel kommen verschiedene Verfahren zum Einsatz. Bei der offenen Bauweise wird der Boden schichtweise ausgehoben, um die drei erforderlichen Kabelgräben herzustellen. Zwei sind für die zwölf 380-Kilovolt(kV)-Kabel und ein Graben ist für die sechs 110-kV-Kabel vorgesehen, die alle in Schutzrohren verlegt werden. Die Gräben werden am Ende „unter bodenkundlicher Baubegleitung“ schichtweise wieder verfüllt, erklärt Paul Scharton, Teilprojektleiter für den Bereich der Rheinquerung. Die offene Bauweise wird auf etwa 7,5 Kilometern angewandt.
Vier Übergangsbauwerke geplant
Die drei weiteren Verfahren auf den übrigen 2,5 Kilometern sind geschlossene Verlegungstechniken. Bei der Querung des Rheins – auf Voerder Gebiet in Höhe Mehrum an Rheinkilometer 802,7 – und der Momm-Niederung setzt Amprion den Rohrvortrieb ein. Der gesamte Rhein und das Rheinvorland inklusive Deichkörper werden dabei, wie Amprion erläutert, mit einem rund 1,4 Kilometer langen Tunnel gequert. Mit dem Rohrvortrieb-Verfahren ist die Errichtung von Übergangsbauwerken als Start- und Zielschächte verbunden. Über diese ist ein Zugang in den sich anschließenden Tunnelabschnitt möglich.
Für die Übergangsbauwerke würden je etwa 260 bis 400 Quadratmeter Fläche benötigt. Die Außenfläche ist nicht mit eingerechnet. Nach aktuellem Planungsstand sind insgesamt vier solcher Übergangsbauwerke und davon drei auf Voerder Gebiet vorgesehen. Deren Standorte werden im Bereich des Rheins – vom Fluss aus gesehen – hinter den vorhandenen Deichkörpern liegen. Die Übergangsbauwerke zur Querung der Momm-Niederung werden „außerhalb des Vogelschutzgebietes angeordnet“. Der Rohrvortrieb ist ein ferngesteuertes Verfahren, das bemannt oder teilbemannt erfolgt. Der Innendurchmesser der Tunnelröhren beträgt etwa 3,30 Meter.
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Zur Querung der Thyssengas-Leitung im nördlichen Bereich von Voerde setzt Amprion das Spülbohrverfahren ein: Dabei wird ein Pilotstrang mit Bohrkopf zwischen einem Start- und Zielbereich vorgetrieben. Im Anschluss daran weitet ein Räumer die Bohrung vom Zielbereich aus auf und gleichzeitig werden die Kabelschutzrohre eingezogen. „Hier gibt es keine Bauwerke, die errichtet werden müssen“, erklärt Paul Scharton.
Das Gleiche gilt für das Mikrotunneling, das die Firma Amprion bei der Querung der Betuwe-Linie anwendet. Bei diesem ferngesteuerten, unbemannten Verfahren werden Start- und Zielgruben hergestellt und im Anschluss werden Mantelrohre eingebracht.
Amprion geht davon aus, dass die Rheinquerung per Teilerdverkabelung voraussichtlich 2030 in Betrieb genommen wird. Die neue Stromverbindung wird den Fluss mehr als drei Kilometer entfernt von der Erdgasfernleitung Zeelink kreuzen, die in Voerde-Ork und Rheinberg-Wallach 3,50 Meter unter der Sohle des Gewässers in einer zugeschütteten Rinne liegend den Rhein passiert. Amprion zufolge könnte die neue Stromverbindung nur in einem Bereich an die Erdgasfernleitung, deren Inbetriebnahme für März 2021 geplant ist, heranrücken: „Da die Zeelink von Westen in Richtung Voerde zugeht und unsere Teilerdverkabelung von Süden ankommt, ist südlich des Gewerbegebiets Grenzstraße die einzige mögliche Stelle, an der sich die beiden annähern könnten. Da der Standort für die Kabelübergabestation innerhalb des Suchraums noch nicht feststeht, können die Abstände nicht beziffert werden“, erklärt Paul Scharton.
Durch die räumliche Nähe von Versorgungsleitungen würden sich Kopplungen zwischen den elektrischen Leitungen und elektrisch leitender Infrastruktur ergeben, die zu Beeinflussungen – etwa durch das elektrische Feld einer unter Spannung stehenden Leitung oder durch das magnetische Feld der Ströme in einer Leitung – führen. „Es gehört zum Standardvorgehen, im Zuge der Planungen Beeinflussungsrechnungen durchzuführen, die den sicheren Betrieb beider Infrastrukturprojekte gewährleisten“, betont Gesamtprojektleiter Karsten Spiecker. Im Vorfeld würden entsprechende Maßnahmen geplant, um die Beeinflussungen zu vermeiden.
>>Info: Rund 20 Teilnehmer bei der zweiten Online-Sprechstunde
Mehr Resonanz als die erste Online-Sprechstunde fand die zweite, zu der Amprion am Dienstag dieser Woche eingeladen hatte. Rund 20 Teilnehmer, also doppelt so viele wie beim ersten Mal, nahmen das Angebot wahr, sich die virtuelle Präsentation des Übertragungsnetzbetreibers anzusehen und Fragen zu dem Vorhaben zu stellen.
Angesprochen wurden etwa der der Trassenverlauf des Freileitungsprovisoriums, das Amprion als Übergangslösung auf der bestehenden Route bis zu der 2030 geplanten Inbetriebnahme der Teilerdverkabelung errichten will, der Hochwasserschutz und die verschiedenen Bauweisen der Erdkabelabschnitte, wie Projektsprecherin Anne Frentrup erklärt.